In den letzten Wochen habe ich mich mehr und mehr mit den österreichischen ScienceBusters angefreundet. Ihr Radioprogramm (hier als Podcast) ist knackig und unterhaltsam und ein gutes Stück Wissenschaftskommunikation. Leider habe ich nie in ihrem Blog mitgelesen, aber bin heute über einen aktuellen Eintrag von Heinz Oberhummer gestolpert, der mich sprachlos macht.
Prof. Oberhummer benutzt darin ein Interview des BBC mit Phil Jones, dem Leiter der Climate Research Unit. Leider sind die Zitate sehr unglücklich interpretiert.
Vergleichen wir mal die Aussagen. RealClimate hatte übrigens auch was dazu – also zu anderen, die es unglücklich interpretiert haben.
Es gibt seit 1995 keine signifikante globale Erwärmung mehr
Das ist wenigstens unglücklich verkürzt. Die Originalantwort verrät mehr
Yes, but only just. I also calculated the trend for the period 1995 to 2009. This trend (0.12C per decade) is positive, but not significant at the 95% significance level.
Das klingt doch anders? Das “signifikant” ist hier wissenschaftlich gemeint, im Sinne einer statistischen Auswertung. Während es einen Erwärmungstrend gibt, kann man diesen nicht statistisch gegen die Nullhypothese keiner Erwärmung verteidigen. Es ist das alte Lied: Klima muss man als langjähriges Mittel von mindestens 20-30 Jahren betrachten, da der Trend von kurzfristigen Schwankungen überlagert ist. Dass Jones sagt, er sei nicht signifikant, ist die ehrliche wissenschaftliche Aussage: Diesen Trend dürfen wir nicht verwenden. Tamino hatte vor kurzem einen wunderbaren Post dazu. Schaut einmal nur das sechste Bild, man sieht wie auf der kurzen Skala die Unsicherheit einfach sehr hoch wird. Mehr nicht. Wenn also jemand sagt, die 15 letzten Jahre haben eine Erwärmung gezeigt, müsst ihr sagen, ja aber der Zeitraum ist zu kurz um eine signifikante Aussage zu treffen.
In den Jahren 2002-2009 ist es sogar kühler geworden
Leider lässt Herr Oberhummer jetzt die Information zur Signifikanz weg. Denn sehen wir uns das Originalzitat an:
No. This period is even shorter than 1995-2009. The trend this time is negative (-0.12C per decade), but this trend is not statistically significant.
Es gilt das gleiche wie oben, sogar noch stärker weil der Zeitraum viel kürzer ist. Man darf keine Klimatrends über solche Zeiträume angeben. Gleiche Aussage: Keine statistische Signifikanz.
In den Jahren 1860-1880 war der Temperaturanstieg in etwa gleich wie heute
In der mittelaterlichen Warmperiode (1000-1200) war es möglicherweise sogar wärmer als heute
Das sind typische Skeptiker-Argumente. Nur weil es aber mal wärmer war, und es war irgendwann auch mal VIEL wärmer auf der Erde, lässt sich daraus nichts ableiten, wie der Einfluss des Menschen auf das Klima ist. Das ist ein “non sequitur”.
Aber schauen wir in das Interview, vielleicht hat Jones das ja auch gesagt:
Of course, if the MWP was shown to be global in extent and as warm or warmer than today (based on an equivalent coverage over the NH and SH) then obviously the late-20th century warmth would not be unprecedented. On the other hand, if the MWP was global, but was less warm that today, then current warmth would be unprecedented. (…) The fact that we can’t explain the warming from the 1950s by solar and volcanic forcing
Der letzte Satz als Antwort auf die Frage “If you agree that there were similar periods of warming since 1850 to the current period, and that the MWP is under debate, what factors convince you that recent warming has been largely man-made?”
Das Studium vergangener Temperaturen kann uns Informationen darüber liefern, wie Klimawandel abläuft. Und welche Folgen er möglicherweise hat. Nur weil der Klimawandel lief und heute wieder läuft, heißt aber nicht dass der Hebel der gleiche war. Das dürfte man allerdings annehmen, wenn man die Ursachen von damals (z.B. Sonne, ggf. Vulkane), die ja nicht CO2-Ausstoß sein konnten, auch heute wiederfinden könnte. Das ist nicht der Fall. Mehr noch, wir verstehen die Wirkung von CO2 und müssten dann noch zusätzlich erklären warum der gewünschte Effekt nicht eintritt.
Der einzig logische Schluss aus diesen Fakten ist, dass die derzeitige globale Erwärmung nicht mehr hauptsächlich auf die Erhöhung des Kohlendioxids durch menschliche Aktivitäten in den letzten 100 Jahren zurückgeführt weren kann.
Ich kann zwei mögliche Schlüsse ziehen: Entweder sehr schwaches Textverständnis oder mutwilliges Herauspicken von Zitaten, die das eigene Weltbild bestätigen. Zweiteres wäre unwissenschaftlich und ein Schlag in die Magengrube für andere Wissenschaftskommunikatoren.
Leider deutet noch mehr auf die zweite Erklärung hin, wie dieser Link auf die unsägliche Welt oder ein Artikel vom November, ebenfalls von Heinz Oberhummer, in dem er schön die wilden Anschuldigungen nach dem Diebstahl von Mails der CRU wiedergibt. Diese wilden Anschuldigungen aus aller Welt haben Phil Jones so getroffen, dass er erkrankt ist und an Selbstmord dachte. Eine saubere Leistung.
/Update: Der Artikel ist übrigens stark entschärft worden, und faktisch jetzt korrekt, auch wenn ich mit der Interpretation nicht übereinstimme. Siehe Kommentare unten.
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