Ok, hab ich euch gelockt mit dem Titel? Gut so, denn das ist ein wirklich bemerkenswertes Experiment. Allerdings ist der Titel auch ein bißchen unfair, denn nicht nur der US-Energieminister und Physik-Nobelpreisträger Steven Chu war beteiligt, sondern auch Holger Müller aus Berkeley und Achim Peters aus Berlin. Dem aufmerksamen ScienceBlogs-Leser ist Holger Müller vielleicht schon bekannt, denn er hat auch ein interessantes Experiment zum Finden Dunkler Energie im Labor vorgeschlagen. 2008 hatte er eine weitere clevere Idee: Er hat erkannt, dass man mit Daten aus einem früheren Experiment im Labor die Gültigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie mit bislang unbekannter Präzision messen kann.
Von der verschiedenen Prinzipien der Relativitätstheorie ist das der lokalen Positionsinvarianz am wenigstens genau getestet. Die lokale Lorentzinvarianz z.B. ist auf 17 Stellen hinter dem Komma bestätigt, aber die Auswirkung eines Gravitationspotentials auf die Zeit war bislang nur bis auf 7*10-5 genau bestätigt. Dieses Prinzip besagt, dass die Zeit umso schneller läuft je weiter man von einem Gravitationspotential (z.B. durch die Masse der Erde) entfernt ist.
DAS klassische Experiment dazu war das Experiment von Hafele und Keating 1971, bei dem Caesium-Atomuhren in Linienflugzeugen transportiert wurden. Die bislang genauste Messung fand mit einem Helium-Maser in einer Rakete statt. Holger Müllers Idee packt jetzt lockere 4 Größenordnungen Verbesserung drauf.
Das Phänomen bezeichnet man als gravitative Rotverschiebung, denn dadurch dass die Zeit unterschiedlich vergeht, denn bei der Entfernung von einer Masse wird die Frequenz geringer, also rotverschoben. Der erste experimentelle Nachweis der gravitativen Rotverschiebung war das Pound-Rebka-Experiment.
Jetzt erlaubt aber die Methode der Atom-Interferometrie, diese ganz leichten Frequenzverschiebung in der Phase eines in der Quantenwelt geteilten fallenden Atoms wiederzufinden.
Das Experiment dazu stammt von Physik-Nobelpreisträger Steven Chu, der die Laser-Atomfalle entwickelt hat. Daraus entwickelte er die Idee der Atom-Interferometrie weiter und publizierte schließlich mit Achim Peters und Keng Yeow Chung 1999 ein Experiment in Nature, bei dem die Gravitationskonstante damit vermessen wurde. Müllers Idee geht weiter, er verwendet die Daten aus diesem Experiment, um die gravitative Rotverschiebung zu bestimmen.
Wer braucht schon Flugzeuge?
Und denkt, auf was für Dimensionen sich das abspielt. Die früheren Experimente brauchten Flugzeuge und Raketen, um weit genug von der Erde wegzukommen um einen winzigen Effekt zu messen. In Müllers Experiment langt ein Höhenunterschied von 0,1 Millimeter, um eine wesentlich genauere Bestimmung vorzunehmen. So genau kann man mit Interferenzversuchen messen.
Das Caesium-Atom wie in diesem Experiment wird auch in Atomuhren verwendet, wie ich vor Urzeiten (Teil 2) mal beschrieb. Der Unterschied zwischen zwei Hyperfeinstruktur-Zuständen ist es, der Caesium so attraktiv macht, denn kleiner Unterschied = hohe Frequenz = genauer Zeitpuls.
In diesem Experiment aber wird das ganze Atom zur Uhr: Man versetzt es in eine quantenphysikalische Überlagerung zwei Zustände – in einem hat es ein wenig mehr Impuls gewonnen und fliegt etwas höher:
Und das geht so: Man fängt mit einer Laser-Falle ein Caesium-Atom und schießt es wie in einer Fontäne senkrecht nach oben. Beachtet, dass im Bild nach links die Zeitachse läuft, und keine zweite Raumrichtung. Zu einer bestimmten Zeit schießt man dann von oben und unten mit einem Laser. Die Laser sind so eingerichtet, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% ein Photon absorbiert wird und das Atom einen kleinen Kick nach oben bekommt. Daher teilt sich seine Wellenfunktion in eine Überlagerung zweier Alternativen. Bei der einen aber legt das Atom einen anderen Weg zurück, 0,1 mm weiter weg von der Erde, und daher wird dort die Frequenz ganz leicht rotverschieben. Zweimal noch bekommt das Atom auf seinem Weg Laser ab – beim zweiten Mal, damit die Weg sich in einem Punkt beim dritten Puls vereinigen.
Voila – Phasenverschiebung
So können wir also nach der Wiedervereinigung der beiden Alternativen die Phasenverschiebung messen, die uns angibt wie sehr sich die Frequenzen verschoben haben. Falls man das ausrechnet, ergibt sich die Abhängigkeit der Phasenverschiebung von drei Beiträgen: Der Interaktion zwischen Atom und Photon, der Zeitdilatation durch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten und schließlich der gesuchten Rotverschiebung. Die letzten beiden Teile sind abhängig von der Compton-Frequenz, die die gesamte Energie des Atoms mit seiner Materiewelle verknüpft. Da hier auch die relativ hohe Ruhemasse das Caesium-Atoms einfließt, ist diese extrem hoch (Größerordnung 1025 Hz) und ergibt daher eine so genaue Uhr. Daraus bestimmt man dann den “Rotverschiebungs-Parameter”. Dieser ist so definiert, dass er die Abweichung von der Vorhersage durch die Allgemeine Relativitätstheorie angibt.
So ein Experiment ist eigentlich eine Win-Win-Situation. Eine starke Verbesserung der Messmethode ist eh schon hoch attraktiv, und jede noch genauere bestätigende Messung lässt uns nur staunen, wie toll die Gleichungen von Einstein die Natur beschreiben. Und wenn das Experiment reproduzierbar eine Abweichung messen würde, wäre es gleich noch
eine umstoßende Sensation und der Startschuss für neue Physik. Aber es gibt keinen Startschuss, stattdessen eine beindruckend niedrige obere Grenze für den Rotverschiebungs-Parameter: 7*10-9.
Daraus kann man noch schlussfolgern, dass die Genauigkeit der Zeitmessung in diesem Experiment in der Größenordnung 10-29 s liegt. Ich frage mich, ob man das nicht umkehren kann um unter der Annahme, dass die Rotverschiebung tatsächlich so aussieht, noch genauere Uhren zu bauen.
Bleibt noch zu bemerken: Da findet also der US-Forschungsminister neben seiner 70-80-Stundenwoche noch Zeit, Paper für das prestigereichste Journal der Welt zu schreiben. Und was haben wir? Eine Theologin.
Müller, H., Peters, A., & Chu, S. (2010). A precision measurement of the gravitational redshift by the interference of matter waves Nature, 463 (7283), 926-929 DOI: 10.1038/nature08776
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