Wenn wir über Tests der Quantenmechanik reden, dann sprechen wir meistens über einzelne Teilchen, über Photonen, Atome, Elektronen. Das bringt mich schon zum Staunen: wie man heute Experimente an einzelnen Atomen durchführen kann. Oder zwei Atome über Photonen verschränken kann. Aber irgendwo hat man sich doch jetzt dran gewöhnt, dass in dieser Winzwelt die Quantenphänomene existieren, Welle/Teilchen-Effekte, Quantenverschränkung, Systeme die in mehreren physikalischen Realitäten gleichzeitig existieren. Das ist irgendwo weit weg, dort unten. Aber jetzt kommt es uns nahe. Letzte Woche wurde in Nature vorab ein Paper veröffentlicht, bei dem erstmals in einem mechanischen, sehr kleinen, aber doch makroskopischen Objekt eine Überlagerung von Zuständen beobachtet wurde.
Um unsere Terme klar zu halten, nur kurz (ich habe es schon oft erwähnt):
– Ein Quantensystem hat verschiedene Zustände. Wie z.B. ein Atom angeregt sein kann oder im Grundzustand.
– Unter Quantenverschränkung versteht man, dass die Wellenfunktionen zweier Systeme zusammengelegt werden, sodass ihre Schicksal verknüpft ist.
– Eine Überlagerung von Zuständen bedeutet, dass ein System in mehreren Zuständen, z.B. angeregt und nicht angeregt, gleichzeitig ist. Solange, bis man es misst, dann legt sich ein Zustand fest.
– Ein Qubit ist ein Quantensystem, das genau zwei Zustände einnehmen kann.
Mit diesem Handwerkszeug machen wir uns an den ersten mechanischen Resonator im Grundzustand!
Eine Miniwippe
Bislang war uns also die Quantenwelt fern, aber es ist sehr interessant zu überprüfen, ob sie uns nicht nahe kommen kann – also z.B. in einem System aus vielen Atomen auftreten kann. Ein solches System könnte z.B. ein mechanisches sein, also eine kleine Wippe. Ein Zustand wäre dann ein Schwingungszustand – der Grundzustand wäre, wenn die Wippe in Ruhe ist. Und dazu braucht es vor allem sehr kleine Temperaturen. Viele Gruppen arbeiten gerade an diesem interessanten Thema, aber sie versuchen es meistens mit sehr fortgeschrittenen Kühlmethoden. In dieser Veröffentlichung war eben die Wippe, bzw. der winzige Resonator, der Trick. Da diese mit vielen GHz schwingt, liegt der Grundzustand bei erreichbaren 0,1 K. So war es möglich, ein solches System mit einem kontrollierbaren Quantensystem zu koppeln. Das war möglich, weil der Resonator aus einem piezoelektrischen Material besteht – also durch Elektrizität zur Deformation anregbar ist, und anders herum, messbare Elektrizität abgab wenn er deformiert wurde.
60 µm ist zwar nicht groß, aber da man es mit einem Schulmikroskop sehen kann, kann man es als makroskopisch bezeichnen. Vor allem: Es besteht aus zig Milliarden Atomen, also ist es wirklich weit weit jenseits von “normalen” Quantensystemen.
Diesen Resonator koppelt man jetzt mit einem Qubit. Dieses Qubit besteht aus einer Josephson-Brücke, in der eine nicht-supraleitende Schicht zwei Supraleiter trennt. Über angekoppelte Kontrollpunkte kann man über äußere Magnetfeldern Spannungen induzieren die die Josephson-Brücke steuern. Die Brücke wird zum Qubit durch die Kopplung an einen Schwingkreis, und hat zwei Zustände |g> und |e> für Grundzustand und angeregten Zustand.
Das Qubit und der Resonator sind gekoppelt, auf 25 mK abgekühlt. Man kann das Qubit so steuern, dass man seine Frequenz verändern kann und so die Ankopplung an den Resonator steuern kann. Das ermöglicht verschiedene Experimente.
Akt 1: Stillgestanden!
Zunächst regt man das Qubit an und verschiebt dann seine Frequenz hin zur Resonanz. Anschließend führt man es wieder zurück, und weil man keine Veränderung im Verhalten des Systems sah konnte man schließen, dass der Resonator sich im Grundzustand befand. Der erste angeregt Zustand wäre, wenn genau ein Phonon vorhanden wäre. Aber man befindet sich darunter.
Dies ist einer der größten wissenschaftlichen Durchbrüche des Jahres: Man hat ein kleine Wippe so weit abgekühlt, dass sie nicht einmal mehr die kleinste mögliche Bewegung ausführt.
Akt 2 und 3: Verschränkung und Überlagerung
Als nächstes hat man eine Verschränkung der Systeme hergestellt. Erfolgreich kann man mehrmals den angeregten Zustand auf den Resonator übertragen und zurück. Der Resonator trägt dann ein Phonon, befindet sich quantenmechanisch im kleinsten möglichen Anregungszustand.
Und schließlich das was uns am meisten am Kopf kratzen lässt: Die erfolgreiche Präparierung überlagerter Zustände im Resonator. Die Forscher um Doktorand (!) Aaron O’Connell und Professor Andrew Cleland haben es geschafft, eine viele Milliarden Atome große Wippe zu erzeugen, die gleichzeitig schwingt und nicht schwingt.
Muss uns das jetzt wundern? Nein, denn es ist eine wunderbare Bestätigung dessen, was wir erwarten: Dass es keinen Grund gibt, warum die Regeln der Quantenwelt nicht auch bei größeren Objekten gelten sollen. Entscheidend ist aber, dass diese Objekte von der Umgebung isoliert werden müssen, daher die tiefe Kühlung. Denn die überlagerten Quantenzustände gehen ja durch Messung verloren, und in diesem Sinne ist jeder Stoß durch ein anderes Atom bereits eine Messung. Das ist der Grund, warum uns die Quantenphänomene nicht tagtäglich begegnen: Die ständige Interaktion mit der Umwelt.
O’Connell, A., Hofheinz, M., Ansmann, M., Bialczak, R., Lenander, M., Lucero, E., Neeley, M., Sank, D., Wang, H., Weides, M., Wenner, J., Martinis, J., & Cleland, A. (2010). Quantum ground state and single-phonon control of a mechanical resonator Nature DOI: 10.1038/nature08967
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