Als ich diesen Bericht bei Discovery zuerst gelesen habe, dachte ich: Kann doch nicht sein. Angeblich wird dort mit einer spektralen Bildmethode vom Flugzeug aus gemessen, wo sich vergrabene Körper befinden (man sucht einen vergrabenen Elefant in einem Safaripark in Kanada). Man könne die Änderungen im Chlorophyll dadurch sehen.
Leider war dazu kein Paper verlinkt, aber ich habe mir eben die Homepage der Forscher gesucht und dann ein Paper vom letzten Jahr aus dem Journal of Forensic Science angesehen. Und siehe da, es ist tatsächlich etwas dran an der Methode, auch wenn die Erklärung mit dem Chlorophyll viel zu stark verkürzt ist.
Die eingesetzte Methode nennt sich hyperspektrales Imaging. Grundsätzlich knöpft man sich dabei einen engen Bereich aus dem elektromagnetischen Spektrum um den sichtbaren Bereich vor. Ein solches Fenster aus dem Gesamtspektrum nennt man ein Band, und man misst innerhalb diesen Bandes, wieviel Licht dieser Wellenlänge von der Oberfläche ausgestrahlt wird – oder auch nicht. Hyperspektral bedeutet, dass man sehr viele solcher Bänder aus dem Bereich von Ultraviolett bis Infrarot misst. Durch die Auftrennung in Bänder kann man Informationen über alles erlangen, dass die Reflektioneigenschaften des Bodens beeinflusst. Dazu gehört die Bodenart, vorhandene Minerale, Wassergehalt, Textur und natürlich der Pflanzenbewuchs. So lassen sich z.B. aus Bilder, die von Überflügen stammen, die unterschiedlichen Arten des Bewuchses ermitteln.
Margaret E. Kalacska und ihre Koautoren aus Kanada und Australien haben diese Methode vor einem ernsten Hintergrund eingesetzt, nämlich der Problematik des Aufspürens von Massengräbern in ehemaligen Kriegsgebieten. Die übliche Methode ist sehr mühsam, denn man muss sich auf Hinweise der Bevölkerung verlassen und mit diesen ungenauen Angaben nach den Gräbern suchen. In dieser Arbeit aber wird gezeigt, dass große Gräber die Bodenchemie so stören, dass es eine Auswirkung auf die spektrale Ausstrahlung des Bodens und des Pflanzenbewuchses hat.
Messungen vor Ort
Als Ort der Studie wurde eine aufgegebene Wiese in Costa Rica ausgewählt, um unter klimatischen Bedingungen zu arbeiten, die denen vieler ehemaliger Kriegsgebiete gleichen. Auf der Wiese wurde ein Grab von 5×5 m ausgehoben und mit acht toten Rindern gefüllt. Daneben wurde zum Vergleich ein weiteres Grab ausgehoben, aber wieder mit Erde verfüllt. Direkt nach dem Schließen der Gräber wurde mit einem Handgerät des Spektrum der Gräber und der Umgebung aufgenommen. Diese Messungen wurden nach 5 und nach 16 Monaten wiederholt. Außerdem fand nach 1 Monat eine Flugzeug-getragene Messung statt, die die Fläche in Pixeln von etwa 5 m Größe auflöst. Das Handgerät nahm 500 Banden auf , das Flugzeug-Gerät 125.
Zur Zeit des Überfluges hatte sich weder auf dem echten noch auf dem falschen Grab die Vegetation erholt. Nach 5 Monaten war das falsche Grab schon stärker bewachsen als das echte; und schließlich waren nach 16 Monaten beide Stellen wieder etwa gleich stark zugewachsen.
Auswertung und Ergebnis
Die Auswertung der Daten erfolgt in zwei Schritten: Zunächst müssen aus den vielen Hundert Banden diejenigen herausgesucht werden, die die Informationen über Unterschiede in den Spektren tragen. So wird das Problem von 500 Dimensionen auf einige zehn heruntergebracht; ohne Information zu verlieren. Und dann möchte man eine Klassifizierung erhalten, quasi die gemessenen Bildpixel in Klassen einteilen: Du bist Wiese, du bist Wald, du bist falsches Grab, du echtes. Dazu wurden verschiedene Methoden aus dem Bereich des Machine Learning trainiert und eingesetzt. Die Spektren der Gräber unterschieden sich meist deutlich von der Umgebung, aber auch wenn der Verlauf der Spektren für falsches und echtes Grab dem Auge nach gleich war, konnten diese Methoden hier klar unterscheiden. Die Information zur Trennung stammte vor allem aus wenigen, engen Banden; z.B. dem “grünen Peak” bei 550 nm, der mit dem Chlorophyll im Pflanzenbewuchs zusammenhängt.
Warum?
Da stellt sich also die Frage: Kann es tatsächlich sein, dass die verwesenden Körper die Oberfläche beeinflussen? Ja, kann es wohl. Zunächst entstehen bei der Verwesung eine Vielzahl organischer Substanzen, die zunächst toxisch auf den Pflanzenbewuchs wirken. Das erklärt warum das echte Grab nach 5 Monaten viel weniger bewachsen war. Wärme-und Dampfflüsse transportieren dann außerdem Stoffe an die Oberfläche, sodass auch die spektrale Reaktion der Bodenoberfläche sich ändert. Außerdem werden durch diese Prozesse Nährstoffe herantransportiert oder freigesetzt, und vor allem die Mikrofauna geändert, sodass auch die weitere Entwicklung des Pflanzenbewuchses anders abläuft. Neben dem Einbau anderer Stoffe in die Pflanzen sollte daher wohl vor allem ein unterschiedlicher starker Bewuchs für die Unterschiede in den Spektren verantwortlich sein. Im frühen Stadium, bevor der Pflanzenbewuchs einsetzt, erlaubt die unterschiedliche chemische Zusammensetzung des Bodens eine Unterscheidung zwischen echtem und falschem Grab.
Allerdings ist dieses Experiment natürlich unter Laborbedingungen abgelaufen – man kannte die Position der Gräber und konnte sie direkt vergleichen. Aber die Erwartung, so Gräber aus Überflügen aufspüren zu können, kann man schon überprüfen. Und so sind wir wieder bei der Studie vom Anfang in Kanada. Das Paper, das ich besprochen habe, stammt vom Januar 2009. Und die Meldung ist aktuell, und es ist wohl gelungen, mit der Methode in diesem Park erfolgreich Tiergräber aufzuspüren – inklusive des vergrabenen Elefanten. Dessen Knochen sollen jetzt exhumiert und für eine Ausstellung präpariert werden. Und ja, ich wundere mich auch wie es in Kanada einen Safaripark mit Elefanten geben kann.
Kalacska, M., Bell, L., Arturo Sanchez-Azofeifa, G., & Caelli, T. (2009). The Application of Remote Sensing for Detecting Mass Graves: An Experimental Animal Case Study from Costa Rica* Journal of Forensic Sciences, 54 (1), 159-166 DOI: 10.1111/j.1556-4029.2008.00938.x
Kommentare (2)