Atomuhren sind ein wichtiges Werkzeug zur Zeitmessung, Synchronisation und Koordination und zur Frequenzmessung. Den Aufbau der “klassischen” Caesium-Atomuhr habe ich schonmal in meinem alten Blog beschrieben. Die Genauigkeit wird dabei durch statistisches Quantenrauschen begrenzt. Gleich zwei neue Arbeiten, die online vorab in Nature veröffentlicht wurden, verwenden jetzt Quantenverschränkung, um sogenannte “gequetschte Spinzustände” zu erzeugen, mit denen die Genauigkeit nochmal erheblich gesteigert werden kann. Die neuen Ergebnisse sind aber auch alleine wegen der Maniuplation von Bose-Einstein-Kondensaten interessant und könnten auch z.B. für neue Methoden der Spektroskopie relevant werden.
Im Prinzip nutzt eine Atomuhr einen äußerst kleinen Abstand zwischen zwei Energieniveaus in einem Atom aus, der durch die Interaktion von Atomkern mit dem Spin des Elektrons zustande kommt. In einem Magnetfeld spalten sich so die Zustände auf, je nachdem ob das Elektron in diesem Zustand Spin nach oben oder unten aufweist. Der Energieabstand zwischen diesen sogenannten Hyperfeinstruktur-Zuständen lässt sich mit der Energie eines Photons mit sehr hoher Frequenz überbrücken, und hohe Frequenz ist wiederum so etwas wie eine Uhr die sehr oft tickt. Wenn man sich ansieht, ob Photonen dieser Frequenz wirklich aufgenommen werden, bestimmt man damit ob die Uhr noch richtig geht.
Begrenzt wird die Genauigkeit durch Quantenrauschen. Wenn statistisch je die Hälfte der Atome in einem Zustand sitzt, gibt es trotzdem in jeder Einzelmessung kleine Abweichungen davon. Die Unsicherheit in der Messung limitiert somit die Fähigkeit, die Uhr so genau wie möglich einzustellen. In der klassischen Quantenwelt, mit unkorrelierten Atomen, wird der Fehler mit der Wurzel der Anzahl an Atomen abnehmen.
Eine Technik, die die Schicksale der Atome verbindet, also die Möglichkeiten der Quantenverschränkung zur Korrelation der Atome einsetzt, kann bewirken dass der Fehler mit der Teilchenanzahl abnimmt.
Gequetschte Spins
Während das Quantenlimit unkorrelierter Zustände ein klassisches statistisches Limit ist, hat das verbesserte Limit der Genauigkeit mit der Heisenberg’schen Unschärferelation zu tun, die immer demjenigen ein Beinchen stellt, der etwas ganz genau messen will. So wird eben immer eine bestimmte Unsicherheit über die genaue Aufteilung der Atome in die zwei Spinrichtungen bleiben. Aber man kann dennoch einen Trick anwenden, der deswegen funktionieren kann, weil man in lediglich einer Spinrichtung interessiert ist; sagen wir der z-Richtung. Dann kann man in dieser Richtung die Unsicherheit verringern – auf Kosten einer höheren Unsicherheit der Spinrichtung in die anderen Richtungen.
Beide Teams setzten Bose-Einstein-Kondensate von Rubidium-Atomen ein. In einem solchen BEC werden die Atome so tief heruntergekühlt, dass sie sich alle im tiefsten Energiezustand befinden und sich deswegen als Kollektiv mit einer gemeinsamen Wellenfunktion verhalten. Für die Arbeiten an solchen BECs hat man den schönen Namen Materiewellenoptik geprägt. Die Arbeiten beider Teams beginnen mit Atomen in einer Superposition der Spinzustände, die dann durch bestimmte nicht-lineare Vorgänge dazu gebracht wurden, dass sich gequetschte Spinzustände einfinden. Man kann es sich so vorstellen, dass dann die Interaktion zwischen Atomen im gleichen Energiezustand bevorzugt wird.
In der Laserfalle
Ein optisches Gitter ist eine regelmäßige Struktur z.B. aus parallelen Laserstrahlen, die in diesem Fall eindimensional das BEC einsperrt. Die erste Veröffentlichung von Christian Groß aus der Gruppe von Markus Oberthaler in Heidelberg hat ein solches Gitter und magnetische Pulse eingesetzt, um ihr BEC zu manipulieren.
Ihre Methode zur Trennung der beiden Zustände folgt einem interferometrischen Verfahren: Zunächst teilt ein “nichtlinearer Strahlteiler” die Materiewelle auf. Dieser Strahlteiler setzt dabei auf enge Feshbach-Resonanzen. Von einer Feshbach-Resonanz spricht man, wenn bei einem Streuprozess die kinetische Energie der kollidierenden Teilchen genau so passt, dass diese sich stattdessen zu einem “Molekül” zusammenfinden können. In der weiteren Entwicklung des Systems bewirkt die Nichtlinearität, dass sich die Strahlen in einen gequetschten Spin-Zustand bewegen. Danach werden die Strahlen wieder zusammengefügt.
Diese Methode wurde erfolgreich durchgeführt und die Forscher berichten eine Minderung des Quantenrauschens um ganze 85% gegenüber dem klassischen Limit.
Der Atom-Chip
Die zweite, ebenfalls sehr junge Gruppe von Philipp Treutlein in München, mit Erstautor Max Fabian Riedel und unter Beteiligung von Theodor Hänsch, hat ihr BEC auf einem Atom-Chip manipuliert.
Ein Atom-Chip erlaubt, über Strukturen auf dem Chip, Atome zu fangen, Laserkühlung einzusetzen und die Atome mit elektromagnetischen Wellen zu manipulieren. Die Evolution der Zustände lief auch in dieser Arbeit ähnlich ab, außer dass eben die Strukturen des Atom-Chips dazu eingesetzt werden, die Evolution der getrennten BEC-Komponenten in gequetschte Spin-Zustände anzutreiben. Zwar ist die erreichte Senkung des Rauschen mit 44% unter das klassische Limit hier geringer, aber die Basis des Atom-Chips bietet die Möglichkeit, eine mobilere Atomuhr daraus zu entwickeln.
Gross, C., Zibold, T., Nicklas, E., Estève, J., & Oberthaler, M. (2010). Nonlinear atom interferometer surpasses classical precision limit Nature DOI: 10.1038/nature08919
Riedel, M., Böhi, P., Li, Y., Hänsch, T., Sinatra, A., & Treutlein, P. (2010). Atom-chip-based generation of entanglement for quantum metrology Nature DOI: 10.1038/nature08988
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