An einem speziell dafür ausgelegten Experiment ist jetzt etwas gelungen, das man damit vergleichen könnte, Superman beim Umziehen zu erwischen: Man hat die Umwandlung eines Neutrinos in eine andere Neutrinoart direkt beobachten können.
Seit den ersten Experimenten mit riesigen Tanks und sehr geringen Zählraten weiß man, dass Neutrinos sich ineinander umwandeln können. Man beobachtete, dass weniger Elektron-Neutrinos von der Sonne kommen als erwartet – und schließlich kennt man die Prozesse der Fusion und weiß, wie viele Neutrinos entkommen. Spätere Experimente bestätigten dann, dass die Elektron-Neutrinos sich in die Neutrinos der höheren Generationen umwandeln können. Das können Quarks übrigens auch – und die Suche nach den genauen Mischungsverhältnissen ist eine der aktuellen Aufgaben der Physik. Für die Quarks wird das z.B. am LHC geschehen, für Neutrinos führt man jetzt “Long-Baseline-Experimente” durch.
Dabei erzeugt man an einem Teilchenbeschleuniger einen intensiven Strahl aus Neutrinos und schickt diesen in Richtung eines Detektors. Da Neutrinos so reaktionsfaul sind, stehen diese einige hundert Kilometer entfernt tief unterirdisch, meistens in stillgelegten Minen wie der Homestake Mine oder dem Gran Sasso Laboratorium. Da man unterschiedliche Abstände zwischen Beschleuniger und Detektor hat (die “baseline”, z.B. von Brookhaven nach Homestake oder vom CERN nach Gran Sasso) und weiß wie viele Neutrinos eines Typs am Anfang da waren, kann man aus den gemessenen Raten und Arten die Mischung genauer bestimmen.
Ein besonderes Experiment aber ist OPERA. Er steht in Gran Sasso wird vom 730 km entfernten CERN mit Neutrinos versorgt. Neben “üblichen” Detektorteilen, die Impuls und Energie erzeugter Teilchen bestimmen, sind 150000 Ziegel das Kernstück des Detektors. Die Ziegel sind mit Bleischirmen und eine photographisch aktivierbaren Emulsion gefüllt. Ein Teilchen, das darin erzeugt wird, hinterlässt quasi eine Photoaufnahme. Der Clou: wird ein Ziegel als “getroffen” identifiziert, wird er automatisch extrahiert und zur Analyse geschickt.
Und so ist es den beteiligten Forschern jetzt gelungen, ein ganz besonderes Ereignis auszuspüren: Eine direkte Beobachtung der Umwandlung eines Myon-Neutrinos in ein Tauon-Neutrinos, innerhalb einer Telefonzelle eines Ziegels. Volltreffer!
Man sieht klar, da kommt das Myon-Neutrino (“parent”), macht einen kleinen Knick, und heraus springt – wie man nach eingehender Analyse ermitteln konnte – ein Tau-Neutrino (“daughter”).
Dieses Ergebnis bestätigt auch wieder, und diesmal direkt, dass Neutrinos eine (kleine) Masse haben.
Wie immer gilt: Einmal ist kein Mal, das ganze ist “nur” eine statistisch sehr wahrscheinliche Beobachtung gegenüber Hintergrundereignissen und daher kann OPERA erst dann behaupten, diese Umwandlung wirklich zu beobachten, wenn sie mehrmals gemacht wurde.
Quellen und weiterführende Links
1: Seite des OPERA-Detektor
2: Gran Sasso National Laboratory
3: Wired Science: Elusive Neutrino Change-Up Finally Detected
4: Seminarvortrag zu OPERA und der entdeckten Umwandlung (PDF)
5: Veröffentlichung “Observation of a first \nu_\tau candidate in the OPERA experiment in the CNGS beam” im arXiv
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