Edward Witten ist eines der Genies unserer Zeit. Der Physiker/Mathematiker arbeitet unter anderem an Supersymmetrie und der String-Theorie und hat gezeigt, dass 5 konkurrierende String-Theorien mit zusätzlicher Raumdimension eigentlich die gleiche sind und so die M-Theorie begründet. Er hat zahlreiche Preise erhalten, u.a. die Fields-Medaille und jetzt auch die Isaac-Newton-Medaille. In seiner Preisvorlesung gibt er einen wunderbaren (wenn auch etwas zähen) Überblick über die Geschichte der String-Theorie:
Teil 1
Die Anfänge der String-Theorie liegen in der Veneziano-Formel, einer kuriosen Formel die 1968 zur Beschreibung der Starken Wechselwirkung vorgeschlagen wurde. Kurios deswegen, weil sie recht kompliziert ist. Daraus ergab sich eine Beschreibung des Mesons als String mit Ladungen an den Enden.
Während sich die Quantenchromodynamik zur Beschreibung der Starken Wechselwirkung durchsetzte, gelang der lange Zeit verdrängten String-Theorie ein Durchbruch an einer anderen Ecke: Der Vereinigung von Relativitätstheorie und Quantenphysik. Der klassische Weg einer Quantenfeldtheorie funktioniert nämlich nicht. Die Basisidee von Feldtheorien sind lokale Felder, die man dann auf relativistische Invarianten untersucht. Das gelingt aber mit der Gravitation nicht, da die Felder vom Raum abhängen und der Raum selbst in der Allgemeinen Relativitätstheorie keine Invariante ist. Daher suchte man eine Theorie, die keine lokalen Felder brauchte (lokal heißt in diesem Fall übrigens so ungefähr, dass das Geschehen an einer Stelle in der Raumzeit nicht von anderen Punkten abhängt. Das Feld an einem Punkt trägt die ganze relevante Information und Geschichte).
Was zunächst schlecht aussah, nämlich dass die String-Theorie masselose Spin 2-Teilchen vorhersagte (Gravitonen?), bekam in diesem Kontext eine ganz neue Relevanz! Dass man lange erfolglos versuchte diese masselosen Teilchen loszuwerden stärkte auf der anderen Seite das Vertrauen, dass diese tatsächlich Teil der Theorie sind.
Die Idee des (geschlossenen) Strings und der Verzicht auf Punkte in der Raumzeit führt dazu, dass man auf andere Art als durch Renormalisierung die Unendlichkeiten in den Feldtheorien loswird (was für Gravitation ja eh nicht geht). Außerdem muss man keine Vorgaben für die Teilchen machen, stattdessen trägt der String seine Gesetze mit, die dann die Interaktionen definieren. In der Quantenfeldtheorie muss man die Interaktionen “selbst” definieren.
Die Interaktionen stellten sich dann praktischerweise auch noch als die der Allgemeinen Relativitätstheorie heraus – plus Terme bei kleinen Entfernungen die die Quantenphysik retten.
Außerdem erhält man sehr viel weniger mögliche Theorien, da man ja nicht die Interaktionen definiert. In Quantenfeldtheorien erhält man so sehr viele Möglichkeiten für eine Theorie, da man die Art der Interaktion ändern kann. Es gibt sogar nur 5 mögliche String-Theorien, von denen aber nur eine verstanden sei.
Außerdem wählt die Theorie ihre eigenen Raumzeit-Dimensionen und ihre eigenen Symmetrien. Leider stellte sich raus, dass die Theorie 9 Raumdimensionen und 1 Zeitdimensionen mitbrachte – was aber wiederum praktisch ist wenn man eine Große Vereinheitlichte Theorie aller Kräfte und Teilchen bauen will. Die zusätzlichen Dimensionen geben mehr Raum für die Schwingungen der Strings. Kein Physiker hat sich ausgedacht: Ach nehmen wir doch 10 Dimensionen.
Die String-Theorie brachte auch eine neue Symmetrie mit die man jetzt am LHC vielleicht findet – Supersymmetrie.
Was wir nicht gut verstehen, ist wie die Geometrie der Welt aussieht. Die String-Theorie erfordert eine neue Geometrie, aber wir wissen nicht welche. Irgendwie darf man in dieser Geometrie nicht über Punkte oder Linien sprechen, aber über minimal kleine Flächen. Das war ungefähr die Zeit, Anfang der 80er, als Witten in das Feld trat. Damals gab es sehr wenig Interesse in der String-Theorie. Aber 1984 gab es eine neue String-Theorie und eine neue Methode (u.a. von Michael Green, der im Vortrag Witten vorschlägt), die Witten in das Feld brachten.
String-Theorie brachte einen neuen Parameter mit, der im folgenden Jahrzehnt untersucht wurde. Er gibt an, wie nahe man sich einen Punkt höchstens ansehen darf, bevor die Geometrie das verbietet. Daraus ergeben sich z.B. Konsequenzen hinsichtlich des Durchschreitens einer Singularität (Schwarze Löcher, Urknall? – was ja auch Bojowald als großen Gewinn der Schleifenquantengravitation verkauft).
Einige britische Physiker trieben die Idee weiter – warum beim String stoppen? Warum nicht (Mem)branen? Schließlich stellte sich heraus, dass (verbesserte Formen von) Branen Teil der String-Theorie sind.
Fortschritte brachte die String-Theorie auch zum Verständnis einer möglichen Symmetrie zwischen Magnetismus und Elektrik. Dualitäten stellen sich immer mehr als wichtiges Fakt der Physik heraus, und begannen hier. Sie haben auch Bedeutung in der Supergravitation, einem klassischen Limit der Gravitationstheorie mit Supersymmetrie.
Schließlich führten die gemeinsamen Untersuchung der Parameter der String-Theorie (die eine neue Interpretation der Quantenmechanik fordern) zur M-Theorie. Es stellte sich heraus, dass welcher Parameter welcher ist (ob man jetzt das Limit der Raumzeit oder des Phasenraums anguckt) nicht klar ist, sondern dass die fünf String-Theorien nur Limits der M-Theorie sind. (Wow, was Raum, was Zeit, was Impuls sind ist Ansichtssache?). Wie die M-Theorie aussieht weiß man (noch) nicht.
Witten denkt dass String-Theorie auf dem richtigen Weg ist und ein tieferes Wissen bietet. Nicht nur, weil es einen guten Weg für Quantengravitation und deren Vereinigung mit den anderen Kräften bietet, sondern auch weil es viele andere Probleme verständlicher macht, z.B. das Problem der Entropie Schwarzer Löcher. Und – was ich ja persönlich am überzeugendsten finde – ist die Idee der Dualitäten. Dass Fragen in einer Theorie in einer Dualen Theorie beantwortbar sein können. Es ist z.B. dadurch gelungen, Quark-Gluon-Plasma-Daten in einer dualen Theorie Schwarzer Löcher besser zu modellieren.
Schließlich noch: Was mag die Zukunft bieten? Eine große Hoffnung ist, dass wenn es nur eine Theorie gibt, diese auch die eine ist die unser Universum beschreibt. Leider macht die String-Theorie das bislang nicht, im Gegenteil bietet sie viele mögliche Antworten auf die Frage nach den bestimmenden Zahlen. Und es kamen immer mehr Möglichkeiten hinzu.
Manche String-Theoretiker schlagen vor, dass die Dunkle Energie und die Quantenfluktuationen, die man im Mikrowellenhintergrund sieht ein Hinweis sein könnten, dass das Universum tatsächlich diese Möglichkeiten hatte, und sich in seiner frühen Entwicklung für eine entschieden hat.
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