Hier sind die meisten Sachen die ich über Fußball weiß: Spanien ist Weltmeister. Ansonsten ist zur nullten Ordnung Brasilien Weltmeister. Bayern München ist sogar zur bis zur ersten Ordnung Deutscher Meister. Ach, und dann gibt es noch dieses Video eines berühmten Treffers, von Roberto Carlos 1997:
Der Ball scheint erst weeeit rechts am Tor vorbeizugehen – aber dann im letzten Moment bekommt er im wahrsten Sinne des Wortes die Kurve und trifft knapp das Tor. Hat Carlos die Gesetze der Physik aufgehoben?
In Wahrheit kenne ich den Effekt der hierfür verantwortlich ist, den Magnus-Effekt. Aber wie die genaue Flugbahn hier zustande kommt scheint bis vor kurzem nicht im Detail untersucht worden zu sein, jedenfalls ist jetzt ein Paper im New Journal of Physics von Guillaume Dupeux, Anne Le Goff, David Quéré und Christophe Clanet erschienen, das sich genau mit schnell drehenden Kugeln befasst. Und ja, tatsächlich, in einer Sektion befassen sie sich mit den Implikationen für Sport und verlinken das YouTube-Video.
Die Hauptaufgabe des Papers aber ist zu untersuchen, wie die überraschenden Kurven in der Flugbahn schnell drehender Kugeln in Flüssigkeiten geringer Dichte zustande kommen. So wie in Luft, aber für ihre Experimente schießen sie Millimeter große Kugeln in Wasser. Carlos hatte wohl keine Zeit oder die Nulpe konnte nicht reproduzierbar genug schießen. Nein, das System mit Wasser und kleinen Kugeln ist einfach besser kontrollierbar. Die Polypropylen-Kugeln wurden mit einer Schleuder abgeschossen. Durch unterschiedliches Spannen der Bänder an der Schleuder konnte der Kugel eine Drehung mitgegeben werden.
Nachdem der Ball ins Wasser eintritt, sieht man oben im Bild dass er sich auf eine Spiralbahn begibt. Die Drehung ist gegen den Uhrzeigersinn mit etwa 1200 Umdrehungen pro Sekunde. Was aber wird anders durch die Drehung, dass zur Änderung der Flugbahn führt?
Schauen wir doch, was eine drehende Kugel dem sie umgebenden Medium antut:
Aufgrund von Reibung beeinflusst die Kugel die Luft oder das Wasser, das sie umgibt. Die drehende Fläche wird quasi einige Luftmolekül mitnehmen und eine Grenzschicht umgibt die Kugel. Die mitdrehende Grenzschicht interagiert wiederum mit anderen Luftmolekülen, sodass Drehbewegungen in der Luft ausgelöst werden. Aber die Kugel, oder der Fußball, haben ja noch eine weitere Bewegung, den eigentlichen Flug in eine Richtung. Im Bild deuten die roten Pfeile die Luft an, die von rechts anströmt. So sieht es aus der Perspektive des Balles aus, der von links nach rechts durch das Bild fliegen würde, würden wir ihn uns von außen ansehen.
Unten an der Kugel addieren sich nun zwei Bewegungen – die Rotation und die Flugbewegung zu einer größeren Summe. Wir kennen ein Gesetz, das auch Flugzeuge zum Fliegen bringt – das Bernoulli-Prinzip. Eine höhere Geschwindigkeit bedeutet einen niedrigeren Druck. Beim Flugzeug erzeugt die Krümmung des Flügels eine höhere Strömungsgeschwindigkeit, weil die Luft dort einen längeren Weg zurücklegt. Das Bernoulli-Prinzip verordnet jetzt dort einen niedrigeren Druck. Bei der drehenden grünen Kugel im Bild oben ist die Seite mit der höheren Geschwindigkeit der Luft unten, also ist dort der Druck niedriger.
Außerdem verringert sich oben an der Kugel die Geschwindigkeit, das hier die Rotation gegenläufig ist. Hier herrscht also höherer Druck. Der höhere Druck unter dem Flugzeugflügel im Vergleich zu oben bringt den Jumbo zum Fliegen*. Der höhere Druck über die Kugel lenkt die Flugbahn der Kugel ab.
Roberto Carlos hat dem Ball eine Drehbewegung gegeben, die den Ball (von oben geguckt) im Gegenzeigersinn drehen ließ. Dadurch wurde er auf eine Spirale nach links gelenkt. Das ist aber noch nicht die ganze Geschichte.
We are experiencing some turbulence
Im Flugzeug schaffen die Piloten es seltsam oft, die Anschnallzeichen zielsicher dann anzumachen, wenn die Turbulenz gerade vorbei ist. Im Gegensatz zum Fußball aber beginnt das Flugzeug nicht abzuschmieren, sobald die Turbulenzen vorbei sind.
Das war ein Hauptergebnis der Studie: Die unterschiedlichen Regime der Luftströmung um den Ball beeinflussen den Luftwiderstand und damit auch das Auftreten des Magnus-Effekt – bei höherem Widerstand kann der Effekt deutlich stärker zutage treten, weil er ja davon abhängt wie der Ball die Luft um ihn herum mitnehmen kann.
Aufgrund der hohen Geschwindigkeit des Balles umströmt die Luft den Ball turbulent. Im Turbulenzbereich aber sind die Interaktionen des Balles die zum Magnus-Effekt führten kleiner und der Ball fliegt zunächst mehr oder weniger geradeaus. Wenn aber dann die Geschwindigkeit abnimmt, geht die Luftströmung in gleichmäßigeren, laminaren Fluss über und der Magnus-Effekt bringt den Ball auf eine Spiralbahn und der Ball geht gerade noch ins Tor. TOR! TOOOOR!
* Das mit dem Flugzeug ist tatsächlich anders, und ich gebe zu dass ich das nicht wusste. Hier (PDF) findet sich z.B. eine richtige Erklärung und die Begründung, warum es nicht der Bernoulli-Effekt sein kann. Der Magnus-Effekt ist übrigens auch noch etwas komplizierter, aber ich hoffe, dass die Erklärung noch grundlegend stimmt.
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