Physik-Paper sind normalerweise bierernst, und so fällt bei einem Thema besonders auf, dass niedliche kleine Clipart-Dämon in den Illustrationen auftauchen. Dann kann man schon raten: Es geht um Maxwells Dämon. Dass dieser Dämon aber nicht nur ein Gedankenspiel ist, sondern dass man tatsächlich Energie aus Information gewinnen kann, das ist jetzt auch erstmals experimentell nachgemessen worden (siehe Zitat im Fuß oder frei bei arXiv).
Alles Wesentliche zu den Ideen, wie man durch Information (also Wissen um die Zustände eines Systems) Energie gewinnen kann, und warum das die ehernen Hauptsätze der Thermodynamik nicht verletzt, hat Martin in einem ausführlichen Beitrag erläutert. Heute wollen wir einen Blick auf das neue Paper werfen, in dem dieser Effekt also tatsächlich gemessen wurde.
Die Grafik der Forscher Shoichi Toyabe und seinen Ko-Autoren aus Tokio zeigt die Idee des Experimentes. Wir setzen ein Partikel auf eine Wendeltreppe. Die Stufen sind genauso so hoch, wie die durchschnittliche Energiemenge ist die ein Teilchen bei Raumtemperatur gewinnen oder verlieren kann, nur dadurch dass es regelmäßig von Luftmolekülen angerempelt wird. Das nennt man die Brownsche Bewegung. Die Temperatur der Luft äußert sich in der Bewegung der Luftmoleküle, und so wärmer es ist desto schneller sind diese unterwegs. Jedes Partikel, das eigentlich unbewegt herumliegt, wird ständig zufällig durch Luftmoleküle getroffen, und mal hierhin, mal dorthin bewegt, aber im Mittel bleibt es an seinem Ort. In diesem Experiment ist die Bewegungsfreiheit etwas eingeschränkt, daher kann es nur aufwärts oder abwärts hüpfen (wie das konkret geht sehen wir gleich).
Der kleine Dämon beobachtet die ganze Geschichte jetzt aber. Ohne sein Eingreifen würde das Partikel mal hoch-, mal hinunterhüpfen, aber im Mittel auf der gleichen Stufe bleiben. Jetzt aber greift der Dämon ein: Wenn er beobachtet dass das Teilchen hinaufgehüpft ist, legt er schnell einen Block auf die Stufe darunter ab, sodass es nicht mehr zurückkommt. Und immer wieder, wenn die Brownsche Bewegung dem Teilchen wieder zufällig einen Stoß gibt, sodass es nach oben springt, versetzt er schnell den Block. Wir können davon ausgehen, dass das Absetzen des Blocks sehr wenig Arbeit bereitet – da aber die Wendeltreppe eine Energieleiter darstellen soll, heißt dass, das unser Partikel Energie gewinnt. Da ihr ja alle aufmerksam den Artikel von Martin studiert habt, muss ich jetzt keinen Spannungsbogen erzeugen: Die Energie kann gewonnen werden, weil der Dämon die ganze Sache beobachten muss und die Information, dass das Partikel hinaufgehüpft ist in Energiegewinn für das Teilchen umwandelt. In diesem Experiment ist es tatsächlich, wie Leo Szilard es 1929 zuerst vorgeschlagen hat: Die Messung selbst braucht auch Energie, sodass der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik nicht verletzt wird. Aber dass das auch ohne diese Idee funktioniert, haben ja Landauer und Bennett von IBM Research in den 60ern und 80ern gezeigt.
Messaufbau
Wie ist das also jetzt konkret gemessen worden? Das Partikel war ein sehr kleines Dimer, also ein Molekül mit zwei Untereinheiten. Dieses wurde mit einem Hilfsmolekül als Drehachse fixiert, es konnt sich also nur um die Achse drehen. So äußert sich dann auch die Brownsche Bewegung: Das angerempelte Dimer kann in eine Rotation versetzt werden. Jetzt wird es dabei aber von einem drehenden elektrischen Feld begleitet. Zusätzlich gibt es ein Beobachtungssystem mit Kamera und Bildverarbeitung, dass sich immer die Position des Teilchens ansieht. Sieht diese, dass das Partikel gerade einen passenden Stoß erhalten hat, schaltet es schnell das elektrische Feld um (sodass es um 90° gedreht ist). Das Partikel wird dann in seiner schnelleren Drehbewegung gefangen. Es wird nicht durch das elektrische Feld beschleunigt, aber quasi in einem Tal eingesperrt, sodass es nicht mehr langsamer rotieren kann, ohne sehr stark angerempelt zu werden. Im Mittel wird es also immer schneller rotieren, quasi höher auf der Energieleiter hüpfen. Das Umschalten des elektrischen Feldes, um das Partikel einzusperren entspricht dann dem Handeln des Dämons, der den Block umsetzt. Wenn man dies dann ausrechnet, stellt man tatsächlich fest, dass man einen Energiegewinn hat, dass also die Arbeit die am Partikel verrichtet wird (weil das elektrische Feld nicht perfekt um das Partikel passt, wird es eine kleine Arbeit daran verrichten und es ein bisschen rumschubsen) kleiner ist als der Energiegewinn.
Kontrolle muss sein! Daher haben die Forscher auch die Zeit bis von der Messung bis zum Umschalten des elektrischen Feldes etwas erhöht, sodass das Partikel eingesperrt wird, wenn es zu langsamer Rotation motiviert wurde (oder gar zur Drehung in die andere Richtung). Auch das funktioniert – als ob der kleine Dämon den Block immer oberhalb des Teilchens absetzt wenn es gerade die Wendeltreppe hinuntergepüft ist. Und es gibt einen mittleren Bereich der Umschaltzeit, in dem das Dimer etwa konstant in seiner Rotation bleibt.
Und, wozu ist das gut?
Der Zweite Hauptsatz ist nicht verletzt, da das ganze Beobachtungssystem mit Bildverarbeitung und Computer doch deutlich mehr Energie verbraucht, als dem drehenden Partikel zugeführt wird. Nichtsdestotrotz kann das zu etwas gut sein: Die Information aus der Messung der Drehbewegung dient quasi als Energieträger – so könnte man einer nanokleinen Maschine eventuell Energie zuführen, ohne dass sie eine direkte Energieleitung hat. Dazu wollen die Forscher als nächstes ein mikroskopisches Maschinchen bauen, dass die Energie des Partikels abführt oder verbraucht (Da jetzt unweigerlich wieder jemand sich echauffieren wird: In andere Energieformen oder Wärme umwandelt). Letztlich müsste es dann aber auch noch gelingen, den Dämon (jetzt das Computersystem) nanoklein zu machen, um damit Nanomaschinen mit Energie zu versorgen.
Toyabe, S., Sagawa, T., Ueda, M., Muneyuki, E., & Sano, M. (2010). Experimental demonstration of information-to-energy conversion and validation of the generalized Jarzynski equality Nature Physics DOI: 10.1038/nphys1821
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