Weniger Mädchen um Atomzwischenlager Gorleben! Ein signifikanter Unterschied, und er glaube nicht an einen Zufall, sagte Ralf Kusmierz dem NDR. Ist da irgendetwas dran?

Stutzig machen muss ja schon, dass weder die Zahlen genannt noch die Studie verlinkt ist. Dass eine Suche nach den Autoren Hagen Scherb und Kristina Voigt vor allem Anti-Atom-Agitationsseiten zu Tage fördert die gierig die offenbar regelmäßig herausgegebenen Meldungen dieser Art wiedergeben. Unkritisch, versteht sich. Ein Blick in das NDR-Forum lässt dann schnell die Zweifel wachsen: Da finden sich gleich Leute, die anscheinend die Studie gefunden haben und festgestellt dass die angebliche signifikante Änderung 120:111 männliche gg weibliche Neugeborene betrifft. Eine lächerliche Statistik (die rate ist übrigens sowieso nicht 1:1, sondern eher 51:49). Ich würde mir das trotzdem gerne mal direkt ansehen, aber leider funktionieren die Server des Helmholtz-Zentrums München* nicht, jedenfalls kann ich seit Tagen die PDFs nicht erreichen.
Ich würde das aber gerne selbst sehen. Wenn jemand in einem Interview etwas behauptet, dann ist das bedeutungslos. Ich muss ihm nicht glauben. Wenn es aber so eine steile These ist, dann möchte ich es selbst überprüfen, und das steht in der echten wissenschaftlichen Publikation. Ich möchte auch nicht, dass mir jemand meine Forschungsresultate glaubt, weil ich sage was ich herausgefunden habe. Ich will, dass er meine Methoden, Daten und Ergebnisse ansieht und sich davon überzeugen lässt. Nur so kann Wissenschaft funktionieren.
ResearchBlogging.orgAlso begebe ich mich auf die der Suche nach echter Literatur (also veröffentlichten, peer-reviewten Papern), und finde ein Paper von 2007 von Hagen Scherb und Kristina Voigt, das in europäischen Geburtenraten nachschaut, ob das Tschernobyl-Unglück eine Verschiebung der Geburtenraten in Deutschland und Europa verursacht hat.

Die Hypothese

Die Basis jeder wissenschaftlichen Arbeit bildet eine gute Arbeitshypothese. In diesem Fall befassen wir uns mit dem Gedanken, dass Umwelteinflüsse Auswirkungen auf genetisch vererbte Merkmale haben können, speziell radioaktive Strahlung. Grundsätzlich kann Strahlung Verschiebungen in den Geschlechtern auslösen, wenn Mutationen auf dem X-Chromosom tödliche Gene erzeugen. Eine rezessive mutiertes Gen in Müttern würde z.B. nur männlichen Nachwuchs schaden, da die Töchter durch ein zusätzliches X geschützt werden. Der Zusammenhang ist aber keineswegs einfach, da er davon abhängt ob Mütter oder Väter stärker der Strahlung ausgesetzt sind. Die Richtung der möglichen Verschiebung in den Geschlechtern lässt sich also nicht ohne weiteres vorhersagen.
Die Hypothese, auf der die Arbeit von Scherb&Voigt basiert, ist aber spezieller. In früheren Arbeiten wurde aus Beobachtungen die Verschiebung zu mehr männlichen Geburten in der europäischen Nachbarschaft von Tschernobyl postuliert. Die Studie möchte nun Länder in ganz Europa in den Geburtenraten nach einem solchen Trend suchen.
Die Arbeitshypothese würde ich also als ausreichend motiviert bezeichnen; gerade solch ein großes Unglück bietet dann die Chance, eine ungewünschte große Statistik aufstellen zu können.

Sprunghafte Linien

Das Unglück von Tschernobyl geschah im April 1986, es müsste eine solche Verschiebung in der Geschlechterverteilung bei den Geburten also für 86/87 zu finden sein. Daher haben sich Scherb und Voigt die Geburtenraten aus europäischen Ländern (Tschechei, Dänemark, Finnland, Deutschland, Ungarn, Norwegen, Polen und Schweden, also ost- zentral- und nordeuropäische Länder) von 1982 bis 1992 angesehen, und als Größen für die Analyse den Anteil an männlichen Geborenen (liegt um 0.51) und die gemessene radioaktive Strahlenbelastung aus Cs-137-Messungen.
In den nach Ländern aufgetrennten Zeitserien der Geburtenrate wurde zunächst ein Trend gesucht:

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Reproduziert nach Scherb&Voigt 2007

Wie man sieht, wurde zunächst ein linearer Trend an die Daten gefittet (vergessen wir erstmal den Sprung). Dieser zeigt eine leicht abnehmende Tendenz, also eine langfristige Verschiebung zu mehr Mädchengeburten. Ob dieser Trend jedoch “echt” ist, ist schwierig zu sagen. Solch einen Trend an lediglich 10 Jahre zu fitten ist nicht sonderlich aussagekräftig, und erinnert ein wenig an die Bemühungen der Klimawandelleugner, einen Nicht-Erwärmungs-Trend seit 1998 auszumachen. Die Fähigkeit, einen solch kleinen Trend zu messen hängt am Verhältnis Signal zu Rauschen. Und wenn man sich das Rauschen ansieht, also die Sprünge die die Kurve macht, dann würde ich einfach mal sagen dass hier das Rauschen den Trend völlig überdeckt. Ich verstehe hier nicht die Wal der Jahre 1982-1992. Ich würde vermuten, dass es kein großer Zusatzaufwand wäre, eine längere Zeitreihe zu erhalten wenn man schon diese Daten bekommt, und den linearen Trend mal an 20-30 Jahre zu fitten.
Leider ist es online nicht ohne weiteres möglich, an diese Zeitreihen zu kommen, vor allem aufgeteilt nach Geschlecht, sonst hätte ich das schnell versucht. Mal sehen, vielleicht besorge ich mir die Reihen noch, oder hat jemand die zufällig? Wäre mal interessant zu sehen, was noch von diesem Trend übrig bleibt.

Aber wie auch immer, zentral ist eine andere Sache hier: Dass die gefittete Kurve noch einen Sprung zwischen 1996 und 1987 enthält. Leider ist der Methodenteil sehr dünn und ich weiß nicht genau wie der Sprung berechnet wird, womöglich proportional zur Strahlenbelastung. Verwunderlich ist aber schon, wie man noch einen zusätzlichen Sprung in 1986/7 festsetzt, wenn ein solcher doch eigentlich das ist was man suchen möchte. Entschuldigt mich einen Moment.

Schritte nach draußen. Türe schließt.OH MEIN GOTT WAS MACHEN DIE DENN DA???Türöffnen. Schritte.

So da bin ich wieder. Wenn man sich die Kurven so anschaut, findet man schon einen Sprung in 1987, vor allem in den osteuropäischen Ländern und Deutschland. Allerdings finden sich ohne weiteres Sprünge, die ebenso groß sind, nach oben oder nach unten. Dass also in 1987 etwas Besonderes passiert sei, lässt sich aus dem Kurvenverlauf nicht vermuten. Diese zusätzliche Information jetzt dort hineinzustecken ist fragwürdig.
Hier wäre mein Vorschlag: Man fittet eine Kurve, die in einem Jahr einen Sprung machen darf, nach oben oder unten. Dann fittet man blind: Man gibt nicht das Jahr des Sprungs vor, sondern lässt das mögliche Sprungjahr über den gesamten Zeitraum variieren und schaut, wo ein solcher Fit ein besonders gutes Ergebnis gibt. Würde dabei rauskommen, dass mit einem Sprung in 1987 tatsächlich bessere Fits herauskommen würden als mit einem nur linearen Trend, wäre dies wohl eine Aussage mit ein wenig Kraft. Allerdings ist ja hier der lineare Trend schon fragwürdig, aber das zusätzliche Modell würde noch einen Freiheitsgrad, einen weiteren freien Parameter, einführen und dies müsste in der Bewertung, ob linearer Trend oder Sprungmodell besser passen, berücksichtigt werden. Hier könnte z.B. eine Maßzahl wie das Bayesian Information Criterion (BIC) helfen, die Modelle mit mehr Parametern zusätzlich bestrafen. Die Art, wie hier diese Kurve unkritisch einfach so gefittet werde, finde ich sehr gedankenlos.
Im Folgenden werden diese Kurven noch für alle europäischen Länder insgesamt gezeigt (mit 22 Millionen Geburten immerhin eine gute Statistik), und nur für die ostdeutschen Gebiete und Bayern:

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Reproduziert nach Scherb&Voigt 2007

Ha, da ist der Sprung doch gleich viel deutlicher und sticht gerade für Europa klar heraus! Aber Vorsicht, die y-Achse ist anders skaliert. Statt von 0.508 bis 0.518 geht sie nur noch von 0.512 bis 0.516. Ich erkenne keinen Grund, die Skalierung hier zu verändern, außer dass der Sprung so visuell beeindruckender erscheint. Aber warum ist z.B. Polen in den ersten Plots nicht auch so skaliert? Oder Deutschland? Die Ländergraphen haben eine interne konsistente Skalierung der y-Achse, und ich finde es wäre Aufgabe der Reviewer und des Editors gewesen, zu verlangen, diese in der zweiten Grafik fortzuführen. Oder wenigstens in Bildunterschrift oder Text darauf hinzuweisen, denn so übersieht man es beim schnellen Anschauen des Papers zu leicht.
Hier stellt sich weiterhin die Frage, wie die Autoren es rechtfertigen, des Trend in 1987 einzeln zu analysieren. Was ist in Deutschland 1984 passiert, gab es dort Antistrahlung?
Das ist natürlich polemisch, aber mein Punkt ist, dass ein einzelner Sprung in einer offensichtlich verrauschten Zeitserie nicht interpretierbar ist, und dass es ehrlich ist das auch nicht zu tun wenn man eine Vermutung hat, welches Einzelereignis das verursacht haben könnte. Anders herum müsste es sein: Wenn die Strahlenbelastung eine deutliche Verschiebung erzeugt hätte, müsste das Signal über dem natürlichen Untergrund deutlich auszumachen sein. Wenn hingegen das Signal nur schwach sei, dann müssen die anderen möglichen Ursachen für Sprünge ebenfalls einbezogen werden und die vorliegende Methode ist zu einfach. Aus den gezeigten Kurven ist keine Entscheidung möglich, ob oder ob kein Sprung in 1987 vorliegt.

Korrelation und Kausation

Im folgenden behandeln Scherb&Voigt dann den Hauptpunkt ihrer Arbeit, die Untersuchung ob die Strahlenbelastung den Sprung verursacht hat. Dazu gehen sie dann jetzt tatsächlich einmal so vor, dass sie ein Modell bauen dass für eine bestimmte Zeitperiode eine zusätzliche Strahlendosis berücksichtigt und mit einem Faktor in die Regression der Geburtenrate einbaut. Ich kann leider nicht beurteilen, ob dies aus Sicht ökologischer Modelle Sinn macht, mir kommt es irgendwie seltsam vor dass nur für einen begrenzten Zeitraum eine Strahlendosis angenommen wird. Warum kann man nicht gleich die Zeitserie von Geburten und Strahlenbelastung korrelieren? Nun gut, es ist wohl, um das Signal in der Zeitserie wiederzufinden, aber wenigstens ich finde diesen Ansatz fragwürdig.
Auch die Strahlenbelastungsdaten (die in obigen Plots über den Graphen stehen) würde ich interfragen. Es wird wohl mit der mittleren Belastung gearbeitet, aber wenn z.B. Deutschland mit 2-16 kBq/m² den gesamten Rahmen der anderen Länder abdeckt, wie gut ist dieses Maß dann, gerade im Vergleich zu Ländern für die s nur einen Wert gibt?
Wie dem auch sei, Modelle die für ein Jahr eine zusätzliche Dosis annehmen, zeigen tatsächlich eine fast signifikante Korrelation zu den Schwankungen in der Geburtenrate 1986 und 1987. Für 1991 ergibt sich erstaunlicherweise eine stärke Abweichung in der Geburtenrate, die aber einen höheren p-Wert hat (vermutlich weil hier einfach wenig zusätzliche Strahlenbelastung vorlag). Signifikant wird die Korrelation, wenn man 1986 und 1987 als Periode zusätzlicher Belastung erlaubt. Weiterhin frage ich mich aber, welche Aussagekraft ein p-Wert hat, wenn das Modell quasi so gebaut ist dass nur in Fenstern in denen es zusätzliche Strahlung gibt eine Korrelation existieren kann.
Es folgt noch ein genialer Plot, der die Korrelation zwischen Strahlenbelastung und Geburtenrate auf kleinere Ebene (Distrikte) angibt. Die Größe der Bälle entspricht der Bevölkerungszahl – wobei nicht klar ist ob der Fit der Kurve damit gewichtet wurde:

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Die Steigung scheint stark durch die wenigen Punkte hinten beeinflusst zu sein. An die Punktwolke vorne könnte man vermutlich auch die Börsenkurse von letzter Woche fitten. Das führt dann auch zu Sätzen wie “This non-adjusted, purely spatial analysis yields an even somewhat stronger association of male proportions and fallout”. Even somewhat stronger…und das als ein eh schon fragwürdiger Trend.
Ferner muss man natürlich auch nochmal festhalten: Selbst eine gute Korrelation würde noch nicht bedeuten, dass die Strahlung denn auch die Ursache wäre. Nur eine größere Zahl unabhängiger Studien mit der gleichen Korrelation würde das Vertrauen darin stärken können.

Diskussion

Die Diskussion im Paper beschränkt sich dann auch auf die Feststellung, dass die Messdaten mit einem generell abnehmenden Trend mit Sprung in 1987 konsistent sei. No shit Sherlock, bei dem Rauschen soll man auch mal finden dass das nicht sein kann. Ich will ja nicht sagen, dass es keinen Sprung in 1987 gab oder die Hypothese widerlegt sei, es ist einfach so dass die Studie nicht stark genug ist, irgendetwas für oder gegen die Hypothese zu sagen. Und da sagen uns Occams Rasiermesser und Diax’s Rake, dass wir dort kein Signal annehmen sollten.
Erstaunlich ist, dass der Großteil der Diskussion dann wieder Studien aufführt, die eine Veränderung der Geschlechterverteilung durch Strahlung plausibel machen. Das gehörte eigentlich in die Einleitung, und nicht in die Diskussion der Ergebnisse. Ich muss mal böse anmerken, dass Scherb und Voigt hier einfach nicht mehr zu sagen hatten und Füllmaterial brauchten.Gar nicht einverstanden bin ich mit den Schlussworten:

In conclusion, time trend analyses and spatio-temporal analyses of German and European birth statistics revealed certain disturbances of the sex odds after the Chernobyl accident.

Nein, absolut nicht, es konnte keine Störung der Zeitserie nachgewiesen werden. Sie kann nicht ausgeschlossen werden, aber das ist es auch schon. Siehe oben.

These results add evidence to related more recent findings in the field of radiation epidmiology […referenzenliste…] and cast doubt on the official assessment of the so called “low level” ionizing radiation by pertinent national and international instituions.

Schade, bis jetzt war es nur ein eher aussageschwaches Paper, aber die kräftige Behauptung, ja fast Verschwörungstheorie, dass offizielle Angaben zur schwachen Strahlenbelastung in Zweifel zu ziehen seien wertet dieses Paper doch sehr stark ab.

Zurück nach Gorleben

Und leider scheint das sich durch die weitere Arbeit von Scherb&Voigt zu ziehen. Wenn wir auf die NDR-Studie zurückkommen behaupten die Autoren dort – im Interview wohlgemerkt, ein Paper dazu gibt es ja nicht, höchstens einen internen Bericht oder ein Abstract das ich nicht bekommen – dass ein Geschlechterverhältnis von 120:111 im Umkreis von Gorleben kein Zufall sein könne. bemerkenswert ist, dass sie im besprochenen Paper früheren Studien mit einer Statistik von “nur” 100000en noch bestätigen, nur geringe Aussagekraft bezüglich einer Verschiebung von 1.06 auf 1.08 zu haben. Über die Gültigkeit der p-Werte wurde im NDR-Forum diskutiert, das ist auch nicht meine Stärke – ich denke dass man sieht dass diese Aussagen hier noch weit jenseits der Ergebnisse der obigen Studie sind. Kein Wunder, dass die “Veröffentlichung” eher über NDR und andere Medien geschieht, anscheinend auch systematisch. Ich möchte nicht die wissenschaftliche Integrität der Autoren angreifen, aber ich würde mir doch bei solch komplexeren Fragestellungen wünschen, dass die Autoren sich den selbstregulierenden Kräften der Wissenschaft stellen, bevor sie solch starke Aussagen treffen.
Und das wichtigste habe ich ja noch gar nicht erwähnt – mit Tschernobyl steht ja unzweifelhaft tatsächlich ein Antrieb für mögliche Verschiebungen da – eine eindeutige zusätzliche Strahlenbelastung. Um Gorleben und Asse jedoch wird keine erhöhte Belastung gemessen. Zwar ist schwache zusätzliche Belastung durchaus nicht einfach festzustellen; aber dadurch bricht auch, abgesehen von der miserablen Statistik, auch die Arbeitshypothese weg. Ich hoffe ja mir die tatsächliche Studie noch ansehen zu könne, aber an dieser Stelle ärgere ich mich wirklich. Nicht nur über die Autoren, die hier durch ihre Studien nicht gestützte Aussagen treffen, sondern vor allem auch über die Atomkraftgegner die blind alles bejubeln dass ihr einfältiges Weltbild bestätigt und vor allem über eigentlich seriöse Medien wie den NDR, der das völlig unkritisch wiedergibt. Und wo ich schon beim Ärgern bin, muss ich doch mal deutlich befinden: Die Anti-Atomkraftbewegung ist die Brutstätte der zunehmenden Palinisierung (Sarah, nicht Michael) der deutschen Gesellschaft, die in der Bagatellisierung des Guttenberg-Betrugs einen neuen Höhepunkt gefunden hat.

*Disclaimer: Als Mitarbeiter des Forschungszentrums Jülich werde ich auch durch die Helmholtz-Gemeinschaft bezahlt, zu der auch das Helmholtz-Zentrum München gehört.


SCHERB, H., & VOIGT, K. (2007). Trends in the human sex odds at birth in Europe and the Chernobyl Nuclear Power Plant accident Reproductive Toxicology, 23 (4), 593-599 DOI: 10.1016/j.reprotox.2007.03.008



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Kommentare (106)

  1. #1 Dierk
    03/02/2011

    @Ralf Kusmierz

    Erstens muss ein Kritiker eine kritisierte Sache durchaus nicht besser machen, denn dann wäre Marcel Reich-Ranicki unser bester Romancier und Friedrich Luft bekannt für seine Theaterstücke.

    Zum anderen, um die Frage mal provokant zu stellen: Wo sehen sie eine außergewöhnliche Abweichung von zu erwartenden Werten? Und wieso sehen sie diese als außergewöhnlich an? Bonusfrage: Welche Erklärung haben Sie denn für die Werte?

    @flo
    Das hat was damit zu tun, dass Geburten Teil der Generationenfolge sind. Innerhalb einer Generation gibt es natürlich auch Unterschiede, deren Schwankungen unterliegen aber sehr vielen Faktoren, z.B. den vorhandenen Ressourcen, in gewissem Sinn der Mode, einem evtl. vorhandenen Geschlechterunverhältnis, aber auch dem Umfeld. Vergleiche ich eine überalterte Region mit einer, die vor allem junge Menschen anzieht, erhalte ich praktisch unvergleichbares, das ich so lange durch die Mangel statistischer Werkzeuge drehen muss, dass am Ende jede Verbindung zur Realität verloren geht.

    Wenn dich das genauer interessiert, mit mathematischen Modellen, empfehle ich, mal einen Blick in John Maynard Smith, The Evolution of Sex zu werfen.

  2. #2 Biologe
    03/02/2011

    Ja, in der tat nicht so einfach, vor allen da jedes Kohlekraftwerke pro jahr ebenfalls um die 2GBq Emmisionen verursachen und nicht wie sie schreiben nur 100MBq. Schlimmer noch ist dass die radioaktiven Nuklide aus Kohlekraftwerken (haupsächlich mich sehr langen Halbwertszeiten) an Feinstaub/Asche gebunden ist bei KKWs die Emmisionen hauptsächlich Gase sind (Tritium/Krypton mit relativ kurzen HWZ) die sich schnell über den Kamin verflüchtigen.
    Wie man hier nachlesen kann https://www.bfs.de/de/bfs/druck/jahresberichte/jb2002_was14.pdf ist ihre Angabe dass ~10TBq PRO AKW falsch ist.
    Bisher ist so viel falsch in ihrer Argumentation…..

  3. #3 Biologe
    03/02/2011

    P.s. genialer PR-Coup, kompliment. Neben dem NDR berichtet auch schon Heise, indymedia, Wikio, ippnw, N-TV,und detzende andere Internet/TV-und Printmedien über diese “Wissenschaftliche Studie”. Zumindest darin sind sie also gut.

  4. #4 Biologe
    03/02/2011

    P.p.s
    In ihrer Arbeit sagen sie
    “possibly similar to the increased childhood cancers near NPP (KiKK study)”
    Dabei wissen sie genau dass allein für Leukämien ein signifikannter Zusammenhang gefunden wurden. Sie schreiben höchst tendenziös.

  5. #5 Lipper
    03/02/2011

    Das mit dem TBq ist gemäß der BfS-Broschüre nicht absolut falsch. Dort heisst es:
    „Die Aktivitätsableitungen mit der Fortluft über den Kamin variieren je nach Anlage und Betriebszustand. Hauptbestandteile sind dabei radioaktive Edelgase mit Jahresableitungen im Bereich von 15.000 bis 98.000 Gigabecquerel pro Jahr (GBq/a) aller Atomkraftwerke in den letzten 10 Jahren.“
    Bei angenommenen 19 Anlagen in Deutschland (rechnen wir jetzt pro Standort oder pro Reaktor?) liegen die von Herr Kusmierz genannten einigen zehn TBq pro Kraftwerk allerdings eher eine Größenordnung zu hoch. Der eigentliche Punkt ist ja, dass das so erst mal nichts aussagt. Spannen sind die daraus folgenden Expositionen. Und die scheinen gemäß SSK absolut vergleichbar zu sein. Warum man da jetzt speziell KKWs rausgreift, erschließt sich mit irgendwie nicht.
    @ Kusmierz
    Gibt es dafür eine Begründung? Die Daten sind ja da! Wieso wurden ausschließlich KKWs untersucht. Wenn man den Einfluss von anderen Schadstoffen untersucht, sagt man ja auch nicht: „Mich interessiert aber nur das Blei aus der Industrie und nicht aus dem Verkehr.“
    Was war da der Grund für die Auswahl der untersuchten Standorte?

  6. #6 Jörg
    03/02/2011

    Jetzt auch im Strahlentelex (plus Elektrosmogreport!)
    https://www.strahlentelex.homepage.t-online.de/Stx_10_574_S03-05.pdf

    sehen die Graphen wieder anders aus, sind ja nur für Bayern, dafür findet sich noch ein netter Peak zwischen 3 und 4 Kilometern (und bei 170…) Fehlerbalken haben die Punkte natürlich nicht, auch Angaben wieviele Personen denn in jeden Kilometer fallen.

  7. #7 Ralf Kusmierz
    03/02/2011

    @Jörg:
    Sie müssen sich damit abfinden, daß sich der Papiertiger nunmal nicht erlegen läßt. Es wurde nichts “an Rauschen angefittet”, sondern korrekt gerechnet, ob es Ihnen nun in den Kram paßt, oder nicht.

    @Biologe:
    Hätten Sie vielleicht die Güte, zu lesen, was ich wirklich geschrieben habe, anstatt mir das Gegenteil dessen zu unterstellen?

    Im übrigen könnten Sie auch einfach mal damit aufhören, mir Falschbehauptungen zu unterstellen und das mit just solchen Publikationen zu belegen, die mir recht geben. Damit werden Sie sicherlich niemanden überzeugen.

    Ja, wo sehe ich wohl “außergewöhnliche Abweichung von zu erwartenden Werten”, wenn in der Umgebung von KKW die Kinderkrebsrate um die Hälfte höher liegt als anderswo und statistisch signifikant weniger Mädchen geboren werden, obwohl das nach unseren amtlichen Strahlenschützern gar nicht möglich wäre?

    Und den Bonus nehme ich auch noch mit: Nach den beobachteten Abstandsabhängigkeiten ist das nur durch luftgetragene Emissionen (zählen Sie gelegentlich mal die Buchstaben und vergleichen Sie mit dem Duden), und zwar solchen aus hohen Schornsteinen zu erklären. Und was kommt da bei KKW wohl anderes raus als bei anderen Schornsteinen, na, fällt Ihnen dazu etwas ein?

    Evtl. sind die amtlichen Strahlenschützer aber entschuldigt: Wahrscheinlich beruht das alles auf einer bisher um drei Größenordnungen unterschätzten Wirkung von Tritium im Zellkern, und das konnte man anhand des bekannten radiologischen Wissens evtl. wirklich nicht erkennen.

    Nur eines können Sie getrost vergessen: Das da nämlich nichts ist. Und imZweifelsfall kommt auch in Gorleben aus den CASTOR-behältern etwas raus, egal, was das Umweltministerium dazu sagt.

    Mit freundlichen Grüßen
    Ralf Kusmierz

  8. #8 Jörg
    03/02/2011

    Sie müssen sich damit abfinden, daß sich der Papiertiger nunmal nicht erlegen läßt. Es wurde nichts “an Rauschen angefittet”, sondern korrekt gerechnet, ob es Ihnen nun in den Kram paßt, oder nicht.

    Können Sie ihr Behauptungen irgendwie belegen? Bis lang kommt nur heiße Luft und ich werde ganz schön sauer allmählich. Dass Sie in er Lage sind, Knöpfchen zu drücken und p-Werte abzulesen haben wir mittlerweile verstanden.
    Also fangen wir nochmal mit wenig Fragen an:
    – Wo sind die Fehlerbalken an den Graphen in dem Report oder dem Strahlentelex?
    – Welche Aussagekraft hat ein Quotient von kleinskaligem Mittelwert und Bundesdurchschnitt, wo der der Graph doch eine Skalenabhängigkeit in der Varianz zeigt?

    Wenn Sie nicht wenigstens eine der Fragen beantworten, können Sie das Kommentieren gleich sein lassen, bitte.

  9. #9 Dierk
    03/02/2011

    Sorry, da sie in einem sehr knappen Zeitrahmen gerade mal eine Jungengeburt mehr finden als der von mir gefundene Referenzwert [weltweit] ausweist, sehe ich nichts Außergewöhnliches. Das bewegt sich alles im Rahmen bekannter Streuung. Ein Wert über gerade mal 10 betrachtete Jahre bezogen auf Geburten?

    Das ist dünn, so dünn,dass Sie zeigen müssen, weshalb der Wert statistisch relevant sein soll. Das haben Sie m.E. bisher nicht. Da hilft es auch nicht, die berechtigten Fragen pampig als ‘Herummeckern’ abzutun. Wie sieht es mit alternativen Erklärungsmodellen aus? Finden sich ähnliche Abweichung vom 105er Wert [ich bin gnädig, Sie müssen nicht den 107er nehmen, der üblicherweise erwartete reicht mir] konsistent in der Nähe von Nuklearanlagen? Lassen sich die Trends und Werte auch über die letzten 60 Jahre – immerhin 2 Generationen – bestätigen? Wie haben Sie ausgeschlossen, dass es sich nicht doch um ein zufälliges Artefakt handelt? Wie ist das primäre Geschlechterverhältnis [erwartbar und in den untersuchten Regionen tatsächlich]?

    Halten Sie das wirklich alles für dummes Rumgezetere, pures Nölen und Schlechtmachen?

    PS: Was die Kinderkrebsrate angeht, hat die hier gar nichts zu suchen.
    PPS: Ich bin nicht einmal ein Befürworter der Kernenergie.

  10. #10 Biologe
    03/02/2011

    @kusmierz.
    Wollen oder können sie nicht anders? KIKK sagt aus dass die Kinder-LEUKÄMIEN erhöht ist nicht KinderKREBSRATE! Sie reden von Bäumen meinen aber Quercus robur.
    Ihr letzter Satz :”Und imZweifelsfall kommt auch in Gorleben aus den CASTOR-behältern etwas raus, egal, was das Umweltministerium dazu sagt.”
    zeigt eindeutig mit welchen Bias sie an die Sache rangegangen sind. Und falls es nicht einen weiteren Ralf Kusmierz aus Bremen geben sollte langt eine Google-Suche mit ihrem Namen um zu merken dass man sie nicht für voll nehmen kann.

  11. #11 Ralf Kusmierz
    03/02/2011

    @Biologe:
    Auf Sie werde ich nicht mehr antworten, sparen Sie sich die Mühe.

    @Jörg:
    Die Frage nach “Fehlerbalken” ist völlig sinnlos, exakte Zahlen haben keine Fehler, die Varianz einer Zufallsvariablen ist auch keiner. Es geht um eine logistische Regression. Methoden erkläre ich Ihnen nicht. Die Frage nach der kleinräumigen Abweichung ist genauso sinnlos: es gibt Tests, ob solche vorliegen und signifikant sind. Schließlich wurde nach genau diesen Abstandsabhängigkeiten gesucht, genau wie bei der KiKK-Studie. Werfen Sie mir also nicht vor, wenn man die dann auch findet.

    @Dierk:
    Wir *haben* die statistische Signifikanz gezeigt. Die Daten sind im übrigen bei den Statistischen Ämtern öffentlich zugänglich, können Sie selbst nachrechnen. Ihre Behauptung von “einen Jungengeburt mehr” ist falsch und unsachlich – warum sollte ich Sie ernstnehmen, wenn Sie so argumentieren? Was wir tatsächlich gemacht haben, steht in dem reviewten und veröffentlichten Paper, warum soll ich das hier wiederholen?

    Und was wollen Sie denn mit 60 Jahren? Wir leben im Hier und Jetzt und betrachten die Laufzeiten der KKW; es gibt den – selbstverständlich konsistenten – Unterschied zwischen der Umgebung der Nuklearanlagen und der weiteren Entfernung, und der ist weg, wenn man andere, zufällige Positionen nimmt. Was verlangen Sie denn noch?

    Und selbstverständlich gehören in diesen Zusammenhang auch die KiKK-Studie und lange Reihen anderer Untersuchungen, die viele Effekte in der Umgebung kerntechnischer Anlagen zeigen. Wozu werden die denn wohl gemacht?

    Im übrigen ist es nicht die Aufgabe der Epidemiologie, Erklärungen zu liefern.

    Mit freundlichen Grüßen
    Ralf Kusmierz

  12. #12 Lipper
    03/02/2011

    @kusmierz.
    Sie schreiben:
    “Wahrscheinlich beruht das alles auf einer bisher um drei Größenordnungen unterschätzten Wirkung von Tritium im Zellkern”
    Das könnte eine Begründung für die Auswahl von KKWs als Untersuchungsobjekt sein. Aber nur, wenn es dafür Belege gibt. Das würde mich jetzt echt interessieren. Haben Sie da eine Quelle? Wenn nicht, was war der Grund für die Auswahl speziell von KKWs?

  13. #13 Biologe
    03/02/2011

    “Wahrscheinlich beruht das alles auf einer bisher um drei Größenordnungen unterschätzten Wirkung von Tritium im Zellkern” Unsinn.
    alpha-Bestrahlung von Zellen ist mein täglich Brot. Der RBW ist für ausgewählte biologische Endpunkte beträgt 15-20, für andere Endpunkte 2-10.
    Nix da mit um drei Größenordungen unterschätzte Wirkung.

  14. #14 Biologe
    03/02/2011

    Sie sagten “Im übrigen ist es nicht die Aufgabe der Epidemiologie, Erklärungen zu liefern.”
    Im Outlook ihres paper schreiben sie”
    Other sources of ionizing radiation could be considered as well.
    One example is cosmic rays (CR)”

    Wow, na DAS nen ich mal unvoreingenommen. Entweder ist es Strahlung oder Strahlung. Was ist den der Unterschied zwischen ionisierender Strahlung und Kosmischer Strahlung für Sie? Haben die Leute punktförmig um NFs herum plötzlich MEHR Kosmische Strahlung? Wird die von EFs angezogen??

  15. #15 Jörg
    03/02/2011

    Die Frage nach “Fehlerbalken” ist völlig sinnlos, exakte Zahlen haben keine Fehler, die Varianz einer Zufallsvariablen ist auch keiner. Es geht um eine logistische Regression. Methoden erkläre ich Ihnen nicht.

    Es gibt keine exakten Zahlen. Unsicherheiten und Fehler abschätzen ist so grundlegend, dass jedem der das ablehnt mit gutem Gefühl die Fähigkeit zur wissenschaftlichen Arbeit abgesprochen werden kann.
    Sie haben um mehrere Standorte willkürlich Kreisringe mit zunehmendem Innenradius genommen. Also ließe sich wenigstens ein statistischer Fehler angeben. Wie groß ist der bei kleinen und großen Radien?
    Ferner werden mehrere Ringe gleicher Radien addiert. Wie groß ist die Varianz innerhalb Segmente gleichen Radius? Warum ist dieser Fehler nicht an die Werte getragen?
    Das schon mal zum Anfang. Mir würden ohne Probleme noch Mengen weiterer Fehlerquellen einfallen.

    Die Frage nach der kleinräumigen Abweichung ist genauso sinnlos: es gibt Tests, ob solche vorliegen und signifikant sind. Schließlich wurde nach genau diesen Abstandsabhängigkeiten gesucht, genau wie bei der KiKK-Studie. Werfen Sie mir also nicht vor, wenn man die dann auch findet.

    Ich spreche von der Varianz in dem Graph! Die Streuung um den Mittelwert nimmt eindeutig mit der Entfernung zu!! Wie kann man das ignorieren? Ich hab schonmal gefragt, warum nur ein Quotient von Mittelwerten statt Wahrscheinlichkeitsverteilungen?

  16. #16 Hagen Scherb
    03/02/2011

    @ Jörg Rings: “Ich hab jetzt das Interesse am Diskutieren verloren.”
    Schade, ich hatte mich bereits auf Ihre (am 28.02.11 • 10:04 Uhr angekündigte) Stellungnahme zu unserer neuen Arbeit gefreut (siehe oben; siehe https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21336635 ). Hagen Scherb

  17. #17 Ralf Kusmierz
    03/02/2011

    @Lipper:
    Quelle für hohe Tritium-Wirkung: https://ec.europa.eu/energy/nuclear/radiation_protection/doc/publication/152.pdf (8.5 Discussion, S. 96)

    Das ist natürlich nicht die Begründung für die Auswahl der KKW als Untersuchungsobjekt, sondern ein möglicher Grund, warum man etwas findet. Der Grund für die Wahl war, zu überprüfen, ob man den Tschernobyl-Effekt analog zur KiKK-Studie auch als Abstandseffekt bei KKW findet. Man findet. Man findet um KKW auch anderes außer Kinderkrebs (übrigens nicht nur Leukaemien, die Dignosen stehen in der Studie), sondern eben auch Mißbildungen. Und es gibt auch deutliche Hinweise auf gehäufte Krebsraten bei Erwachsenen.

    @Jörg:
    Sorry, Sie ereifern sich über mangelnde Statistikkenntnisse, haben aber schlicht die Methode nicht verstanden. Geburtenzahlen sind exakte Zahlen (bzw. habe ich keine Ahnung, ob die Meldeämter vielleicht auch mal Fehler machen, aber ich muß von dem, was veröffentlicht wird, ausgehen), und es wird nichts gefittet, und es rauscht nichts.

    Natürlich werden nicht verschiedene Standorte miteinander verglichen, denn die haben in der Regel einzeln sowieso keine signifikanten Ergebnisse (genau wie bei der KiKK-Studie), sondern alle gemeinsam (unter testweiser Weglassung einzelner, um zu sehen, ob es welche gibt, die das Gesamtergebnis dominieren).

    Die Punkte, die Sie in den Graphiken sehen, sind nicht Punkte, anhand derer gerechnet wurde, sondern beruhen auf zur Anschaulichkeit zusammengefaßten Zahlen in 5-km-Zonen – gerechnet wurde mit den korrekten und (soweit sie vorlagen) vollständigen Daten. Was da an “Streuung” und “Rauschen” drin ist (ist es bei der Verwendung binomialverteilter Zufallsvariablen zwangsläufig), resultiert dann in den entsprechenden Gütemaßen für die geschätzte Funktion. Die Konfindenzintervalle der geschätzten Parameter sind angegeben – die kriegt man übrigens auch “nur mit Knöpfchendrücken” heraus, braucht man nicht mehr mit Papier und Bleistift und Tabellen ermitteln.

    Daß es “weit weg” “rauscht”, liegt schlicht daran, daß “weit weg” dünn besetzt ist, weil es nicht viele Gemeinden gibt, die “weit weg” von KKW liegen. (Die Punkte, die dargestellt sind, entsprechen *nicht* einzelnen Gemeinden – davon gibt es nämlich Größenordnung 1E4.) Zusammengefaßt wird auch nichts, sondern jeweils korrekt für jede Gemeinde einzeln mit dem entsprechenden Abstand die Zahlen m und w in die Schätzung eingesetzt; geschätzt wird dabei ln(Odds) als parametrierte Funktion des Abstands, die Verhältnisse m/w der einzelnen Gemeinden kaommen dabei gar nicht vor, die werden nur in 5-km-Zonen zusammengefaßt in der Graphik dargestellt.

    Abschichten geht nicht, dafür sind die Fallzahlen bzw. die Effektstärken zu klein. Tests auf Richtungsabhängigkeit waren negativ. Das entspricht, vielleicht etwas entgegen der Intuition, aber der Erwartung, wenn man von luftgetragenen Emissionen aus hohen Kaminen ausgeht, denn es herrscht keineswegs ständig gleichmäßiger Westwind o. ä., und die Bodenkonzentzration ist reziprok zur Windstärke – eigentlich auch trivial.

    Ich denke, so lange Sie nicht verstehen, daß es bei den Geschlechterproportionen nicht um Meßwerte mit Meßfehlern geht und die Varianz “über alles” im Gütemaß drinsteckt, hat die Diskussion keinen Sinn.

    Mit freundlichen Grüßen
    Ralf Kusmierz

  18. #18 Dierk
    03/02/2011

    Herr Kusmierz, ich bestreite gar nicht, dass Sie mir bzgl. Ihres Forschungsgegenstands überlegen sind, daher frage ich ja. Ich bestreite auch nicht, dass ich zur Überspitzung neige, aber ausgerechnet das von Ihnen gewählte Beispiel ist eben dies nicht. Es ist ein Zahl, aus einer Quelle, die ich für seriös halte; ich benutze sie nur, weil sie zeigt, dass 108 [Ihr Wert] ganz natürlich – ohne Einfluss einer Nuklearanlage – vorkommen kann.

    Wir mögen auch auseinanderliegen, was die Relevanz langer Zeiträume oder weiterer Regionen angeht, nur muss ich hier nicht eine These verteidigen, ich muss nur sehen, ob mich Ihre Arbeit überzeugt. Kommentatoren, die sich erheblich firmer als ich dazu äußern können – z.B. Biologe, Jörg -, scheinen auch nicht recht überzeugt zu sein. Vielleicht liegt es diesmal nicht an mir.

    Nebenbei, die Ausrede mit dem ‘Epidemiologen müssen nichts erklären’ mag auf einem Podium vor BILD-Lesern funktionieren, aber hier hat das echt nichts zu suchen. Sie wissen, dass das Quatsch ist – sonst würden Sie ja auch keinerlei Äußerungen über die mögliche Ursache getan haben. Ich glaube auch nicht, dass Jörg [oder der NDR und andere] die bloße Feststellung, dass es zu einem Zeitpunkt eine kleine Abweichung beim Geschlechterverhältnis gibt, zum Anlass genommen hätten, die Studie anzusehen.

    Sie haben eine These abgegeben, nämlich, dass es an der Strahlung aus der nahen Nuklearanlage liegt. Nun gibt es dafür aber keinen guten Grund; die über 2 Jahrzehnte zurückgehende Anzahl von Störchen in Schleswig-Holstein hatte auch nichts mit dem im gleichen Zeitraum zu findenden Geburtenrückgang dort zu tun. Biologe [und andere] halten die These für gewagt, da ein entsprechender Wirkmechanismus – erhöhte Strahlendosis führt zu entweder höherer Mortalität bei weiblichen Föten/Embryonen oder zu verbesserter Vitalität männlicher Föten/Embryonen – nicht belegt, ja schwer vorstellbar ist.

    Meinen Sie wirklich Epidemiologen erklären nicht, sondern zeigen nur mit dem Finger? Worauf denn? Wie kommt jemand auf die Idee das Geschlechterverhältnus rund um Nuklearanlagen zu überprüfen? Da muss es doch eine Ausgangsthese geben. Oder laufen Sie durch die Gegend und zählen Sie einfach mal ein wenig drauflos, irgendwas wird schon gehen?

    Ich bin ja kein voll ausgebildeter Biologe, aber ich traue mich jetzt mal an eine erklärende These zu Ihren Zahlen: Zufall. Ja, es gibt dort ein paar Jungengeburten mehr, als wir erwarten würden, auch ein paar mehr als wir in Kontrollstudien fanden. Wirklich greifbar ist da aber nichts, vor allem, weil die Abweichung von der angenommenen Norm sehr klein ist.

  19. #19 Jörg
    03/02/2011

    @ Jörg Rings: “Ich hab jetzt das Interesse am Diskutieren verloren.”
    Schade, ich hatte mich bereits auf Ihre (am 28.02.11 • 10:04 Uhr angekündigte) Stellungnahme zu unserer neuen Arbeit gefreut (siehe oben; siehe https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21336635 ). Hagen Scherb

    Ich seh mich nicht mehr in der Lage, weitere Studien dieser Art zu lesen ohne Motive zu unterstellen. Sie verfassen Reports, in denen einem einzelnen Wert eine Reihe statistische Signifikanz zugewiesen wird. Herr Kusmierz hat keine Fehlerbetrachtungen nötig, obwohl die Reihe gewaltig streut. Freuen Sie sich, dass sie ein breites klatschgrünes Publikum findet und fröhlich zitiert und interviewt werden. Die Regierung honoriert diese Bemühungen in ihren Gesetzen ja auch mit der entsprechenden Beachtung: Keiner. Und leider, leider, ist das angesichts der Qualität der Kritik auch angemessen.
    Ich werde meine begrenzte Zeit in der ich bloggen kann den ganzen interessanten Dingen widmen, die sich angesammelt haben.

  20. #20 Ralf Kusmierz
    03/02/2011

    Ich habe nicht behauptet, daß der Effekt in Gorleben auf die Strahlung aus den Castoren zurückgeht, im Gegenteil. Ich kann mir bloß schlecht etwas anderes vorstellen und frage mich deswegen, wie die das machen, denn es ist nicht trivial, wie die in der Umgebung Radioaktivität erzeugen könnten (wenn auch nicht unmöglich).

    Zweifellos kann in manchen Zeiten und Ländern (z. B. in Deutschland nach dem Krieg) 1,08 vorkommen. Das ist nicht das Argument: Das Argument ist, daß sich der Wert überzufällig stark sprunghaft mit der Inbetriebnahme des Lagers geändert hat und weiter steigt, je näher, desto stärker. Wenn Sie das ganz normal finden, dann bitte – andere sehen das offenbar anders.

    Im übrigen muß die Epidemiologie tatsächlich nichts erklären – sie nimmt eine potentielle Ursache (Düngerwerk, Autobahn, Mülldeponie, Kraftwerk…) und schaut, ob es abhängig davon, also beispielsweise in der Umgebung, einen Effekt gibt. (Oder eben andere Dinge wie Epidemien.)

    Und stellt dann ein paar weitere Fragen:

    Nur da? Auch bei anderen gleichartigen Anlagen? Oder vielleicht auch an ganz anderen Orten? Gibt es vielleicht noch andere Effekte? Gibt es Confounder, ist es erblich, hängt es vom Alter oder Geschlecht oder Beruf ab?

    Zur Beantwortung solcher Fragen gibt es statistische Instrumente. Und den Rest, also das Wie herauszufinden, müssen dann Biologen, Mediziner, Physiker, Chemiker usw. machen.

    Wissen Sie, ich bin kein Missionar und will Ihnen keinen Glauben aufschwatzen. Ich habe auch nichts zu verkaufen. Ich biete Ihnen eine Information, andere Informationen finden Sie anderswo. Was Sie damit machen, ist Ihre Sache.

    Es gibt verschiedene Arten von Fragen – Wissens- oder Verständnisfragen beispielsweise. Die sind oft zwar sinnvoll, aber nicht mit sinnvollem Aufwand zu beantworten. Ich kann vermutlich niemandem Planetenbahnen erklären, der nicht genügend Mathematikkentnisse dafür hat – dem muß ich dann leider sagen, daß er sich anderweitig schlau machen muß.

    Und dann gibt es konstruktive Fragen, die z. B. darauf hinauslaufen, wie etwas funktionieren könnte, wie man eine Hypothese festigen oder widerlegen könnte. Mit solchen befasse ich mich gerne.

    Und dann gibt es ausgesprochen dumme oder abwertende Äußerungen im Gewand einer Frage – warum sollte ich mich damit befassen?

    Mir geht das hier alles zu schnell und verbraucht zuviel Zeit. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Leute die Ergebnisse jahrelanger Arbeit wirklich in wenigen Stunden so gründlich beurteilen können, daß sie sich herausnehmen könnten, alles in Bausch und Boden zu verdammen. Wer redlich diskutieren will, der informiert sich erst einmal – das ist hier mehr oder weniger von Anfang an nicht geschehen, bereits der Ursprungsartikel ist von Ton und Inhalt her in herabsetzender selbstgewisser Überheblichkeit formuliert.

    Natürlich gibt es Gegenstände, bei denen sich eine ernsthafte Befassung nicht lohnt. Nur hat der Schreiber hier insofern wohl ins Klo gegriffen – das ist nichts aus der Esoterik-Ecke, sondern richtig echte Wissenschaft mit Hand und Fuß.

    Kann es einfach nur Zufall sein? Ja sicher, das kann es. Auch bei einer Irrtumswahrscheinichkeit von 0,1 Promille kann ein Ergbenis schlicht falsch sein. Das nehme ich in Kauf.

    Sie haben gesehen, daß die Gorleben-Daten aus einem räumlich sehr begrenzten Bereich (diesem “Zipfel”) stammen. Ich kenne die Daten aus den Nachbarbundesländern nicht. Wenn die die gleiche Tendenz haben sollten – wäre es dann immer noch Zufall? Oder wäre *dieses* (Abwehr-?)Argument dann nicht irgendwann einmal überstrapaziert?

    Mir wurde schon Geld dafür angeboten, diese anderen Zahlen zu beschaffen und auszuwerten. Allerdings würde ich es ungern nehmen, denn ich finde, daß ein entsprechender Auftrag “vom Staat” kommen müßte.

    Mit freundlichen Grüßen
    Ralf Kusmierz

  21. #21 Jörg
    03/02/2011

    Meine Güte, so viel heiße Luft verbläst ja nicht mal der Guttenberg…

  22. #22 Thomas J
    03/02/2011

    Wieso kommt mir beim lesen von Herrn Kusmierz’ Kommenaren nur immer wieder Erich von Däniken in den Sinn? hmm…

  23. #23 YeRainbow
    03/02/2011

    jau.

    besonders hübsch: “Epidemiologen schauen einfach, ob es irgendwas gibt…”

    ja? Da habe ich von Epidemiologen schon anderes gehört.
    Behalten wir es als Beispiel in Erinnerung. Wenigstens dazu taugt es.

  24. #24 Dierk
    03/02/2011

    Und dann gibt es ausgesprochen dumme oder abwertende Äußerungen im Gewand einer Frage – warum sollte ich mich damit befassen?

    Wenn wir auf dem Niveau sind: Weil es nur dumme Fragen gibt und eine kluge Antwort jede Frage adelt.

    Wobei ich sagen muss, dass ihr letzter Kommentar – und das meine ich ohne jede falsche Ironie – gut ist. Sie gehen auf Fragen ein, gestehen zu, dass die Kritiker nicht blöd sind, dass sie sich auch ein wenig persönlich angegriffen fühlen [was zumindest nicht meine Absicht wäre].

    Noch einmal zur Sache:

    […] die Epidemiologie […] nimmt eine potentielle Ursache […] und schaut, ob es abhängig davon […] einen Effekt gibt.

    So sehe ich das auch, so habe ich das im Studium gelernt. Um beim Fall zu bleiben, ich bestreite nicht, dass die Umwelteinflüsse durch die Nuklearanlage, vielleicht sogar eine ominöse austretende Strahlung, für den beobachteten kurzzeitigen Effekt verantwortlich ist. Es ist ein Erklärungsmodell: industrielle Anlagen ändern die unmittelbare Umwelt dahingehend, dass ein verstärkter Trend zu mehr männlichen Kindern beobachtet wird. Das kann Strahlung sein, es kommen allerdings auch andere Ursachen in Frage, so eine Industrieanlage wirkt ja nicht nur durch die Strahlung im Kern.

    Mein Hauptkritikpunkt bleibt allerdings unbeantwortet: Es fehlen nachvollziehbare Kontrollwerte sowie belegbare Basiswerte zu denen verglichen wird.

  25. #25 Biologe
    03/02/2011

    In table 2 steht das Gorleben “In operation since/to” 2000- sei.
    Die ersten Castoren kamen allerding schon im April 1995 in Gorleben an.

  26. #26 Hagen Scherb
    03/02/2011

    @Biologe: Das ist korrekt. 2000 war ein provisorischer Wert meinerseits. Ich wusste damals noch nicht, dass der 1. Castor bereits im April 1995 war. Gorleben war nicht im Fokus, sondern die KKWs. Gorleben lief praktisch nur nebenher mit, und die Asse war noch gar nicht enthalten. Aber so ist uns Gorleben zum ersten Mal (in Tabelle 2) aufgefallen. Wie die Datenlage sich dort darstellt, können Sie hier entnehmen: https://www.helmholtz-muenchen.de/ibb/homepage/hagen.scherb/FactSheetGorleben.pdf . In unserer neuen Publikation (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21336635 ) sind Asse und Gorleben mit den bekannten Betriebszeiten enthalten. Hagen Scherb

  27. #27 cohen
    03/02/2011

    Gorleben war nicht im Fokus, sondern die KKWs. Gorleben lief praktisch nur nebenher mit, und die Asse war noch gar nicht enthalten. Aber so ist uns Gorleben zum ersten Mal (in Tabelle 2) aufgefallen.

    Das ist ein klassischer Fall von Zielscheibenfehler.

    Der Fehler ist eng mit der Clustering-Illusion assoziiert, der menschlichen Eigenschaft, in zufälligen Daten nichtvorhandene Muster zu sehen.

    Danke, keine weiteren Fragen.

  28. #28 Hagen Scherb
    03/02/2011

    @cohen: Wenn Sie sich mein GorlebenFactSheet anschauen (https://www.helmholtz-muenchen.de/ibb/homepage/hagen.scherb/FactSheetGorleben.pdf), sehen Sie, dass die sex odds im 35 km Umkreis (nur in NS vorerst) um Gorleben genau ab 1995 signifikant ansteigt. “Zielscheibenfehler” könnte sein, muss aber nicht. Und die nähere Betrachtung (also über Tabelle 2 hinaus) zeigt jetzt einen gewissen zeitlichen Zusammenhang mit dem 1. Castor-Transport. Und zusätzlich ist dieser Anstieg ab 1995 auch noch signifikant abstandsabhängig. Hagen Scherb

  29. #29 Rincewind
    03/02/2011

    “Zielscheibenfehler” könnte sein, muss aber nicht.

    Und wenn man nicht in der Lage ist, dieses auszuschließen, wie Sie ja selber zugeben, wie nennt man das dann? Genau. Spekulation.

  30. #30 Hagen Scherb
    03/03/2011

    Der Anstieg der sex odds in Gorleben ab 1995 könnte zufällig sein. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist unter 2%. Genauso könnte die Abstandsabhängikeit des sex odds Anstiegs zufällig sein. Und diese Wahrscheinlichkeit ist unter 1%. Stichwort: Irrtumswahrscheinlichkeit in der schließenden Statistik. Also, wenn Sie so wollen: Kontrollierte Spekulation. Wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit genügend klein ist (z.B. kleiner 5%), schließt man Zufall als Ursache für den beobachteten Effekt aus, mit einem entsprechend geringen “Restrisiko”=“Fehler 1. Art“, dass es doch Zufall ist. Signifikante Beobachtungen sind in der Regel der Ausgangspunkt für weitere Beobachtungen und Analysen, dann nicht nur statistischer Art. Die signifikanten Auffälligkeiten nach Tschernobyl in Europa und in der KiKK-Studie um Kernkraftwerke waren der Anlass die sex odds um Nuklearanlagen zu betrachten. Hagen Scherb

  31. #31 YeRainbow
    03/03/2011

    Es ist immer sehr sinnvoll, risikobehaftete Zustände zu beobachten und zu untersuchen.

    einseitige Betrachtungsweisen, Panikmache und statistische Rosinenpickerei nebst nachträglicher Zuweisung (Hypothesenmanipuliererei) gehören eindeutig NICHT dazu.

    Entweder ein sauberes Untersuchungsdesign mit einer ORDENTLICHEN Fehlerbetrachtung (Stichwort: Bestätigungstendenz – nämlich diese möglichst auszuschließen), oder aber ab in den Orkus.
    “Taugt nix” wird nicht besser durch nettigkeit.
    Das Einzige vermutlich, das an dieser Untersuchung eventuell verwertbar wäre, sind die Rohdaten.
    Aber nicht unter dem schon gegebenen Blickwinkel.

    Gerade von Epidemiologen bin ich bisher ganz andere Qualität gewohnt.

  32. #32 Biologe2
    03/03/2011

    Ich habe mal um eine Einschätzung von einer bekannten Epidemiologie-Gruppe gebeten, hier deren Einschätzung (nicht wortwörtlich, sonst würde ich ja private emails ohne Zustimmung offentlich machen )
    1. Die Autoren und deren “Herkunft” (Helmholtz Zentrum München) stehen für eine gute und methodisch korrekt durchgeführte Analyse
    2. 15km (30km,50km) zum NF zeigt sich ein schwach erhöhtes, signifikantes Risiko, tendiert allerdings gegen 0 (bzw. OR=1), sodass ich (ich=Meinung des Epidemiologen, nicht meine) persönlich dem keine Bedeutung beimessen würde weil:
    3. Es handelt sich um eine sog. ökologische Studie. Bei diesem Studientyp werden keine individuellen Daten zugrundegelegt sondern Gruppendaten Scheinkorrelationen sind nicht auszuschliessen. Für die Verschiebung des Geschlechterverhältnisses könnten z.B. Pestizide verantwortlich sein.
    Ökologische Studien dienen also eher dazu, Hypothesen zu generieren.
    4. Distanz zu einem KKW ist keine Exposition! Distanz ist ein Proxy für eine vermutete Exposition.
    5. Es gibt Rechenspielchen von denen man besser die Finger läßt, um hinterher nicht das Problem zu haben, das “signifikante” Ergebnis kausal begründen zu müssen.

    ich hoffe dies hilft bei der Diskussion weiter.

  33. #33 Hagen Scherb
    11/11/2011

    Hallo, hat noch jemand Interesse? Es gibt was (nicht mehr ganz) Neues:
    https://www.nlga.niedersachsen.de/download/60794

  34. #34 Hagen Scherb
    12/11/2011

    Hier wird der mögliche Zusammenhang zur um Gorleben erhöhten Neutronenstrahlung angedeutet: https://www.stern.de/politik/deutschland/strahlen-phaenomen-skyshine-ueber-dem-castor-lager-1755129.html

  35. #36 Hagen Scherb
    03/25/2012

    Hallo Herr Rings, lassen Sie Ihre „Pro-Atom-Agitationsseite“ verwaisen? Wäre dann nicht komplettes Löschen eine Option? Es gibt übrigens neue Lektüre – mit Bezug auch auf Gorleben: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22421798. Hagen Scherb

  36. #37 Maxim
    05/10/2012

    Gibt es eigentlich eine unabhängige Untersuchung zu dem Thema?
    Falls ja, dann würde ich mich über einen Hinweis freuen.

  37. #38 Ralf Kusmierz
    05/10/2012

    Maxim schrieb:
    > Gibt es eigentlich eine unabhängige Untersuchung zu dem Thema?

    Unabhängig von wem? Unsere bisherigen Publikationen sind nicht als Auftragsarbeiten entstanden. Das NLGA ist eine Obere Landesbehörde – ob sie die bzw. deren Studie (Hoopmann/Maaser) als unabhängig betrachten wollen, bleibt Ihnen überlassen. Am 12. 3. 2012 hat das NLGA zu dem Thema ein ganztägiges “Fachgespräch” unter Beteiligung verschiedener deutscher Experten durchgeführt – naturgemäß mit kontroversen Positionen. (Ein Wortprotokoll wurde bisher leider nicht veröffentlicht, nur die zu den Referaten gezeigten Bilder.)

  38. #39 Maxim
    05/10/2012

    @Ralf Kusmierz

    “Unabhängig von wem? Unsere bisherigen Publikationen sind nicht als Auftragsarbeiten entstanden.”
    Was überhaupt nichts über ihre Motivation aussagt.

    Ich frage mich wie deutlich man den Effekt sieht, wenn man nicht absichtlich irgendwo Grenzen in den Plots legt und absichtlich das Ziel auf der Karte auswählt.
    Würde man nur durch die Ergebnisse der Auswertung auf die Position und das Zeitfenster der Ursache schließen können?
    Also übertrieben gesagt: kann man aus den Daten die Position und den Zeitpunkt der Inbetriebnahme kerntechnischer Anlagen ablesen oder verlieren sie sich in den statistischen Schwankungen?

  39. #40 Hagen Scherb
    05/12/2012

    Hallo Frau/Herr Maxim,

    Sie fragen Sich nach unserer “Motivation”? Dort z.B.: https://www.helmholtz-muenchen.de/ibb/homepage/hagen.scherb/ScherbVoigtKusmierzHannover03122012%20Konzept.pdf gibt es 10+ Folien dazu. Die Inbetriebnahme kann man oft erkennen, wie z.B. bei Cattenom oder eben Gorleben und eine Reihe anderer Anlagen. (Übrigens auch den Beginn des Rückbaus, wie z.B. bei Rheinsberg). Räumlich ist das in der Regel aufgrund der Streuung auf Einzel-Gemeindeebene bzw. zu geringer Bevölkerungsdichte bzw. zu schwacher Einzeleffekte eher nicht der Fall. Zum Nachweis des räumlichen Zusammenhangs muss man i.d.R. mehrere bzw. alle Standorte zusammenfassen. Ausnahmen wie Gorleben bestätigen auch hier die Regel.

    Was meinen Sie mit „absichtlich irgendwo“? Wir wählen Standorte bzw. Zeitpunkte mit konkreter Fragestellung „absichtlich“ aus.

    Viele Grüße, HS

  40. #41 Jörg
    05/12/2012

    Was meinen Sie mit „absichtlich irgendwo“? Wir wählen Standorte bzw. Zeitpunkte mit konkreter Fragestellung „absichtlich“ aus.

    Auch bekannt als Texas Sharpshooter Fallacy, immer beliebt unter Pseudowissenschaftlern und Fundamentalisten.

  41. #42 Hagen Scherb
    05/12/2012

    Hallo Herr Rings,

    freut mich, dass Sie sich nach langer Zeit in Ihrem Blog melden. Die „Texas sharpshooter fallacy“ haben Sie falsch verstanden: Ich schrieb „konkrete Fragestellung“, d.h. sachlich begründete Fragestellungen (Fallout – hoher vs. niedriger, Nuklearanlage – vor vs. nach Inbetriebnahme, usw.) und eben nicht wahllose bzw. beliebige Ereignisse.

    Mit anderen Worten, wir haben nicht nachgeschaut, wo hohe sex odds sind, sondern, wie hoch die sex odds nach Tschernobyl bzw. um Nuklearanlagen sind, und wie hoch die sex odds in Kontrollsituationen sind, d.h. ohne entsprechende Exposition. Der Vergleich ist die Basis der (wissenschaftlichen) Erkenntnis.

    Viele Grüße, HS

  42. #43 Hagen Scherb
    05/13/2012

    Hallo Herr Rings,

    Sie meinten: „Auch bekannt als Texas Sharpshooter Fallacy, immer beliebt unter Pseudowissenschaftlern und Fundamentalisten.“

    Eingangs hatten Sie sich inhaltlich um das Thema bemüht, deshalb haben Sie diese Diskussion eröffnet. Fällt Ihnen zum Thema nichts Inhaltliches ein? Wir sind jederzeit an (guten) Argumenten oder Gegenargumenten interessiert.

    Viele Grüße HS

  43. #44 Ralf Kusmierz
    05/13/2012

    Herr Scherb,

    Sie verkennen die Motive von Herrn Rings. Herr Rings hat sich niemals um das Thema in dem Sinne “bemüht”, daß er dem Forschungsbereich ergebnisoffen entgegengetreten wäre. Er wollte sich als “Skeptiker” produzieren und auf die Jagd gehen in der Art “O, diese Spinner behaupten, Strahlung beeinflußt das Geschlechterverhältnis… Na, das wollen wir doch mal auseinandernehmen”. Genausogut hätte er sich die Hypothese vornehmen können, daß behauptet worden wäre, jemand hätte in seinem Münchener Vorgarten kleine grüne Männchen vom Mars beobachtet.

    Er (und auch Maxim) ignorieren dabei, daß es nicht um eine Crackpot-Theorie geht, sondern um Arbeiten, die sich in eine lange Reihe epidemiologischer Befunde aus den verschiedensten Bereichen einreihen, die bei unvoreingenommener, also nicht interessegeleiteter Betrachtung zeigen, daß die biologischen Wirkungen anthropogener Radioaktivitätsfreisetzungen von der etablierten Radiologie um mehrere Größenordnungen unterschätzt werden. In diese Reihe gehören die frühen Befunde über Strahlenschäden bei den Radium-Girls, Mullers Arbeiten über die Mutagenität von Röntgenstrahlen, die frühen Untersuchungen über die Folgen der amerikanischen Nuklearwaffeneinsätze in Japan, zahlreiche Studien zu erhöhten Krebsraten durch Atombombenfallout und in der Umgebung von Nuklearanlagen (zuletzt die in mehreren Ländern methodisch sauber und mit großem Aufwand durchgeführten Kinderkrebsstudien wie z. B. die deutsche KiKK-Studie), und dann die eindeutigen Befunde zu ansteigenden Krebs- und Fehlbildungsraten nach dem Tschernobyl-Unfall, die Trendänderungen bei der Perinatalmortalität und Totgeburtlichkeit (einschließlich des Geschlechterverhältnisses dabei) und letztlich auch die veränderten Sexodds bei den den Lebendgeborenen – all das signifikant hochkorreliert mit den anzunehmenden Strahlenbelastungen, die aus einigen Proxies (Falloutdepositionen, Gehalt an Radionukliden in Lebensmitteln, Körperaktivitäten) in ihrem Zeitverlauf ziemlich gut bekannt sind, entsprechend auch entfernungsabhängig nach der Lage der Länder relativ zum Unfall- bzw. Freisetzungsort, ferner die dem allgemeinen Trend der Abnahme von Krebserkrankungen völlig zuwiderlaufende Zunahme von Schilddrüsenkrebs (wohlgemerkt altersspezifisch korrigierte Inzidenzraten, also keine demographischen Artefakte – übrigens auch mit dehr deutlichen geschlechtsspezifischen Unterschieden, die Inzidenzrate ist bei Frauen erheblich höher).

    In diesen Zusammenhängen ist dann der quasi letzte Mosaikstein, nämlich qualitativ dieselben Befunde auch im Nahbereich kerntechnischer Anlagen im Normalbetrieb, zu sehen. Diese Ergebnisse passen vollkommen zu den entsprechenden Ergebnissen der Kinderkrebsstudien und verschiedenen Studien zu einzelnen Anlagen.

    Gorleben stellt dabei scheinbar ein Paradox dar. Zunächst einmal der Befund: Wir hatten an einer kleinen Teilmenge der Umgebung, nämlich der Zahlen der niedersächsischen Gemeinden, festgestellt, daß synchron mit der Einlagerung hochaktiver Abfälle die Mädchengeburten deutlich abnehmen, und zwar beschränkt auf eine gewisse Entfernung von einigen zehn Kilometern. Naheliegenderweise wurde dann verlangt, daß man das aber auch anhand der Daten der drei angrenzenden Bundesländer überprüfen müsse, was dann zunächst das NLGA gemacht hat. Wäre der Befund in Niedersachsen bloßer Zufall gewesen, dann hätte man erwarten können, daß er sich mit dem zusätzlichen unbekannten Datenmaterial relativiert bzw. nicht bestätigt – das Gegenteil war der Fall, auch die Zahlen aus den anderen drei Ländern sind mit den niedersächsischen Daten völlig konsistent. (Und an dieser Stelle wir der “Texas sharpshooter fallacy”-Vorwurf natürlich völlig absurd – man hätte die Zielscheibe um ein unsichtbares Einschußloch malen müssen.)

    Was ist jetzt an Gorleben paradox? Vorhanden sind dort Transportbehälter mit unvorstellbar hohen Aktivitätsinventaren, aber – das sind Stahlbehälter mit halbmeterdicken Wänden, durch die ganz sicher keine Materie und damit auch keine Radioaktivität hindurchtreten und entweichen kann. Auch die Deckel sind nach menschlichem Ermessen dicht: Zwischen den beiden doppelten Deckeln befindet sich eine Helium-Prüfgasfüllung mit hohem Druck, der durch fehlersichere Sensoren überwacht wird – jede Leckage des inneren oder des äußeren Deckels würde automatisch zu einem Druckabfall führen und registriert werden. Die Radioaktivität ist also in den Behältern drin und kann nicht raus, entsprechend wurde auch in der Umgebung niemals eine Radioaktivitätsfreisetzung aus dem Transportbehälterlager nachgewiesen.

    Was durch die Behälterwände hindurchkommt und unmittelbar an der Anlage (“am Zaun”) nachweisbar ist, ist Gamma- und Neutronenstrahlung. Die kann aber keinesfalls unmittelbar für beobachtete Effekte über einige zehn Kilometer in alle Richtungen in Frage kommen: Ihre Intensität nimmt mindestens nach dem quadratischen Abstandsgesetz mit der Entfernung ab (praktisch liegt sie spätestens nach wenigen hundert Metern unterhalb der Nachweisgrenze bzw. weit unterhalb des natürlichen Strahlungspegels aus terrestrischen und kosmischen Quellen); wenn ihre Wirkung so stark wäre, daß sie über mehrere zehn Kilometer noch biologisch wirksame Effekte hervorriefe, dann müßte sie an der Anlage so stark sein, daß die Menschen dort praktisch “auf der Stelle tot umfallen” müßten, was nicht der Fall ist.

    Scheinbar sind also beide denkbaren Belastungspfade – äußere Bestrahlung und Aufnahme von Radioaktivität – unplausibel. Was also kann es dann sein? Logisch betrachtet gibt es nur zwei Möglichkeiten: Es ist ein Irrtum, d. h. die unstreitig beobachtbaren Befunde haben nichts mit schädlichen Wirkungen des eingelagerten Atommülls zu tun, oder es wird eben doch Radioaktivität freigesetzt. Da die aber aus den genannten Gründen nicht aus den Behältern entwichen sein kann, müßte sie außerhalb der Behälter entstanden sein.

    In Frage käme dafür Neutronenaktivierung: Die austretenden Neutronen lagern sich an Atomkerne in der Umgebung an, die sich dadurch in Radionuklide umwandeln. (Und dafür kommt mangels anderer geeigneter Target-Kerne eigentlich nur ein einziges Radionuklid in Frage, nämlich Radiocarbon (C14), das aus dem Luftstickstoff durch die Anlagerung thermischer (energiearmer) Neutronen entsteht.) Diese Hypothese ließe sich testen: Man könnte messen, ob sich in der Umgebung (beispielsweise in Baumringen) höhere C14-Konzentrationen als anderswo finden. Leider ist das teuer: Mit einer statistisch ausreichenden Probenanzahl käme eine entsprechende Messung relativ schnell in den Millionenbereich. (Die Messung einer Einzelprobe kostet größenordnungsmäßig an die tausend Euro, aber das mal mehrere Bäume von verschiedenen Standorten mal viele Baumringe pro Baum summiert sich dann doch sehr schnell, abgesehen davon, daß die Kapazität der Beschleunigerlabors für 14C-Messungen auch begrenzt ist.) Vorab könnte natürlich einfach mal die Entstehungsrate gemessen (und mit der Theorie verglichen) werden: Es werden einfach Luftbehälter für einige Zeit an den Transportbehältern angebracht und dann im Labor bestimmt, welche C14-Menge darin entstanden ist – daraus läßt sich die Gesamtabgabe der Anlage abschätzen bzw. kann man die auch noch genauer messen.

    Eine andere Prüfmöglichkeit wäre, die Lagerbehälter so abzuschirmen, daß die austretenden Neutronen nicht mehr in die Luft gelangen können – nach einigen Jahren müßte dann der beobachtete Effekt auch wieder verschwinden. (Das ist allerdings insofern technisch schwierig, weil die Behälter auf Luftkühlung ausgelegt sind – wenn man sie von der atmosphärischen Luft isolieren wollte, wäre ein anderes Kühlkonzept erforderlich, etwa Naßlagerung oder ein geschlossener Kühlkreislauf mit einer geeigneten Gaskühlung.) Der Abtransport der Lagerbehälter hätte in dem Fall den gleichen Effekt: auch keine Quelle mehr vorhanden.

    Es ist nun die Frage, ob man dem Herrn Rings oder anderen vorwerfen kann, die Zusammenhänge nicht zu sehen: Sie wurden bisher auch nicht so intensiv kommuniziert. Eine andere Frage ist, ob er (und andere) überhaupt bereit sind, sich auf solche Überlegungen auch einzulassen. Nach Thomas S. Kuhn werden die Gegner einer neuen Theorie nicht durch Beweise überzeugt, sondern sie sterben aus. Wir müssen Herrn Rings eher dankbar sein, daß er für diese Diskussion ein Forum bereitstellt. Er kann auch nicht gut einen Rückzieher machen bzw. die ganze Sache, weil ihm inzwischen peinlich, einfach wieder löschen: Dieses Forum ist nun dank der automatischen Benachrichtigung durch stichwortgetriggerte Suchmaschinen so öffentlich geworden, daß sich das nicht mehr unter den Teppich kehren läßt.

    Beste Grüße,
    Ralf Kusmierz

  44. #45 Hagen Scherb
    05/13/2012

    Hallo Herr Kusmierz
    mir ist schon klar, was Herr Rings wollte, und dass er nichts drauf hat ist auch ganz offensichtlich. Er weiß es aber selber nicht, und ich wollte es ihm nicht so brutal klar machen. Vielen Dank für die ausführliche Zusammenfassung. Beste Grüße, HS

  45. #46 Jörg
    05/13/2012

    Stimmt, Texas Sharpshooter Fallacy ist nicht ganz richtig, es ist einfach nur Erbsen zählen für die eigene vorgefertigte Schlussfolgerung.
    Ansonsten halt das übliche Pseudowissenschaftler-Gelaber: Wir haben Recht, die Welt hat es noch nicht erkannt, Namedropping Thomas Kuhn oder irgendein anderer Schwafler, Drohungen gegen meine Karriere.

  46. #47 Hagen Scherb
    05/16/2012

    Hallo Herr Rings,

    warum haben Sie meine Hinweise (s.o) zu neuen Fakten und neuen Publikationen nicht aufgegriffen? Innerhalb eines Jahres+ hätten Sie genug Zeit gehabt. Sie haben sich so selbst in eine Lage gebracht, die Sie zu „aggressiver Ignoranz“ zwingt. Da hilft Klagen und Weinen nicht viel – nur Löschen. Es wächst Gras drüber.

    Viele Grüße, HS

  47. #48 Maxim
    05/21/2012

    @Kusmierz

    Oh je…da wird man sofort als ignorant bezeichnet, wenn man nur etwas genauer nachhakt.
    Ich möchte nur wissen, wie genau sie die Auswertung durchgeführt haben. Ich habe eindeutige Fragen gestellt. Wären Sie so nett darauf als Wissenschaftler zu antworten ohne mir dabei irgendwas zu unterstellen?

    Entschuldigen Sie mir meine Skepsis, aber viele Dinge an ihrer Arbeit machen mich doch misstrauisch. Einige Beispiele:
    1) Wie bereits mehrfach angesprochen ist die willkürlich erscheinende Festlegung der Fits. Ein genaues Beispiel: https://www.scienceblogs.de/diaxs-rake/upload/feb11/scherb2-thumb-400×135.png
    Warum geht der Fit im zweiten Plog nur bei 1986 hoch, aber davor bei 1984 nicht runter? Der Gradient ist in beiden Fällen etwa gleich groß, also warum diese Unterscheidung? Auch wenn sie “vor 1986” und “nach 1986” gegenüber stellen möchten, so ist das keine(!) Erklärung für die Fits.

    2) Wo ist die Fehlerabschätzung? Zumindest die Entfernungskoordinate sollte eine Unsicherheit aufweisen. Genauso müssten sie die natürliche Schwankungen des Geschlechterverhältnisses einbeziehen. Das ist das mindeste. Ihr Ergebnis muss am Ende eine Unsicherheit aufweisen. Ohne dürfte man die Ergebnisse gar nicht weiter interpretieren, zumindest wird es so in den Naturwissenschaften verfahren.

    3) Sie reden von einem Effekt der Strahlung. Komischerweise wird der Effekt bei Personen, die beruflich erhöhten Strahlungswerten ausgesetzt werden, nicht beobachtet. Ich zitiere aus “T. Jung, Fachgespräch NGLA, 12.03.12”:

    “Die Studien an beruflich strahlenexponierten Personen
    gegeben zusammen betrachtet keinen Hinweis auf eine
    Wirkung ionisierender Strahlung auf das
    Geschlechtsverhältnis bei Geburt.
    • Es ist nicht möglich aus den vorliegenden ökologischen
    Studien nach Tschernobyl belastbare Schlussfolgerungen für
    eine Wirkung auf das Geschlechterverhältnis zu ziehen.
    • Die Studien an den Nachkommen der Überlebenden der
    Atombombenabwürfe zeigen insgesamt gesehen keinen
    Effekt auf das Geschlechterverhältnis bei Geburt.”

    Das ist ein klarer Widerspruch zur ihrer These.

    Sie reden von Neutronenaktivierung in einer Entfernung von 20-40 km! Ich halte von dieser These zwar wenig (weil physikalisch unplausibel, aber ich bin nur ein Lehrling und könnte mich irren), aber man kann es auch ohne Millionenaufwand mit einer MC-Simulation überprüfen.

    Letzte Frage: Woher bekommt man die Geburtenstatistik? Ich würde mal damit etwas rumspielen.

  48. #49 Ralf Kusmierz
    05/21/2012

    Hallo, Herr/Frau Maxim,

    ich habe Ihnen gar nichts unterstellt, sondern nur die Redlichkeit der Motive von Herrn Rings angezweifelt. Und ignorant habe ich Sie ebenfalls nicht genannt, sondern nur festgestellt, daß Sie das Publikationsumfeld ignorieren – in meinem Sprachgebrauch ist das ein Unterschied. (Ich gehe davon aus, daß Herr Rings und Sie unterschiedliche Personen sind, maW Sie also keine Rings-Sockenpuppe sind – es besteht insofern auch kein Anlaß, daß Sie auf Herrn Rings bezogene Äußerungen gesamtschuldnerisch auf sich beziehen. Oder fühlen Sie sich vielleicht ebenfalls – für mich unverständlicherweise – Drohungen gegen Ihre Karriere ausgesetzt? Wo Herr Rings letzteres hernimmt, ist mir nicht nachvollziehbar – vielleicht verwechselt er seine diversen Arbeitsfelder oder fühlt sich anlaßlos verfolgt.)

    Zu den einzelnen Punkten:

    1) Die Frage, warum denn kein Sprung 1984, ist einfach zu beantworten: Weil das in das Modell nicht hineingesteckt wurde. Es geht nicht darum, nach Art von Data mining zu schauen, wie man schön Sprungfunktionen an Datensätze anpassen kann, sondern es gab die klare Fragestellung, ob sich eine zeitliche Korrelation mit dem Tschernobyl-Unfall zeigt, also, ob man 1986/87 einen signifikanten Sprung in einem Modell “linearer Trend plus Sprung” findet. Den findet man, mehr war nicht ausgesagt. Und damit /ist/ das sehr wohl eine Erklärung – das kommt genau so heraus, wenn man lege artis rechnet.

    Nachzusehen, wo man denn noch Sprünge finden könnte, wäre genau die unseriöse Vorgehensweise, die man uns gerne vorwirft – insofern aber in beide Richtungen zu Unrecht, weil Data mining kein Verbrechen, sondern ein sinnvolles Vorgehen ist, um zu schauen, ob man etwas sieht – viele Entdeckungen (auch in den Naturwissenschaften) wurden gemacht, weil jemandem etwas bemerkenswert vorkam.

    (Anekdotisch: Luigi Galvani hat (falls die Sache überhaupt stimmt) die “tierische Elektrizität” doch nicht entdeckt, weil er systematisch der Fragestellung nachgegangen ist, ob Tiere “elektrische Effekte” zeigen, sondern zufällig bemerkt, daß Froschschenkel bei elektrischer Erregung durch ein ebenfalls zufällig vorhandenes “galvanisches Element” zucken. (Die richtige Erklärung hat dann später Alessandro Volta gefunden.))

    Genauso wurde für die Untersuchung der Entfernungsabhängigkeit nicht geschaut, ob und wo etwas “schön aussieht”, sondern die zu testende Hypothese bezog sich – ebenfalls in Ablehnung an die KiKK-Studie – auf die gegebenen Betriebszeiten der Nuklearanlagen.

    2) Wie ich schon anderweitig erwähnte: Der Begriff “Fehler” ist für die gewählte Auswertungsmethode sinnlos – die Ausgangsdaten (Geburtenzahlen) muß man als exakt annehmen (woran man natürlich auch Zweifel haben kann), deren Verlauf wird durch ein “willkürlich” (bzw. mit Bedacht) gewähltes Modell beschrieben. Dieses Modell gibt die Zeitverläufe natürlich nicht exakt, sondern nur approximativ wieder. Das beschreibt man aber nicht durch Streubalken an den Daten (die, wie gesagt, exakt sind), sondern durch statistische Parameter für die Modellgüte, in diesem Fall den p-Wert. Darin bzw. in den angegebenen Konfidenzintervallen der Modellparameter steckt die von Ihnen angemahnte Unsicherheit – in den Graphiken suchen Sie die vergeblich. Die Reviewer haben das wohl genauso gesehen – es ist das übliche Verfahren.

    Ob und welche langfristigen Trends und Trendänderungen es gibt, können Sie sich anhand langer Zeitreihen ansehen, die Sie von den nationalen und internationalen Statistikbehörden bekommen können – Herr Scherb hat in seinen Vorträgen Quellen angegeben. Generell sieht man einen starken Anstieg des sekundären Geschlechterverhältnisses während der Weltkriege und in sonstigen Not- und Krisenzeiten. Diese hohen Werte gehen nach 1945 langfristig zurück – das ist der global feststellbare Abwärtstrend. (Die Mechanismen sind weitgehend unbekannt.)

    (Hinsichtlich der Positionsgenauigkeit haben Sie natürlich recht – ziemlich prinzipiell können Positionen von geographischen Gemeindezentren die Wohnorte der Mütter nicht exakt wiedergeben. Aber diese Größe ist ohnehin ungenau bzw. verwaschen: (Fast) niemand hält sich sein Leben lang immer nur in seiner Wohnung auf, sowohl Mutter als auch Vater bewegen sich privat und beruflich und sind verschiedensten Einflüssen – Ernährung, Lebensgewohnheiten – ausgesetzt, insofern ist die Validität dieser Eingangsgröße nur begrenzt. Das ist das grundsätzliche Problem der Fehlklassifikation von Daten – statistische Datensätze messen bzw. widerspiegeln nie nur exakt das, was man gerne wissen möchte (in diesem Fall die Strahlenbelastung). Die Verwendung des Raumbezugs orientiert sich an der Methode der KiKK-Studie, die sogar die genauen Wohnadressen der Kinder zur Verfügung hatte – das ist aber der gleichen grundsätzlichen Kritik ausgesetzt. Man muß die Daten nehmen, wie sie sind – etwas Besseres gibt es halt nicht. Wenn Sie sich das aber im Detail ansehen, dann werden Sie ebenfalls feststellen, daß die Positionsunschärfen keinen erheblichen Einfluß auf das Ergebnis haben – versuchen Sie einfach, “worst cases” zu konstruieren, als im Rahmen des sinnvoll Möglichen Punkte in “günstige” oder “ungünstige” Lagen – z. B. an den proximalen oder distalen Stadtrand – zu verschieben, da tut sich nicht viel.)

    3) Herr Jung ist ein leitender Wissenschaftler des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS). Er wie auch die Behörde vertreten eine andere Meinung als wir. Finden Sie das jetzt wirklich überraschend? Sie zitieren eine Zusammenfassung der von ihm vorgetragenen Position – um beurteilen zu können, ob diese zutreffend ist, wird es sich wohl nicht umgehen lassen, im Detail zu überprüfen, ob seine Argumente auch valide sind oder auf einer subjektiven Bewertung und Quellenauswahl beruhen. (Daß es keine Debatte über eine Studie gegeben hätte, die eine anerkannte Lehrmeinung bestätigt, dürfte irgendwie klar sein.)

    Neutronenaktivierung: Das ist natürlich nur eine Hypothese. Selbstverständlich würde die Aktivierung selbst nicht über viele Kilometer wirken, sondern sie würde in der Nähe der Transportbehälter (so weit, wie deren Neutronenemissionen über dem natürlichen Strahlungspegel liegen, max. wenige 100 m) Radioaktivität in der Luft produzieren, die dann mit den Luftströmungen in der Umgebung verteilt würde, genau wie die radioaktiven Emissionen aus den KKW-Schornsteinen. (Bedenken Sie, daß die Behälter jeweils 10-20 kW Wärme abgeben. Insgesamt produzieren sie also im Megawattbereich Wärme, wodurch über dem Lager warme Luft aufsteigt, ungefähr in einem Bereich wie über einem sonnenbeschienenen fußballfeldgroßen Areal – das kann schon eine ganz ordentliche Thermik verursachen und sich ähnlich wie ein hoher Kamin auswirken.) Entscheidend dabei ist: Diese indirekten Emissionen würden dem vorhandenen Meßprogramm ggf. durch die Lappen gehen. Und Sie haben recht: Das sollte sich auch theoretisch simulieren wie auch messen lassen, wenn man gezielt danach sucht. Leider ist Radiocarbonmessung umständlich, das geht nämlich nicht mit Gammadetektoren.

    Zu den Daten: Die sind von den Statistischen Landesämtern erhältlich, teilweise online herunterladbar, teilweise nur gegen Bezahlung. Rechnen Sie für die kompletten verfügbaren Daten aus Deutschland mit knapp 2000 Euro Gebühren (tut mir leid, ich mache die Preise nicht), für die Zeit vor 1990 bekommen Sie aber aus Hamburg und Schleswig-Holstein nur Kopien gedruckter Listen statistischer Berichte, die müssen Sie dann noch digitalisieren. Zusätzlich müssen Sie sich die Gemeindekoordinaten von ca. 15000 Gemeinden verschaffen – erhalten Sie (ebenfalls gegen Gebühr) vom Bundesamt für Geodäsie und Kartographie (BKG).

    Die Angelegenheit ist fehlerträchtig: Sie müssen darauf achten, ob die Zahlen auf die aktuellen oder die jeweiligen Gebietsstände bezogen sind – die Unterschiede ergeben sich, weil es fortwährend Gebietsreformen gibt (in der Tendenz werden immer mehr Gemeinden aufgelöst und zusammengelegt, gelegentlich wechseln Gemeinden oder Teile davon auch durch Staatsverträge ihre Zugehörigkeit zu Bundesländern). Es kommen sogar Fälle vor, daß Gemeinden “wandern”: Zunächst fusionierten bestehende Gemeinden, später wurde die neuentstandene Gemeinde wieder aufgelöst, dabei entstanden neue, von denen einige wieder die vorherigen Gemeindenamen annahmen, aber nicht mehr gebietsidentisch mit den alten Gemeinden waren – die Gemeinden sind quasi “umgezogen”. Was auch ganz real vorkommt: Eine Siedlung wird wegen Großvorhaben (Braunkohletagebau, Anlage eines Flughafens etc.) devastiert, an anderem Ort wird eine Neubausiedlung mit der Bevölkerung und dem Namen der alten Gemeinde angelegt und statistisch mit der alten Gemeindekennziffer weitergeführt. Es bestehen ferner zahllose Verwechslungsmöglichkeiten wegen namensgleicher Gemeinden, ferner kommen in den Gebietsstandsänderungen auch Namensänderungen vor. Rechnen Sie ein Jahr Arbeitszeit, bis Sie die Daten beisammen haben. Sie haben bitte Verständnis dafür, daß ich Ihnen die aufbereiteten Daten auch nicht kostenlos zur Verfügungs stellen kann.

    Fehler sind praktisch unvermeidlich: Dem NLGA sind wegen genau solcher Pannen in seiner Studie in der Größenordnung 1000 Geburten durch die Lappen gegangen – wir haben die Daten ausgetauscht und verglichen. Wir hoffen, es überwiegend richtig zu haben – garantieren kann man das nicht, die Reviewer haben mit gutem Grund darauf verzichtet, die Quelldaten zu überprüfen – wäre praktisch wohl auch nur stichprobenweise möglich. Die einzige unabhängige Überprüfung war die NLGA-Studie – die hat im Rahmen des Machbaren dasselbe herausbekommen wie wir. (Die Quelldaten der KiKK-Studie kann ich nicht überprüfen – eine der darin angegeben KKW-Positionen (Lingen) ist allerdings, wie ich festgestellt hatte, um einige hundert Meter falsch (was heißt, daß die übrigen korrekt sind), daraufhin mußte das IMBEI seine Ergebnisse auf Wunsch des BfS nachrechnen – es kam annähernd dasselbe heraus.)

    Mit freundlichen Grüßen
    R. Kusmierz

  49. #50 Hagen Scherb
    05/21/2012

    Hallo Frau/Herr Maxim,

    Ihr Anspruch

    “Wären Sie so nett darauf als Wissenschaftler zu antworten ohne mir dabei irgendwas zu unterstellen?”

    kollidiert mit Ihrem anonymen Auftreten hier. Finden Sie nicht? Haben Sie etwas zu verbergen? Warum treten Sie nicht mit “Klarnamen” auf? Dann würden wir Ihnen sehr gerne “Sonderdrucke.pdfs” schicken, die Ihre Fragen (teilweise) beantworten könnten.

    Viele Grüße, HS