Schaut euch dieses Bild an:
Ist es nicht eine glorreiche Darstellung in diesem bekannten Bild von Andres Serrano? Der Heiland am Kreuz, gestorben fuer unsere Suenden, umstrahlt von der Guete der Selbstaufopferung, im goldenen Lichte der Hoffnung, die Religion spendet. Das Bild strahlt ein erhabenes und begruessendes Gefuehl aus. Jedenfalls solange, wie man nicht weiss wie es entstanden ist. Dann naemlich wird es zu Kunst.
Andres Serrano hat fuer sein Bild Immersion (Piss Christ) den allseits bekannten Kadaver-am-Stiel in einen Behaelter mit seiner eigenen Pisse gesetzt und mit einer alten Phototechnik aufgenommen. Und dort, wo die Ebenen der Form und des naiven Anscheins aufeinandertreffen, entsteht die Kunst.
Die Interpretationsmoeglichkeiten sind natuerlich vielfach, ganz frei von den religioesen Motiven waere schon die Meta-Ebene um Form und Inhalt wuerdig fuer ein Kunstwerkes. Aber richtig durch kommt das erst durch das religioese Motiv. Serrano selbst sieht es als eine Botschaft gegen die Kommerzialisierung der Religion oder des spirituellen Kernes, aber das empfinde ich als arg schwache Interpretation. Aber Kunst ist schliesslich Kunst, weil sie den Beobachter anregt und nicht weil sie eine feste Botschaft enthaelt. Ich jedenfalls koennte mir kaum ein schoeneres Sinnbild fuer den Goldenen Schein der Religionen vorstellen.
Und natuerlich trifft man ordentlich Nerven, wenn man ein bisschen an der Kuscheldecke vom religioesen Wohlfuehl-Discounter zerrt. Und so haben sich jetzt auch in Frankreich wieder ein paar Fanatiker gefunden, die vor Gewalt nicht zurueckschrecken, um ihre unsichtbare Schutzschicht vor der Realitaet zu verteidigen. Offenbar angestachelt von rechten Haken Sarkozys im Wahlkampf, hat sich zunaechst eine rechtskonservative Protestbewegung gegen die Ausstellung von Piss Christ in Avignon gebildet. Nach einer Demonstration mit mehr als 1000 Teilnehmern am Samstag wurden die Sicherheitsmassnahmen erhoeht und das Foto mit einer Plexiglasabdeckung geschuetzt, ausserdem wurden zwei Waechter abgestellt.
Am Sonntag dann haben vier junge Vandalen sich berufen gefuehlt, die Waechter mit Haemmern zu bedrohen, das Plexiglas einzuschlagen und das Foto mit einem scharfen Gegenstand aufzuschlitzen. Sie zerstoerten auch ein weiteres Werk, das die Haende einer betenden Nonne zeigte.
Aber – oh goettliche Ironie – jetzt ist Piss Christ eben wieder in den Nachrichten, und das Schoenste ist: Das zerstoerte Foto wird wieder ausgestellt werden.
Kommentare (12)