Krebs ist eine Krankheit, die schon lange bekannt ist und teilweise in ägyptischen Mumien gefunden werden konnte, die aber lange als unheilbar galt und auch heute noch eine der häufigsten Todesursachen ist, und aufgrund ihres unsicheren Verlaufs und der harten Behandlungsmethoden besonders furchteinflößend ist. Dem Krebs eine Biographie zu widmen, die einen Weg durch die wissenschaftlichen wie menschlich-persönlichen Geschichten findet, das ist Siddhartha Mukherjee so vorzüglich gelungen, dass ich “The Emperor of All Maladies” fast uneingeschränkt als eines der besten populärwissenschaftlichen Bücher empfehlen kann.
Krebs ist nicht eine Krankheit, Krebs ist eine ganze Familie an Krankheiten, deren Gemeinsamkeiten wir erst seit kurzem kennen und dessesn Wandlunsfähigkeit immer noch erschreckend und undurchdringlich erscheint. Die Abfolge an Mutationen, die notwendig ist um eine Zelle zur Krebszelle werden zu lassen ist ziemlich lang, aber erstmal muss sie nicht gleichzeitig geschehen, und andererseits reicht es auch aus, wenn eine Zelle anfängt sich unkontrolliert und mit ausgeschaltetem Selbstzerstörungsmechanismus zu vermehren, zu verbreiten und schließlich den Körper zu überwältigen.
Die Geschichte der Behandlung – jetzt losgelöst von den menschlichen Tragödien betrachtet – ziemlich lehrreich. Jede Methode, die sich durchsetzte, musste gegen starke Widerstände ankommen; egal ob radikale Operationen, Chemotherapien oder Bestrahlungen. Denn schließlich war jede dieser Methoden hochgefährlich in sich selbst, und keineswegs ein Allheilmittel.
Mit der Etablierung wissenschaftlicher Studien und ethischen Normen, die mit Krebsforschung einher ging, drehte sich das Spiel dann teilweise so um, weil z.B. Medikamentenkombinationen zur Chemotherapie mühselig einzeln und in steigenden Dosen jeweils in einzelnen Studien getestet wurden. Insgesamt bekommt man das Gefühl, dass jeder Schritt Jahre kostete, egal ob Lobbying für Forschungsgelder oder die Etablierung einer besseren Methode nachdem nachgewiesen wurde dass eine andere nicht funktioniert (z.B. radikale Mastektomie). Aber im Nachhinein ist man immer schlauer, nur fühlt man sicher als Leser noch machtloser gegenüber der Krankheit auf der einen Seite und der trägen Gemeinschaft auf der anderen Seite.
Mukherjee verliert aber nie die Menschen aus den Augen, die Ärzte sind komplette Personen mit Stärken, Schwächen und Gefühlen. Das Leben der Patienten verändert sich komplett: Sie leben nicht mit Krebs, der Krebs ist ihr Leben. Sie finden sich in der Parallelwelt der Kliniken, der Tests, der Hoffnung auf neue Methoden oder darauf, dass die Remission auch länger als drei Monate hält. Und auch das musste erst einmal erkämpft werden: Dass keine Chance auf Heilung kein Versagen des Arztes bedeutet und dass pallative Begleitung ein wichtiger Teil der medizinischen Arbeit ist.
Die letzten Kapitel des Buches werden etwas technischer, wohl auch weil die historische Perspektive noch nicht da ist: Wie schwierig es ist, den Nutzen von Vorsorgemaßnahmen wie allgemeines Screening zu bewerten, weil selbst kleinste Ungenauigkeiten in der Zufallsverteilung der Patienten die Studie zerstören kann; wie schwierig es überhaupt ist ein Maß zu finden um zu bewerten ob wir im Kampf gegen Krebs Fortschritte machen; und schließlich, was die Zukunft bringen kann, was wir gerade Neues lernen über die Genetik der Krebse.
Nochmal: Dies ist ein mächtiges Buch. Mächtig packend geschrieben, facettenreich, und es ermächtigt den Leser mit Wissen um die Krankheit vor der jeder Angst hat.
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