Der Aufbau der Erde im Inneren ist nicht besonders einfach herauszufinden. Einfach mal eben 3000 km tief bohren geht natürlich nicht, nachschauen können wir also höchstens in Tiefen die einem Kratzen an der Haut gleichen. Durch genaue Beobachtung aber können wir trotzdem etwas über das Innere erfahren – wie Wegener z.B., der durch Beobachtung der Kanten der Kontinente auf die Kontinentaldrift schloss; eine Theorie die sich erst in den 60ern durchsetzte, nachdem man die Geologie des Meeresbodens besser verstanden hatte.
Vor allem aber auch seismische Wellen lassen Rückschlüsse auf den Aufbau des Erdinneren zu – also die Vermessung von Erdbeben rund um den Globus. Was da so an Wellen vom gleichen Ausgangspunkt durch unterschiedliche Teile der Erde gewandert ist um an einem der Seismographen irgendwo anzukommen, bringt Informationen über das Material entlang des Weges mit sich.
Und so haben wir ein ganz gutes Bild vom generellen Aufbau der Erde:
Kruste, Oberer und Unterer Mantel, Äußerer und Innerer Erdkern. Wir wissen etwas über die mechanischen Eigenschaften und welche Elemente sich so generell dort finden lassen. Aber die genauere Zusammensetzung der Schichten ist nicht sehr gut bekannt – z.B. der Anteil an radioaktiven Elementen und ihren Zerfallsprodukten.
Warm ists in der Erde
Und so existieren natürlich auch verschiedene Modelle über die genaue Zusammensetzung – die sich irgendwie experimentell oder an Messdaten unterscheiden lassen sollten. Bekannt ist das Bulk Silicate Earth (BSE)-Modell, das annimmt das die Erde sich wie der Rest des Sonnensystems aus der gleichen Urgaswolke geformt hat, und daher auch Kruste und Mantel in der Zusammensetzung hinsichtlich der radioaktiven Elemente derer aus Chondriten, der häufigsten Art an Steinmeteoriten, und an Peridotiten aus dem Erdmantel gleicht.
Diese Zusammensetzung wird wichtig, wenn man danach fragt wo die Wärme im Erdmantel herkommt. Grundsätzlich gibt es zwei mögliche Quellen: Übrig gebliebene Urhitze aus der Formung des Planeten und Energie die von radioaktiven Zerfallsketten freigesetzt wird (radiogene Wärme). Im BSE-Modell stammt etwa die Hälfte der Wärme aus radiogenen Quellen.
Das heißt, das wir besser verstehen, wo die Wärme der Erde herkommt, wenn wir den Anteil an radioaktiven Elementen vermessen könnten. Aber die Strahlung kommt niemals so weit heraus – wie sollte das also gehen?
Ein 1000 Tonnen Neutrinodetektor
Neutrinos sind extrem leichte Teilchen, die in Zerfällen entstehen. Der bekannteste Zerfall ist der des Neutrons in Proton, Elektron – und Antineutrino. Neutrinos werden auch in den Fusionsprozessen im Inneren von Sternen frei. Und da sie quasi ungehindert durch alle Materie durchkommen, bieten sie die Möglichkeit, ferne Prozesse zu untersuchen – und auch nähere aus dem Erdinneren. Dafür muss man sie erst einmal fangen.
Wer wissen will, wie das geht, kann auch mal in ältere Artikel hineinsehen. Die ersten Experimente machten sich auf die Suche nach Sonnenneutrinos, wie Homestake oder Kamiokande. die Detektoren waren große Tanks mit einer Flüssigkeit, umgeben von Photodetektoren. Wenn ein Neutrino dann dort drin selten einmal doch eingefangen wird, passiert der umgedrehte Neutronenzerfall, bei dem sich Proton, Elektron und das (Anti)neutrino zu einem Neutron kombinieren; außerdem wird ein Lichtblitz freigesetzt. Neuere Experimente wagen sich auch an Neutrinos mit deutlich höheren Energien, die uns einen Einblick in das ganz frühe Universum bieten könnten; oder auch niedrigere Energien, die Neutrinos im Zerfall radioaktiver Elemente im Erdkern mitbekommen. Diese nennt man Geoneutrinos.
Ein Detektor der diese Geoneutrinos finden kann, ist KamLAND, ein 1000 Tonnen Tank mit Erdöl und Benzen. Er steht wie der Klassiker SuperKamiokande in der Kamioka-Mine unter dem Berg Ikenoyama in Japan. Er war der erste, der Geoneutrinos fand, gefolgt von Borexino in der Gran Sasso-Mine in Italien.
Neutrinos sortieren
Das ist also unser Fenster in den Erdmantel – Neutrinos aus radioaktiven Zerfällen. Seit den ersten Messungen in 2002 hatte man erkannt, dass eine noch bessere Kontrolle des Untergrundes und Verbesserungen am Detektor notwendig waren – wie man es immer weiß und plant. Daher konnte man nach 2007 den etwa 20 gezählten Geoneutrinos etliche hinzufügen – und mit 106 erstmals eine Zahl präsentieren, die stattlich genug war um Modelle des Erdmantels zu testen.
106 ist eine verdammt kleine Zahl für so viele Jahre. Vor allem, wenn man bedenkt, dass sekündlich etwa 60 Milliarden Sonnenneutrinos jeden Quadratzentimeter treffen (ich weiß nicht genau, wie hoch der Geoneutrino-Fluss ist, vermutlich deutlich kleiner aber mmer gewaltig höher als 106 in 7 Jahren).
Da muss man aber erstmal hinkommen. Die gesuchten, mit KamLAND auffindbaren Antineutrinos, stammen aus Uran238 und Thorium-Zerfällen im Energiebereich zwischen 0.9 und 2.6 MeV. In diesem Bereich hat der Detektor 841 Antineutrinos gefunden. Da muss man alle heraussortieren, die aus anderen Zerfällen stammen und aus dem Hintergrund – alles Ereignisse, die die Geoneutrinos maskieren. Dazu gehörte neben “üblicher” Aufklärarbeit, also alle anderen Quellen abschätzen, auch die Einbeziehung aller japanischen Kernreaktoren mit den unterschiedlichen Arbeitenm die daran geschahen. Und da blieben eben 106 übrig.
BSE
Und, nein es ist nicht Rinderwahn, es ist immer noch das Bulk Silicate Earth-Modell BSE, das sich bewährte. Angesichts der kleinen Ausbeute an Neutrinos (trotz Zusatz der Borexino-Daten) konnte man natürlich nur eine sehr einfache Variante testen, mit Annahme gleicher Verteilung an Uran und Thorium überall im Mantel z.B.
Dann konnte aber mit sehr hoher Sicherheit gezeigt werden, dass z.B. dass die Neutrinos wirklich aus dem Erdmantel stammen, dass das BSE wohl stimmt, dass das angenommene Verhältnis von Thorium und Uran von 3.9:1 mit den Messungen vereinbar ist; und letztlich auch dass wie angenommen etwa die Hälfte der Wärme des Erdmantels aus radioaktiven Zerfällen stammt.
Mit zwei Detektoren hat man allerdings nur lokale Messungen. Daten weitere, genauerer Detektoren werden helfen, die Modelle des Erdmantels zu verfeinern.
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