Schnell noch ein Wort zu den angeblich überlichtschnellen Neutrinos, bevor man endgültig nichts mehr davon hört, denn jetzt muss neben der Relativitätstheorie auch noch das Standardmodell verletzt werden…
Schon kurz nach der öffentlichen Weltpremiere des schon fast eingereichten Paper, das im OPERA-Detektor Neutrinos gesehen haben will, die schneller waren als das Licht, haben sich die Theoretiker Andrew Cohen und der Nobelpreisträger Sheldon Glashow die Sache einmal angesehen und festgestellt, dass überlichtschnelle Neutrinos eigentlich durch Strahlung sehr schnell wieder abgebremst würden, deutlich schneller als dass sie in OPERA so zu sehen sein dürften. Cohen und Glashow sind hingegangen und haben konsequent die Regeln des Standardmodells auf das vermeindliche Phänomen angewandt.
Und dabei kommt ein Analog zum Tscherenkov-Effekt heraus. Bei letzterem Effekt verlieren elektrisch geladene Teilchen, die sich schneller als die Lichtgeschwindigkeit in einem Medium bewegen*, schnell durch Abstrahlung von Licht Energie; und entsprechend würden nach Cohen und Glashow Neutrinos, die schneller als die Relativitätspolizei erlaubt unterwegs seien, rapide durch Abstrahlung von Elektron/Positronpaaren Energie verlieren. Die Neutrinos hätten es gar nicht so schnell zu OPERA schaffen dürfen!
Und dann gibt es neben OPERA in der Gran Sasso-Mine auch noch einen weiteren Neutrino-Detektor: ICARUS. Dieser Detektor wird genauso wie OPERA mit Neutrinos vom CERN gespeist, hat aber den Vorteil mit Flüssigargonkammern ausgestattet zu sein, um die Spuren von Myonen aus Myon-Neutrinos aufzulösen und die Energie des Neutrinos zu berechnen.
Und das haben die Forscher_innen dort jetzt ausgenutzt, um mit ihren bisher vorhanden Daten (100 Ereignisse) einmal anzusehen, ob die Energieverteilung ihrer Neutrinos eher dem Standardmodell gleicht oder ob da überlichtschnelle Neutrinos dabei waren, die Energie nach dem Cohen-Glashow-Effekt verloren haben.
Hier die beiden Kurven im Vergleich:
Die blauen Kreuze geben die Messdaten an, also die Energieverteilung der eintreffenden Neutrinos, die rote Kurve die Vorhersage aus dem Standardmodell und die violette Kurve den Verlauf den man mit den Daten aus OPERA und dem Cohen-Glashow-Effekt zu erwarten hätte.
Da braucht man nicht viele Worte drauf zu verwenden, da stimmt das Standardmodell und die Neutrinos an ICARUS sind niemals schneller als das Licht gewesen.
Natürlich bleibt da noch wenigstens ein Ausweg: Es könnte auch der Cohen-Glashow-Effekt falsch sein. Dann müssten aber, damit die überlichtschnellen Neutrino an OPERA wirklich wären, und es nicht nur ein noch nicht entdeckter technischer Einfluss ist, neben der Relativitätstheorie auch am Standardmodell etwas nicht ganz richtig sein. Eventuell kann es auch etwas sein wie die oft vorhergesagten sterilen Neutrinos, die ominöse vierte Art die auch keine Schwache Wechselwirkung macht aber doch mit den übrigen Typen oszilliert.
Aber das ist dann alles endgültig so unwahrscheinlich, dass ich mal vertrauensvoll behaupte: Das war es dann für überlichtschnelle Neutrinos.
*Nicht schneller als die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum!
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