Wir haben uns gestern The Tree of Life mit u.a. Brad Pitt, Jessica Chastain und ein bisschen Sean Penn angesehen. Der Film war schwer verständlich, absichtlich verwirrend, teilweise zäh, teilweise wunderbar, und im Nachhinein völlig überraschend tief bewegend. So ganz ist mir nicht klar, um was es geht, aber ich versuche mich einmal an ein paar Worten dazu.

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Die Erzählteile spielen vor allem im Mittleren Westen der 50er Jahre. Drei Brüder wachsen dort gemeinsam auf und genießen ihre Zeit mit ihrer Mutter vor allem, wenn ihr Vater, gespielt von Brad Pitt, auf Reisen ist. Der kompensiert seine eigene Unzufriedenheit vor allem damit, ein militärisch strikter Gewaltherrscher über seine Familie zu sein. zwei Brüder sterben. Und in der Gegenwart kämpft der erwachsene überlebende Bruder (Sean Penn) mit einem neuen Verlust, und spielt die Ereignisse seiner Jugend wieder um darin Kraft zu finden: In der Erinnerung leben verlorene Menschen wieder.

So interpretiere ich es jedenfalls. Die Sean Penn-Szenen sind sehr kurz, und die Erinnerungen an die Jugend sind zerstückelt, nicht chronologisch, aber es gibt auch keinerlei Hilfen, die es ermöglichen würden die Chronologie zu ordnen, im Gegenteil. Aber ich finde die Erzählart sehr dicht daran angelehnt, wie unsere Erinnerung funktioniert. Ich denke, es soll einen Denkprozess darstellen, bei dem Sean Penn zusammensetzt, wie er mit dem Verlust seines ersten Bruders umgegangen ist um sich schließlich endlich selbst besser zu finden.

Das ist noch nicht alles, nach der Einleitung des Films schließt sich ein etwa 20minütiger Teil an, der in gewaltigen Bildern die Entstehung des Sonnensystems, der Erde, des Lebens und der Evolution erzählt. Inklusive Dinosauriern. Erinnert etwas an das Ende von 2001.

Tja, mehr hab ich nicht dazu. Der Film ist sicher nicht für jeden, aber ich denke wenn man sich darauf einlassen kann wird man getroffen, wo man es nicht mehr in Worte fassen kann.

Hat jemand den Film gesehen und mehr Ideen, was er sagen soll?

Kommentare (11)

  1. #1 sebix
    10/31/2011

    Hab ich ein tachyonisches Internet?

  2. #2 sebix
    10/31/2011

    Jetzt stimmt die Veröffentlichungszeit, vorher war die 01.11.2011 / 00:15 😀

  3. #3 florian
    10/31/2011

    Ich fand den Film, im Gegensatz zu einigen meiner Freunde mit denen ich im Kino saß, fast nicht schlecht; irgendwie versuchend, anhand einer, auf den ersten Blick, eher zufällig ausgewählten Familie, alles! was im Leben, auf der Erde und darüber hinaus so ist in eine Spielfilmdauer zu packen. Oberflächlich nur darstellend, nichts erklärend. Unzählige genial ausformulierte Details, so nebenbei, rein visuell doch ein absoluter Genuss…
    Warum mir ich mir dann doch 20 min vor Schluss überlegt habe den Saal zu verlassen, war, dass ich die am Ende offensichtlich werdenden, triefend christlichen Darstellungen zum kotzen fand! Die Mutter als Engelsähnliches, der Vater als das Böse und im Himmel alle vereint … um nur das zu nennen was hängen blieb, is schon ne Weile her. Boa, die Himmelsszene war echt furchtbar!
    Wenn schon eine religiöse Idee in einem Film steckt, find ich es als katholisch sozialisierter ungläubiger Mitteleuropäer irrsinnig fad das Christentum heranzuziehen. Dazu dass der Film aus den USA kommt, in denen ich auch ein Jährchen verweilte, kann ich nur sagen dass gerade dort nur der harte Kern an der alten europäischen Religion hängt und dies, bezüglich aller Beteiligten, umso trauriger stimmt.
    …bildgewaltig genial aber im Grunde uralt.

  4. #4 ali
    11/01/2011

    Ich habe den Film nicht gesehen. Erinnerte mich aber an diesen Text hier, der angeblich in einem US Kino aufghängt wurde und musste schmunzeln. Deckt sich mit deiner Besprechung.

  5. #5 KommentarAbo
    11/01/2011

  6. #6 Buck Rogers
    11/01/2011

    Ich wusste auch nicht was ich von dem film halten sollte. Dieses ganze religioese Gedoens der jungen Familie und die enstehenden Zweifel was es ueberhaupt damit soll, als denn die Brueder sterben und der Vater sich als Tyrann entpuppt. Da kann man nur froh sein nicht so religioes und zwiespaeltig aufgewachsen zu sein. Darum geht es wohl. Kann die Welt auch ohne Gott funktionieren? Deswegen diese Szenen mit der Erdentstehung usw. Man fragt sich: Begreifen die das jetzt mal, dass das der Glaube Quatsch ist? Der Vater, der Widerspruch in Person. Der zweifelnde Sohn, der seinem Vater den Tod wuenscht. Die deprimierte Mutter, die nichts aendern kann. Und immer am beten. Und am Ende? Am Ende treffen sich alle am Meer (im Himmel) wieder, oder was soll der Schluss bedeuten? Am Ende haben sich alle lieb. Aber man kann den Amis ja auch nicht zu viel zumuten.
    Die Kernaussage ist wohl: Der beste Wille zum Glauben bringt nichts, weil alles eh nur Schein ist. Gott kuemmert sich nicht um jeden einzelnen Menschen. Fuer die geistige Gesundheit ist man selbst verantwortlich. Der Rest ist einfach so, wie sich die Natur verhaelt. Evolution from the start.
    Aber der Schluss…? Ein Kompromiss. Bloss nicht zu deutlich werden. Die Glaeubigen sollen auch noch ihren Spielraum zur Interpretation behalten, denn auch Christen gehen ins Kino.

  7. #7 Schlüter
    11/01/2011

    Ja, die Filme von Terrence Malick sind einzigartig.

    Der Film hat grob 2 Ebenen. Eine poetische, meisterwerkhafte audiovisuelle, die in fast
    allen Mainstreammedien hervorgehoben wurde. Die 20 minütige “Schöpfung” ist
    beeindruckend, die klassische, z. T. sakrale Musik dazu ergreifend. Hier wird Malick seinem Ruf als “Poet des Kinos” gerecht.
    Was er versucht ist letzendlich eine Welterklärung, und die Bilder sprechen
    viele und auch mich , ich sage mal “spirituell” , sehr an. Das meintest du
    glaub ich mit “[…]wird man getroffen, wo man es nicht mehr in Worte fassen kann.”

    Die zweite, inhaltliche Ebene jedoch offenbart, das dieses Erklärungsmodell, diese
    Weltsicht, ein religiöses, ja sogar ein fundamental christliches ist.
    florian und Buck Rogers haben den Film dahingehend durchschaut.
    Ich würde ihn sogar schon als christlichen Propaganda Film sehen.

    Der Film ist deshalb interpretationsbedürftig, weil diese christliche Symbolik schleichend kommt und von den “Nicht-Christen” nicht sofort erkannt wird.
    Aber spätestens am Ende, dem Jenseits/ Himmel, sollte einem klar werden,
    was die Botschaft ist. Das Familiendrama selber hat autobiografische Hintergründe.

    Die beste Filmanalyse dazu, lang, aber unbedingt lesenswert, findest du von einer Literaturwissenschaftlerin, die die Bibelreferenzen aufzeigt, auf
    https://www.filmzentrale.com/rezis2/treeoflifecs.htm

  8. #8 ludo
    11/01/2011

    @florian und @Buck Rogers:
    Wieso bitteschön sollte denn ein Film, nur weil er sich mit philosophischen Fragen auseinandersetzt, zwangsläufig auf ein mit aufdringlich belehrendem missionarischem Eifer verkündetes Bekenntnis zum Atheismus hinauslaufen müssen?
    Dass dieser Film es nicht tut ist keineswegs ein “Kompromiss” um den “dummen Amis” nicht so viel zuzumuten (im Gegenteil, er ist geradezu ein Paradebeispiel für einen Film der sich um Publikumserfolg wenig schert), sondern liegt ganz einfach daran dass es ihm darum nicht geht.

    Der Film hält sich mit oberlehrerhaften Erklärungen zurück, und zwingt stattdessen den Zuschauer dazu, sich selbst mit existenziellen Fragen auseinanderzusetzen und die eigenen Glaubensgrundsätze (egal ob atheistisch, agnostisch, christlich, oder was auch immer) zu hinterfragen (und wenn auch nur um sich ihrer neu zu vergewissern).

    Also ich als Agnostiker habe es so empfunden, und der Freund mit dem ich den Film gemeinsam anschaute, ein überzeugter Atheist, sah es ähnlich.

    Für dogmatische Christen, für die jede ehrliche Äußerung von Zweifeln und jedes unvoreingenommene Nachdenken über fundamentale Sinnfragen ein Affront ist, sowie dogmatische Atheisten, für die jede ehrliche Äußerung von Staunen und jedes unvoreingenommene Nachdenken über fundamentale Sinnfragen ein Affront ist, wird es natürlich nicht besonders angenehm sein als Zuschauer in diese Position versetzt zu werden.
    Aber für alle aufgeschlossenen Menschen, deren Psyche gefestigt genug ist um auch mal ein ehrliches, offenes Reflektieren zu verkraften ohne defensiv darauf reagieren zu müssen, ist der Film sehr zu empfehlen – sofern sie diese künstlerische, audiovisuelle, in Filmform verpackte Betrachtungsweise prinzipiell anspricht. (Es soll ja auch Menschen geben, die mit dieser Form ganz einfach nichts anfangen können.)

    Zur Interpretation der Rahmenhandlung:

    Das sehe ich ähnlich wie Jörg, außer dass ich dachte dass nur ein Bruder gestorben ist, aber vielleicht erinnere ich mich da auch falsch, war schon etwas her dass ich den Film gesehen habe.
    Ich habe die Schlussszene am Strand ebenfalls keineswegs als “Himmel” oder so interpretiert, sondern als Szene die im Kopf von dem von Sean Penn gespielten Charakter stattfindet in seinem Versuch, seine Erinnerung zu verarbeiten, und zu verstehen, wie das alles (also Leben und Tod, Glück und Leid, Natur und Gnade, das Universum, etc.) “zusammenpasst” – die Frage die, wie gesagt, jeder Zuschauer letztendlich für sich selbst subjektiv beantworten muss.

  9. #9 BreitSide
    11/01/2011

    xxx

  10. #10 sebix
    11/01/2011

    Mit Inhalt selbst möchte ich nicht viel sagen, das wurde schon getan, aber zu den Bildern, der Inszenierung muss ich mich einfach äußern.
    Der Regisseur macht den Text, die Sprache völlig überflüssig, manchmal ist sie auch bewusst weggelassen. Der Film ist einzig eine Komposition von Bildern, also das was einen Film ausmacht.

    (Mein Kommentar passt bestimmt auch zu anderen Filmen)

  11. #11 Buck Rogers
    11/01/2011

    ludo: “…zwangsläufig auf ein mit aufdringlich belehrendem missionarischem Eifer verkündetes Bekenntnis zum Atheismus hinauslaufen müssen?”
    Das habe ich auch gar nicht erwartet. Aber der christliche Glaube, wie er in dem Film praktiziert wird, kommt einfach nicht gut weg. Der atheistische missionarische Eifer ist definitiv vorhanden. Es wird der fuer mich typische Widerspruch in dieser Art religioeser Haltung offengelegt. Aussen hui, innen pfui. Parallel dazu wird einem kreationistisch Verblendeten, die Schoenheit der Evolution offenbart. Das dieser Typus eh resistent ist, sei mal ausser acht gelassen;) Ich finde die Ansaetze wirklich sehr gelungen. Besonders die Szene in der man hunderte von Kindern auf dem riesigen Spielplatz sieht und die Kinderstimme aus dem Off zu Gott fuer das eigene Wohl betet. Das laesst glaub ich nicht nur mich in dem Moment den Irrsinn erkennen, anzunehmen, es gaebe da jemanden wie “Gott”, der sich fuer jeden Einzelnen interessiert.
    Das ist keineswegs christliche Propaganda. Das ist eher christliche Armseeligkeit, die da gezeigt wird.
    Aber der Schluss… naja. Natuerlich ist das nicht der “wirkliche Himmel” und es spielt sich wohl alles in seinem Kopf ab. Vielleicht schliesst er in diesem Moment endlich den inneren Frieden. Und ein glaeubiger Christ oder ein Agnostiker wie Ludo fuehlt sich etwas beruhigt, weil die Welt (der Film) doch noch die grosse Frage nach dem Uebersinnlichen offenlaesst.
    @ludo “…sowie dogmatische Atheisten, für die jede ehrliche Äußerung von Staunen und jedes unvoreingenommene Nachdenken über fundamentale Sinnfragen ein Affront ist, wird es natürlich nicht besonders angenehm sein als Zuschauer in diese Position versetzt zu werden.” Was ist denn das fuer’ne Aussage? Sind wir etwas atheistophob? Als wenn ich nicht zum Staunen faehig waere.