Zwischen den Jahren habe ich mir endlich nochmal ein bisschen Zeit genommen etwas mehr zu lesen, und mich in einer Woche durch Einstein: His Life and Universe von Walter Isaacson geschlagen, das auf deutsch von einem unbezahlten Praktikanten den Titel Einstein: Genie und Popstar erhalten hat.
Walter Isaacson ist ein bekannter Biographienschreiber, und hat im letzten Jahr mit seiner Steve Jobs-Biographie die Hitlisten gestürmt.
Aber er hat auch über angenehmere Zeitgenossen wie Albert Einstein geschrieben.
Ich hatte ein wenig Bedenken, mir eine Einstein-Biographie vorzunehmen, kennt man doch die meisten Geschichten und Leistungen. Aber Isaacson hat eine überzeugend runde Biographie vorgelegt, die sich vor allem damit befasst, was Einstein zu seinen wissenschaftlichen und politischen Taten motiviert hat und welche Gemeinsamkeiten man dort finden kann.
Andere Physiker-Biographien, die ich gelesen habe, sind halbe populärwissenschaftliche Bücher, die den Physiker in das größere Umfeld der Forschung einordnen. Isaacson tut dies natürlich auch, und bringt überzeugend treffende Zusammenfassungen der wichtigen Veröffentlichungen von Einstein. Hauptaskept ist aber ein anderer: Einstein als Rebell gegen die Wissenschaft, und dann später gegen die politische Welt, und was ihn dazu bewegt hat.
Während der späte Einstein in der Physik ein fast dogmatisch Konservativer war und die Quantenwelt akzeptiert aber als unvollständig angesehen und gehasst hat (Isaccson untersucht die Hintergründe seiner Wissenschaftsphilosophie), war doch stetig seine Motivation verwandte Prinzipien zu vereinfachen und aus einfachen Gedankenexperimenten den Schlüssel dazu zu finden. In seinen späten Jahren ist er an der Vereinheitlichung der Feldtheorien gescheitert, teilweise weil er zu stur war die moderne Physik einzuarbeiten, teilweise weil er kein Gedankenexperiment gefunden hat, das Zugang bot.
Der junge Einstein aber hat die Welt mit Donnerschlägen an rebellischer Vereinheitlichung erschüttert. Die unterschiedlichen Beschreibungen für interagierende magnetische und elektrische Felder störte ihn, und das Gedankenexperiment, mit einem Lichtstrahl zu fliegen führte ihn zum kühnen Vorschlag, Gleichzeitigkeit und absolute Bezugssysteme aufzugeben. Die Vorstellung, wie jemand in einem abgeschlossenen Fahrstuhl im Weltall Beschleunigung oder Gravitation unterscheiden kann (nämlich nicht), führte zur Beschreibung der Gravitation in der gekrümmten Raumzeit.
Der deutsche Titel ist zwar eine entstellende Übersetzung, aber hat doch recht, Einstein wurde Popstar. Nach dem Ersten Weltkrieg, nachdem die Eddington-Expedition die Lichtbeugung durch die Gravitation bestätigte, wurde er zum absoluten Weltstar gemacht. Politisch brachte ihm das leider auch früh Aufmerksamkeit durch den erstarkenden Antisemitismus in Deutschland. Und in den Dreißigern rebellierte Einstein gegen Deutschland.
Eines ist besonders schön: Auch politisch blieb Einstein wissenschaftlich: Er änderte seine Meinung im Angesicht neuer Sachlagen. Sein Leben lang war Einstein ein ‘militanter’ Pazifist, der öffentlich für Verweigerung des Militärdienstes kämpfte, und für eine Weltregierung, für die Staaten etwas Souveränität aufgeben mussten – ein weiteres Beispiel für seinen Drang zur Vereinheitlichung von Prinzipien. Er sah positives und ausreichend negatives in sowohl Kapitalismus wie auch Kommunismus, um gegen beides zu sein, meiner Meinung gingen seine Ansichten durchaus in Richtung sozialem Anarchismus. Aber als Deutschland aufrüstete, änderte er seine Haltung, und argumentierte dass militärische Verteidigung notwendig sein, und erst wenn die Gefahr vorüber sei, man wieder zur Haltung des strengen Pazifismus zurückkehren könne.
Einstein ging stets seinen Weg. Er schreckte (fast) nie davor zurück, seine Meinung zu ändern, aber auch deutlich zu verteidigen, egal wie das andere Leute aufnehmen würden. Trotzdem blieb er weitgehend ein liebenswerter Mensch.
Privat war es ein komplizierteres Bild. Er war emotional distanzierter, auch wenn er meistens ein guter Vater und manchmal ein guter Ehemann war, und durchaus starke Emotionen zeigen konnte, war ihm doch immer wichtig nicht zu sehr gestört zu werden und er floh gerne in seine Arbeit.
Religiös war er eher ein Schaumschläger. Er lehnte das Konzept eines persönlichen Gottes ab, spielte aber stets mit Sprüchen um “den lieben Gott” oder den Schöpfer. Sein Gott war die Faszination um die elegante Schönheit des Universums. Aber er verwendete diesen Begriff, so wie die meisten Leute Gott als Handelnden benennen, und sah sich in diesem Sinne als religiös an. Atheisten belächelte er quasi als Menschen, die die Schönheit des Universums noch nicht begriffen haben, und die vom Prozess der Ablehnung ihrer religiösen Erziehung verbittert seien.
Wenn ihr ein sehr gelungenes Gesamtbild von Einsteins Leben haben wollt, kann ich euch dieses Buch nur empfehlen!
Kommentare (4)