Es fing so gut an, und es ist in einem furchtbaren Wortsumpf aus Vereinfachungen mit dem Kopf durch die Wand geendet. Ich spreche vom Buch The Beginning of Infinity von David Deutsch. Irgendwann, kurz vom Ziel habe ich sogar aufgegeben, es war einfach zu frustrierend.
Deutsch stellt sich die Aufgabe, nach Evidenz zu suchen, dass wir am Beginn einer Unendlichkeit stehen. Darunter versteht er vor allem, dass wir Menschen “universelle Erklärer” sind, die im Prinzip nicht limitiert sind in ihren Möglichkeiten, und dass die Suche nach guten Erklärungen und Veränderung das sind, was die Menschheit braucht. Eine gute Botschaft und im Kern ist das Buch humanistisch, aber im späteren geht das sehr in weißen reichen Ego von Deutsch unter.
Zunächst, was ist gut. Ich mag seine Definition von wissenschaftlicher Erkenntnis: Es ist die Suche nach guten Erklärungen, und eine Erklärung ist gut wenn sie sich nicht leicht variieren lässt. Dass Moral von Gott kommt, ist z.B. falsch weil es eine schlechte Erklärung ist, denn man kann sie leicht variieren indem man Gott durch das Rosafarbene Unsichtbare Einhorn ersetzt. Oder durch einen anderen Gott. Und gute Erklärungen greifen manchmal um sich und erklären mehr, als sie eigentlich wollten. Das macht sei so mächtig.
Mir gefällt, wie Deutsch fast die gesamte Philosophie der Wissenschaft (außer Popper) mit großer Keule umhaut. Was keine besonders schwere Übung ist bei dem gewaltigen Unsinn, der dabei herauskam. Nur als Beispiel Wittgenstein, der aus dem Logischen Positivismus die Folgerung zog dass alle Philosophie bedeutungslos ist, aber trotzdem weitermachte damit. Deutsch zeigt z.B., wie manchmal eine Erklärung auf einer höheren Ebene die gute Erklärung ist. Wenn ich frage, wie ein Kupferatome auf die Nasenspitze einer Metallstatue von George Washington kommt, ist die gute Erklärung, dass er Präsident war und ein wichtiger Mensch; und nicht, dass das Kupfer in einer Supernova erzeugt wurde, usw.
Mir gefällt, wie Deutsch das bekannte Beispiel von Hilberts Hotel verwendet, um Unendlichkeit und ihre merkwürdigen Eigenschaften zu erklären. Über den Weg von Science Fiction-Geschichten erklärt er dann, warum (seiner Meinung nach) die Viele-Welten-Interpretation der Quantenphysik die einzig wahre sein muss. Ab hier bricht zuviel Ego und Arrogranz des Physikers durch. Statt einem Galoppritt durch Geschichte, Biologie und Politik hätte ich mir heri doch wenigstens noch gewünscht, dass er zeigen würde wie die Viele-Welten-Interpretation sein Kriterium der guten Erklärung erfüllt, statt nur autoritär darauf gestoßen zu werden. Ich mag ja an der Multiversums-Idee, dass keine Zufälle mehr die Physik dominieren, sondern stattdessen alle Möglichkeiten einer Entscheidung realisiert werden, solange es die Gesetze der Physik erlauben. Aber das scheint mir eine beliebig variierbare Erklärung zu sein. Warum passiert etwas? Weil alles passiert. Da hätte ich mir wenigstens ein Kapitel zu gewünscht.
Stattdessen hat Deutsch zu allem und jedem noch etwas zu sagen. Da kommen einige gute Gedanken bei heraus, z.B. alle politischen Systeme schlecht sind, dass Demokratie mathematisch beweisbar niemals komplett gerecht sein kann und dass wahrlich gute Politik auch immer gute Erklärungen suchen müsste und den Wandel umarmen. Aber ein richtiger Faden zieht sich nicht mehr durch das Buch, und das einzig kohärente Motiv scheint mir ein gewaltiger Optimismus zu sein, dass wir schon alles lösen können, weil wir im Westen jetzt so toll sind. Das klingt alles zu sehr nach Ray Kurzweil und seine grobschlächtigen Hurra-Thesen über exponentiellen Anstieg der Möglichkeiten.
Danach verliebt sich Deutsch gnadenlos und blind in die Mem-Theorie. Ideen und ihre Evolution als Pakete ähnlich den Genen zu betrachten hat einen gewissen Charme und stellt viele Umstände deutlich dar; aber ist nicht umsonst umstritten, da es sehr schwierig ist damit konsistent umzugehen. Auch wenn Deutsch das zur Seite wischt, zeigt er wunderschön in der Art wie er seine Ideen verwendet, das eben genau das passiert. Da vdefiniert er rationale und nicht-rationale Meme, die genau gegensätzlich sind, aber muss dann doch drüber hinweg hoppeln, dass das eben nicht immer so ist.
Endgültig reich und weiß priviligierter Mumpitz wird es dann, wenn er statische Gesellschaften definiert: Das sind die, die von nicht-rationalen Memen beherrscht werden, die Wandel ablehnen. So weit, so gut, jeder der schon mal einem CDU-Hansel zugehört kann dem nur zustimmen. Statische Gesellschaften sind die Hölle auf Erden für Deutsch, aber dann lehnt er sich aus dem Fenster und behauptet, der Westen, ja der tolle Westen, der sei jetzt eine dynamische Gesellschaft in der Wandel und neue Ideen sich durchsetzen können. Es mag ja sein, dass die recht junge Wissenschaft tatsächlich ein Anker ist, der diese Frische mit sich bringt. Aber zu behaupten, unsere Gesellschaft sei besser weil sie das umsetze, ist schon zum Gruseln. Deutsch würde ich mal gerne hier in Oakland über die Straße mitnehmen. Wollen wir mal einen x-beliebigen Arbeiter fragen, ob er denn denke dass unsere Gesellschaft so dynamisch sei, dass niemand durch statische Ideen eingeschränkt sei.
Insgesamt ist dieser ganze Teil um Biologie und Evolution von der Arroganz des Physikers geprägt. Ein gutes Grundwissen hat Deutsch, aber die Folgerungen und Vergleiche sind viel zu einfach. Er ergötzt sich an seinen ach so schlauen Einsichten und Definitionen, und sieht gar nicht mehr, dass deren Erklärungskraft weder die Realität wiedergibt noch besonders tief geht.
Ich bin ziemlich frustriert, wie gesagt. Es fing als gutes Buch an; und wenigstens die erste Hälfte enthält genug wunderbare Erklärungen um eine Empfehlung dafür abzugeben; aber spart euch die zweite Hälfte. Es ist frustrierend vor allem, weil Deutsch durchaus durchscheinen lässt, dass er humanistische Ideen versteht und mit sich trägt; er lässt sie nur nicht gegen sein vereinfachtes Verständnis der Welt antreten. Schade.
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