Im Sommer habe ich das Buch “Moral Combat” von Siviku Hutchinson gelesen, die auch fuer die Freethoughtblogs schreibt. Und zuvor noch “The New Jim Crow” von Michelle Alexander. Und ganz spontan habe ich mich entschlossen, fuer den Rest des Jahres keine Buecher von weissen Maennern mehr zu lesen. Das war zuerst gar nicht einfach, ich erinnere mich z.B. daran, im Flughafen von Oakland zu stehen mit einem um drei Studen verspaeteten Flug, und in der Buchhandlung genau ein (!) interessanted Buch einer (weissen…) Autorin zu finden. Der Rest: weisse Maenner. Jetzt ist nichts grundaetzlich falsch an Buechern weisser Maenner, aber die Liste an zu lesenden Buechern die ich angesammelt habe bietet ein so interessantes, breites Spektrum an Einsichten und Erfahrungen, dass ich die Aktion wohl wenigstens noch ein halbes Jahr verlaengern werde; und auch danach die weissen Maenner nur noch einstreuen werde (wenigstens die David Foster Wallace-Biographie will ich irgendwann lesen). Hier sind also kurze Besprechungen einiger Buecher, die ich in den letzten Monaten gelesen habe, mehr demnaechst in einem zweiten Teil:
* The New Jim Crow – Mass Incarceration in the Age of Colorblindness: Michelle Alexander macht sehr deutlich, was der industrielle Gefaengniskomplex der USA ist: Die dritte Welle des Rassismus. Die erste war die Versklavung von Afrikanern und Afrikanerinnen, die zweite nach dem Buergerkrieg die Rassentrennung (Jim Crow Laws), und als auch dies nicht mehr haltbar war, stiegen die Politiker auf “Law und Order” um. Der Rassismus tarnt sich jetzt, als Haerte gegen Kriminalitaet, aber in einem System das absolut undurchbrechbar gegen Schwarze aufgestellt ist. Von Autodurchsuchungen aus mindersten Gruenden, dem Unmoeglichmachen von Einspruechen, laecherlich hohen Strafen fuer Drogenbesitz, lebenslangen Strafen fuer Wiederholungstaeter, und Bewaherungsauflagen die absolut unmoeglich einzuhalten sind ist alles aufgestellt, um ganze Bevoelkerungsgruppen keine andere Lebenschance als Gefaengnis zu geben. Gefuettert wird das ganze von einem kulturellen Narrativ, das Schwarze als besonders kriminell und drogenabhaengig einstuft, obwohl dies fern statistischer Wahrheit ist. Ein besonders wichtiges und erschreckendes Buch.
* Moral Combat – Black Atheists, Gender Politics, and the Values Wars: Sikivu Hutchinson schreibt ein beklemmendes Buch ueber die Realitaet schwarzer Atheist_innen. Warum es fuer sie so schwierig ist, sich zum Atheismus zu bekennen, weil das ganze religioese System in sich gedreht wurde und jetzt ein Ausstieg gesellschaftlich fast unmoeglich ist. Wie kleine Kirchen in “store fronts”, quasi Schaufensterkirchen die armen Gegenden uebernehmen, und wie millionenteure Superkirchen in den aermsten Gegenden stehen. Ein verdammt wichtiges Buch, wiederum, und eine Sache die mich ziemlich stoert truebt trotzdem nicht meine uneingeschraenkte Leseempfehlung: Dass die Anklage, dass weisse Atheist_innen sich zu sehr auf die wissenschaftliche Aspekte beschraenken statt auf die humanistische Seite ist absolut richtig, aber sie benutzt dazu ein Strohmannbild von Wissenschaft, das man doch von ganz anderen Ecken gewohnt ist. Sie benutzt ein sehr eingeschraenktes naturwissenschaftliches Zerrbild von Wissenschaft, das sie benutzt um zu widerlegen dass Wissenschaft alles erforschen kann. Wo hingegen bei allen Beispielen die sie liefert jeder Soziologe aufschreien wird, da es ziemlich einfach ist Gegenbeispiele fuer moegliche Forschung zu finden. Aber jetzt habe ich schon viel zu viel auf diesen kleinen Fehler verwendet, im Kern ist die Botschaft richtig: Wenn ganze Gesellschaftsgruppen von Religion so vergiftet sind, dass unsere Mitmenschen dort Angst haben muessen als sozial aussaetzig zu gelten, wieso sind dann allzu oft ein paar Junge-Erde-Kreationisten im Mittelpunkt der Debatte?
* Kindred: Octavia Butler erzaehlt keine typische Zeitreisegeschichte, stattdessen benutzt die die Protagonistin und ihren Ehemann, die in die Welt der Suedstaaten vor dem Buergerkrieg versetzt werden and emphatische Charakterstudie darueber, dass Menschen als Eigentum gesehen werden, wie es ist in Skalverei gezwungen zu werden, und was oder was nicht heute definiert, was ein Mensch ist. Als solches trifft dieser Roman voll den Kern der Science Fiction.
* Die Knoblauchrevolte: Mehr Buecher des “magischen Realismus” in einem anderen Teil, aber als amtierender Nobelpreistraeger (so heisst das doch, oder?) soll Mo Yan zuerst vorgestellt werden. Im Angesicht all das blanken Rassismus, der die Entscheidung des Nobelpreiskommitees als “politisch korrekt” herabwuerdigt, bleibt doch nur ein Ausweg: Einfach selbst lesen. Und, hat er den Nobelpreis verdient, der Mo Yan? Ja, hat er. Magisch ist wenig im Buch, spiegelt sich die Realitaet in den Geschichten armer Knoblauchbauern im China der 80er doch mehr im Gestank verfaulenden Knoblauchs wieder als in wundersamen Ereignissen. Mehr als einmal erschreckt man, wenn ein Stueck Moderne auftaucht, denn die Welt der Bauern aus Handarbeit auf dem Feld und Ochsenkarren klingt doch so sehr nach Mittelalter. Die Charaktere werden von vorne bis hinten vom System misshandelt, und als sie endlich rebellieren, muessen sie ins Gefaengnis oder gar sterben. Nuechtern und doch tief mitfuehlend bildet Yan hier ein nacktes Stueck harten Lebens ab.
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