Ich fand das als 17-Jährige nach dem Tod meines Vaters nicht erhaltenswert. Er war qualvoll an Krebs gestorben, und ich hatte mit Gott gebrochen, ihn als Prinzip aus meinem Denken gestrichen und zu spät gemerkt, dass damit alle Dinge verloren gehen, die einen Glaubensakt voraussetzen. Jeder humanistische Wert setzt voraus, dass wir Menschen glauben, dass wir wertvoll sind. All das ging mir verloren nach dem Tod meines Vaters und für jemanden wie mich hatte mein Atheismus nur eine Antwort: Pech gehabt.
Das ist, Verzeihung, schon zum lachen entstellt. Zu unterstellen, dass Atheisten mit Tod so umgehen, ist ebenfalls eine Unglaublichkeit, aber stellt euch doch mal vor was sie da von sich gibt: Dass ein_e Atheist_in käme und einem trauernden Mensch* sagt: Tja Pech gehabt.
Mit Tod umgehen ist sehr schwierig. Wahrscheinlich nur ein Jahr nachdem Frau Magnis ihren Vater verlor, ist meine Mutter an Krebs gestorben. Aber es ist mir völlig undenkbar, dass himmelsfarbene flauschiger unspezifischer Glaube die Lösung wäre damit umzugehen.
Der Tod eines Elternteils reißt dir ein Loch ins Herz. Man weiß, diesen Menschen nie wieder zu sehen, obwohl er doch ein Teil von einem selbst ist. Und dieser Teil fehlt. Und er wird nie wieder gefüllt werden. Mit dem Tod eines Menschen umgehen lernen, heißt weiter das beste aus dem eigenen Leben machen, und das Loch im Herz mit sich herumtragen. Jeden Tag, immer wieder. Das ist der Preis, den wir für Liebe bezahlen. Einen Menschen zu lieben, ist sehr teuer, und der Preis ist jeden Tag das Loch im Herz auszuhalten.
Das ist nicht leicht, und viele Menschen brauchen dabei Hilfe. Durch Freunde, und vielleicht auch durch Therapie. Und das ist so ernst, dass ein solcher Text wie vom Deutschlandradio hier gefährlich ist. Statt dafür zu sorgen, dass jedem/r Trauernden Therapie mit echter Hilfe, also frei von Gott oder Glauben, zugänglich ist, wird behelfsmäßig mit Gottespflaster geflickt. Das echte Seelenleiden von Menschen wird nicht ernst genommen.
So schlimm auch ist, was Frau Magnis hier schreibt, macht es mich traurig wenn ich lesen muss:
Mein Vater ist gestorben, als ich 17 war und mein kleiner Bruder ein paar Jahre später. Ich habe nur eine einzige Hoffnung, und das ist die, dass dieses uralte Gerücht wahr ist: dass wir aufgehoben sind in Gott. Da, wo das Gute gedacht wird und die Wahrheit über unser Leben liegt.
Wenn das einzige, was einem am Leben hält, eine offensichtliche Illusion ist, braucht ein Mensch Hilfe. Das kann nicht gesund sein.
Aber jetzt hoffe ich, dass ihr Ironiemeter von mindestens Industriestärke habt, ansonsten lest besser nicht weiter:
Der Atheismus hat mir damals auch gesagt: Dein Leben fühlt sich nicht nur grauenhaft an, es ist noch dazu vollkommen sinnlos. Und die Atheisten, die das zu hart fanden, haben gesagt: Du musst deinem Leben eben selbst einen Sinn geben.
Aber ist das nicht einfach nur Getue – habe ich mich gefragt. Und die Antwort von ehrlichen Atheisten war: Ja. Das meiste im Atheismus ist ein: so tun als ob.
*Batsch* da hauts dem Ironiemeter die Sicherung raus. Ich hab euch gewarnt. Jawohl. Richtig gelesen: Wenn Atheist_innen ihrem Leben einen eigenen Sinn geben, dann ist das nur “so tun als ob”. Wenn man daran glaubt, dass ein wirrer unsichtbarer Sadist es so will, obwohl nichts, aber auch gar nichts dafür spricht, dass ist es richtig und wahr. Zum Schreien.
Ach, und überseht auch nicht die kleine unterschwellige Behauptung, dass normale Atheist_innen nicht ehrlich sind. Sehr schön herauszuarbeiten im Vergleich zu den “Manche Atheisten könnten sagen””-Formulierungen im Rest des Textes.
So tun, als hätten wir eine Würde, obwohl die empirisch genauso wenig messbar ist wie Gott. Ich liebe dich sagen, ohne zu glauben, dass es echte Liebe und nicht nur Gerüche und Endorphine gibt.
Kommentare (110)