Ich trage nur selten Nagellack, aber wenn ich ihn trage, dann neige ich zu einem kräftigen Lila, am besten mit Glitzer. Die meisten meiner männlichen Kollegen schwören eher auf den unauffälligen Klarlack, bis auf einen, der am liebsten etwas sehr Dickes, Gummiartiges aufträgt, dass kaum den Namen “Lack” verdient. Meistens halten sich die Damen bei uns im Labor aus unseren Diskussionen über Nagellack heraus, aber das ist nicht weiter überraschend. Die Top drei Nagellackverbraucher im Labor sind männlichen Geschlechts.
Neulich führt mich mein Weg wieder zum Drogeriemarkt meines Vertrauens, ich war knapp an Duschgel, brauchte ein neues Duftsteinchen für das WC und Nagellack war auch leer. Die Drogerie-Fachverkäuferin an der Kasse schien ein wenig überrascht zu sein, auf Grund meiner Warenauswahl. Nach einem Pinienduft-schwangeren Produkt für die heimische Toilette und einem Nachfüllbeutel Duschgel, zog sie zwei mal billigen, klaren Nagellack und drei mal billigen, Lila-Glitzer Nagellack über den Scanner. “Na das sieht ja nach einem lustigen Abend aus”, kommentierte sie. “Macht zwölf Euro zweiundfünfzig.” Ich war seltsame Kommentare im Bezug auf meinen Nagellackkonsum gewohnt. “Der Nagellack ist nicht nur für mich, auch für meine Kollegen.” gab ich zurück und trug den Nagellack aus dem Drogeriefachgeschäft. Auch wenn meine Kollegen und ich unsere Differenzen darüber haben, welcher Lack der Beste ist, wechseln wir uns doch beim einkaufen ab. Ich kann ja verstehen, dass manche meiner Kollegen lieber einen unauffälligen, klaren Nagellack benutzen. Wenn man ständig wechselnde  Kollaborationspartner am Mikroskop zu Gast hat, könnte der Lila-Glitzer Nagellack schon zu dem Schluss führen, dass man nicht mehr alle Latten am Zaun hat.
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(Bild: CC-BY 4.0 André Lampe)

Aber ich bleibe dabei: Mein billiger Lila-Glitzer Nagellack ist der Beste. Beim auftragen fließt richtig viel vom Pinsel und bildet eine dicke Schicht, so wie ich es gerne habe. Und der Vorteil vom Glitzer ist, dass sich der Lack kaum durch Kapillarkräfte zwischen Deckgläschen und Objektträger zieht. Wenn man ein Deckgläschen, mit seine Zellen darauf, an einen Objektträger kleben will, dann gibt es nichts besseres als Lila-Glitzer Nagellack. Wir haben einige spezielle Mikroskope, die manchmal eine wässrige Lösung an der Probe benötigen und manchmal eine ölige Flüssigkeit zwischen Deckgläschen und Objektträger voraussetzen. Genau für diese Fälle brauchen wir Nagellack. Ich möchte in einen Probenhalter keine Probe einspannen, aus der etwas heraus tropfen könnte. Schließlich sind die Mikroskope empfindlich und ziemlich teuer. Gerade wenn man eine Flüssigkeit ganz in der Nähe einer Stelle hat, die man lackieren oder kleben will, kann das problematisch sein. Selbst wenn man sehr vorsichtig und gewissenhaft arbeitet, kann nie sichergestellt sein, dass nicht doch irgendwo etwas hervor quillt. Und zwar durch das Auftragen des Nagellacks. Jedes bisschen Flüssigkeit zwischen Nagellack und Glas führt zu einer nicht-klebenden oder undichten Stelle.

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(Bild: CC-BY 4.0 André Lampe)

Im oberen Bild ist der Nagellack gerade aufgetragen worden. Das farbige in der Mitte des Objektträgers ist blaue Testflüssigkeit*, um zu zeigen, dass da tatsächlich wässrige Lösung in der Mitte ist. Darauf liegt ein Deckgläschen, dessen Umrisse beim klaren Nagellack noch erkennbar sind. Der Objektträger (das untere, große Stück Glas) ist nicht vollkommen flach, er hat in seiner Mitte eine runde Vertiefung, die genau 0,1ml Flüssigkeit fasst. So sieht übrigens meine Proben-Präparation für SD-dSTORM** aus, auf die ich garantiert bei einem späteren Blogpost noch eingehe. Für heute reicht es zu wissen, dass diese Hochauflösungsmikroskopie-Technik einen speziellen Puffer benötigt, der nur unter vollständigen Sauerstoffabschluss funktioniert. Da kann man sich jetzt fragen, ob so eine kleine, undichte Stelle in einer Nagellack-Versiegelung große Auswirkungen hat, und die Antwort darauf ist “Ja”. Das Volumen der Lösung beträgt lediglich 0,1ml und für einen erfolgreichen Mess-Tag muss diese Lösung über acht bis zehn Stunden die gleichen Eigenschaften aufweisen. Da kann einem die undichte Stelle eine ganze Datenaufnahme verderben, vor allem, weil man erst einen Tag später sieht, dass da was schief gelaufen ist. Die Analyse der Daten dauert nämlich fast genau so lange wie die Aufnahme.

Glitzer-Glitzer?

Aber warum schwöre ich jetzt auf den billigen Lila-Glitzer Nagellack? Die Probe muss dicht sein, damit nichts von den Flüssigkeiten heraus kommt, aber auch keine Luft von außen hinein geht. Beim oberen Bild ist der Nagellack noch frisch aufgetragen, da sieht es auf beiden Seiten schon ziemlich dicht aus. Der Vorteil vom Lila-Glitzer Nagellack zeigt sich erst, wenn er getrocknet ist.

CC-BY André Lampe

(Bild: CC-BY 4.0 André Lampe)

Beim trockenen, klaren Nagellack erkennt man, dass sich nur eine sehr dünne Schicht gebildet hat, und man durch den Lack hindurch den Umriss des Deckgläschens erkennen kann. Wenn am Rand nur eine kleine Menge Flüssigkeit übrig gewesen wäre, hätte zwar der Nagellack trocknen können, allerdings in Form eines kleinen Bläschens. Dieses Bläschen wäre unter Umständen gerissen und hätte zu einer undichten Stelle geführt. Beim Lila-Glitzer Nagellack bildet sich eine dicke Wulst um das Deckgläschen herum und selbst wenn Reste von Flüssigkeit davon bedeckt sind, führt das nicht zu einer undichten Stelle. Man könnte dies auch mit etwas älterem Nagellack erreichen, der schon zähflüssiger geworden ist. Dann hat man aber ganz am Anfang das Problem, dass, durch das verstreichen eines solchen Lacks, das Deckgläschen verschoben werden könnte und die Probe ruiniert wäre. Mit jeder Art von Glitzer-Nagellack umschifft man dieses Problem, sorgt für einen etwas bunteren Alltag im Labor und kann sich sicher sein, dass man eine Fehlerquelle weniger hat.
Noch kurz zu meinem Kollegen, der anstatt Nagellack etwas Gummiartiges verwendet: Man kann Silikon aus dem Dentalbereich benutzen, um Proben abzudichten. Es gibt mehrere Produkte, bei denen zwei Flüssigkeiten zusammen gerührt werden, und eine Masse, ähnlich den Dichtungen im Badezimmer, entsteht. Der Vorteil davon ist, dass man diese Dichtung abziehen kann, und das Deckgläschen, mit den Zellen darauf, für andere Experimente weiter benutzen kann. Ich verwende allerdings aggressive Lösungen und leistungsstarke Laser in meinen Experimenten. Wenn ich mit meinen Messungen fertig bin, sind die Proben unbrauchbar geworden. Daher bleibe ich bei Nagellack.

Fazit

Lila-Glitzer Nagellack ist toll, aber passt auf eure Hände auf! An den Fingern steht dieses Zeug nicht jedem, und es geht nur schwer ab!
Glitzer-Nagellack kann auch sicherheitstechnischrelevante Anwedungen haben. Danke an Lars Kasper für den Hinweis.
Fußnoten:
* Wasser mit einem Tröpfchen Methylenblau, siehe Was ist überhaupt ein Mikroskop?
** die Abkürzung steht für Spectral Demixing direct STochastic Optical Reconstruction Microscopy.

Kommentare (9)

  1. #1 Andy
    Leipzig
    12. März 2015

    🙂
    Hi,
    ich dachte erst “Nagellack-Scienceblog-häääää??”
    Eine Menge gelernt, wenn ich das auch nicht in meinem Job brauche :)Danke für den sehr interessanten Einblick in Euer Labor.
    Grüße
    Andy

    • #2 André Lampe
      12. März 2015

      Gern geschehen, Andy. 🙂

  2. #3 Fliegenschubser
    12. März 2015

    Sehr interessant. Wir benutzen immer nur langweiligen klaren Nagellack. Ab und zu hab ich auch das Problem, dass sich der Lack unters Deckgläschen zieht. Aber dem scheint ja mit Glitzer beizukommen zu sein. Vielen Dank für den Tipp, das werde ich bei Gelegenheit mal ausprobieren.
    Meistens treten Probleme mit Nagellack dann auf, wenn ich keine wässrigen Einbettungsmedien nehme, sondern BABB (Benzylalkohol-Benzylbenzoat) oder DPX (Xylene-basiert). Wenn ich das nächste Mal was derartiges mache, werde ich mal Glitzernagellack testen, vielleicht klappt das ja besser.

    • #4 André Lampe
      12. März 2015

      Wenn du nicht-wässrige Einbettungsmedien nimmst, schneide dir kleine Schnipsel von Westerblot-Pappe (ich weiß garnicht wie die richtig heißt) zurecht und tupf damit den Rand trocken – das hilft auch ungemein. Ist fummelig, aber meistens hat man ja schon ein paar Tage in die Probe investiert, da lohnt sich so ein Aufwand.

  3. #5 Fliegenschubser
    12. März 2015

    Du meinst, dass das Medium auch tatsächlich nur (und wirklich nur!) unter dem Deckglas ist? Das erreiche ich meist durch eine genau definierte Menge (nur soviel, wie unbedingt nötig!) an Einbettungsmedium. Oder ich tupfe mit Schnipseln von KimTech Tissues. Vernünftiges Einbetten ist die halbe Miete, wenn man schöne Bilder machen will.

  4. #6 rolak
    12. März 2015

    blaue Testflüssigkeit

    Läßt sich eigentlich noch herausfinden, welcher Hersteller wann zuerst eine ähnliche blaue Teszflüssigkeit für gewisse Hygiene-Artikel verwendete, um das anscheinend gräßliche Blutrot zu vermeiden?

    Von solch schicken Nebenlösungen bin ich ein Fan…

    • #7 André Lampe
      13. März 2015

      Was die Werbung für Hygiene-Artikel an geht, kenne ich mich zu wenig aus. Ich kann nur sagen, dass es im Labor am einfachsten und am günstigsten ist irgendetwas blau einzufärben.

    • #8 rolak
      13. März 2015

      Ach das mit der Werbung schoß nur grad so durch den Schädel, in Begleitung von ‘ach komm, schreibstema, vleicht findt sich einer, ders weiß’.
      Kann selbstverständlich sein, daß Du in Deiner vorgeblichen Nichtantwort das Hauptmotiv schon genannt hast, André: Kosten+Gewohnheit..

  5. #9 Gefbo
    12. März 2015

    Überzeugt. Lila Glitzer-Nagellack ist der beste 🙂