Was muss man eigentlich sehen?
Mit einem Phasenkontrastmikroskop würde man diese Viren nicht sichtbar machen können. Selbst mit einem Fluoreszenzmikroskop würde man nur unscharfe Punkte sehen, und dafür müsste man vorher wissen, was es für Viren sind, damit man sie auch entsprechend markieren kann. Die Präparation einer Probe für ein TEM benötigt zwar auch etwas Vorbereitung, am RKI benutzt man da allerdings Methoden die nicht länger als 15 Minuten dauern. Wenn es sich um eine Probe handelt, bei dem ein Arzt nicht genau weiß, womit er es zu tun hat, oder es sich sogar um eine Probe handelt, die Erreger einer neuen Krankheit enthalten, greift man immer zur Elektronenmikroskopie. Zum Beispiel hat das RKI im Jahr 2003 das SARS-Coronavirus beschrieben. Detaillierte Eletronenmikroskopbilder, direkt vom RKI, gibt es hier.
Mit einem TEM kann man direkt etwas über die Form der beobachteten Objekte lernen. Die Experten, die am RKI in der Mikroskopieabteilung arbeiten, haben auch eine Rufbereitschaft, um in Verdachtsfällen von schweren Krankheiten, schnell den Erreger identifizieren zu können. Bei all den Fortschritten in der Molekularbiologie und Genetik ist eine Untersuchung am Elektronenmikroskop dieser Experten, mit ihren geübten Augen, immer noch die schnellste Methode. Und “das geübte Auge” ist wirklich ein Faktor. Einige Firmen versuchen schon seit einiger Zeit Software zu entwickeln, die elektronenmikroskopische Aufnahmen automatisch auswertet. Allerdings sind da die Rechenzeiten immer noch unglaublich lang mit Stunden oder teilweise sogar Tagen. Und das für eine Analyse, bei der ein Experte mit Erfahrung, nur wenigen Minuten benötigt, um eine klare Aussage treffen zu können. Natürlich gibt es auch immer wieder knifflige Fälle, aber da würde die Software erst gar nicht ein Ergebnis liefern. Eine kleine Auswahl von dem, was die Experten alles erkennen können müssen, ist auf einer Tafel zusammengefasst, die gegenüber eines der TEM hängt.
Irgendwie finde ich es beruhigend, dass es solche Einrichtungen gibt. Vor allem weil sich die Leute vor Ort auch nicht nur auf ihr geballtes Wissen und ihre Erfahrung verlassen. Um eine endgültige Aussage treffen zu können, werden nach den ersten TEM Bildern natürlich noch weitere Tests gemacht: Die Gene des Erregers werden untersucht, Zellkulturen werden angeimpft*** und viele weitere Analysen. Keiner im RKI würde einfach nur einen Blick auf ein Mikroskopiebild werfen, zum Telefonhörer greifen und den Ausnahmezustand verhängen lassen – so wie das oft im Film dargestellt wird. Allerdings würde ich sagen, dass die Menschen, die dort arbeiten, den Wissenschaftlern aus Filmen am nächsten kommen. Dort gibt es auch Teams, die in gelben, bedrohlich aussehenden Schutzanzügen Proben nehmen können, dort gibt es Labore in denen die gefährlichsten Erreger unter den höchsten Sicherheitsmaßnahmen untersucht werden können. Aber wenn diese Leute aktiv werden, dann immer besonnen und unaufgeregt. Wohl nicht das Material aus dem Filmhelden gemacht sind. Und wo wir gerade von Filmen sprechen: Die Mikroskopieabteilung des RKI forscht auch, und zwar an Biofilmen. Das ist besonders wichtig, wenn man verstehen will, wie Bakterien sich auf Oberflächen halten und vermehren, zum Beispiel im Krankenhaus. Aber das ist eine Geschichte für einen anderen Blogpost.
Ganz herzlichen Dank an Michael Laue und Lars Möller vom RKI, die mir viel erzählt und gezeigt haben!
Fußnoten:
* Wortkombination aus “Katzensprung” und “Steinwurf”, ich bin eher der Hunde-Typ.
** Dass man Teilchen auch als Welle betrachten kann ist nicht so einfach zu schlucken. Ich werde da sicher auch noch etwas zu schreiben. Bis dahin: Wikipedia oder eine Erklärung bei Florian Freistetter
*** So wie Robert Koch es schon Ende des 19. Jahrhunderts getan hat.
Letzte Kommentare