Haupteingang des Robert-Koch-Insituts

Haupteingang des Robert Koch-Insituts (Bild: CC-BY 4.0 André Lampe)

Ich war beim Robert Koch-Institut zu Gast, in der Mikroskopieabteilung. Das Institut ist nur einen Katzenwurf* von meiner Haustür entfernt. Bei so einer räumlichen Nähe, dachte ich, dass ich dem alten Robert mal einen Besuch abstatten sollte. Das ist durchaus wörtlich gemeint, die sterblichen Überreste von Robert Koch liegen nämlich im institutseigenen Mausoleum.

Das Robert Koch-Institut, oder kurz RKI, ist ein Bundesinstitut, dass zum Bundesministerium für Gesundheit gehört. Dort gibt es eine Abteilung für “Advanced Light and Electron Microscopy”, die ich mir mal näher ansehen durfte. Die arbeiten dort mit Mikroskopen an sehr interessanten Fragestellungen, die ich selbst so nicht erwartet habe. Aber erst einmal kurz dazu, was das RKI so alles treibt:

“Das RKI hat spezialgesetzlich zugewiesene Vollzugsaufgaben, vor allem im Bereich des Infektionsschutzes, bei der Konzeption, der inhaltlichen Durchführung und Koordinierung der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE).” – aus Aufgaben und gesetzliche Grundlagen des RKI

Durch einige gesetzliche Regelungen ist das RKI für viele Belange im Gesundheitswesen zuständig. Aber es ist auch eine ausgesprochen gute Informationsquelle. Unter anderem kann man sich dort über Impfungen, psychische Gesundheit oder internationale Gesundheitsvorschriften informieren. Es gehört auch zu den Aufgaben des RKI, Krankheitserreger zu identifizieren und zuzuordnen, wenn sich Ärzte hilfesuchend an das Institut wenden. Auch ist man dort zentrale Stelle für die Prävention, Erkennung und Schadensbegrenzung durch Biologische Gefahren. Für diese Bereiche, Krankheitserreger identifizieren und das Erkennen von biologische Gefahren, werden am RKI vor allem Mikroskope eingesetzt.

Die alte Flimmerkiste

Ein alter Röhrenfernseher zaubert Bilder auf seine Mattscheibe mit Hilfe von Elektronen. Ich werde jetzt allerdings keinen Vergleich zum Elektronenmikroskop ziehen, denn so ein Vergleich würde gewaltig hinken. Es ist nur ein schöner Vorwand einen großen Entertainer zu zitieren:

“Damit man sehe, was man höre,
erfand Herr Braun die Braun’sche Röhre.

Wir wär’n Herrn Braun noch mehr verbunden,
hätt’ er was Anderes erfunden.” – “Fernsehen” von Heinz Erhardt, via DLF

Die einzige Gemeinsamkeit zwischen Röhrenfernseher und Elektronenmikroskop liegt im Prinzip der Elektronen-Gewinnung und ein bisschen in der Optik. Die Bilderzeugung ist vollkommen anders. Am RKI spielen Elektronenmikroskope eine viel größere Rolle als Lichtmikroskope.

Als ich beim Robert Koch-Institut zu Gast war, habe ich vor einem Transmissionselektronenmikroskop gesessen, oder kurz TEM. Bei dieser Technik werden Elektronen durch eine Probe “geschossen”. Wenn den Elektronen etwas im Weg steht, während sie die Probe durchqueren, kommen sie nicht mehr beim Detektor an. So kann man dann ein Bild erhalten: die hellen Bereiche stehen für viele Elektronen, die es zum Detektor geschafft haben, bei den dunklen Bereichen stand entsprechend mehr im Weg. Ein Transmissionselektronenmikroskop heißt Mikroskop, weil Elektronen eine elektrische Ladung haben. Mit Hilfe von magnetischen Feldern kann man sie so ablenken, als ob die Elektronen Licht wären und die magnetischen Felder Linsen. Dadurch kann bei einem TEM eine sehr hohe Vergrößerung erreicht werden, und so ein Gerät ist in der Lage Krankheitserreger direkt ab zu bilden. Egal ob Viren, Bakterien oder Sporen. Das geht mit einem Lichtmikroskop nicht so einfach, denn gerade Viren und Sporen sind klein, deutlich kleiner als die Wellenlänge des Lichts. Als Beispiel: grünes Licht hat ca. 0,0005 mm Wellenlänge. Viren, die für die Grippe verantwortlich sind, sind ein fünftel so groß. Da spürt man irgendwie schon, dass das nicht gut gehen kann. Elektronen kann man auch als Wellen betrachten**, und ihre Wellenlänge hängt davon ab, wie schnell sie sind, wie viel Energie sie haben. Im Elektronenmikroskop sorgt man dafür, dass die Elektronen genug Energie haben, damit ihre Wellenlänge klein genug ist um so kleine Dinge wie Viren im Detail an sehen zu können. Es gibt noch einige andere Arten von Elektronenmikroskopen, aber bei meinem Besuch im RKI standen die TEMe im Mittelpunkt.

Influenza A Viren, Maßstab = 100 nm. (Bild: Norbert Bannert, Lars Möller/RKI, Weitere Infos zu den Bildrechten hier)

Influenza A Viren, der schwarze Maßstab, links unten im Bild, ist 100 nm lang. (Bild: Norbert Bannert, Lars Möller/RKI, Weitere Infos zu den Bildrechten und noch mehr Bilder: hier)

Was muss man eigentlich sehen?

Mit einem Phasenkontrastmikroskop würde man diese Viren nicht sichtbar machen können. Selbst mit einem Fluoreszenzmikroskop würde man nur unscharfe Punkte sehen, und dafür müsste man vorher wissen, was es für Viren sind, damit man sie auch entsprechend markieren kann. Die Präparation einer Probe für ein TEM benötigt zwar auch etwas Vorbereitung, am RKI benutzt man da allerdings Methoden die nicht länger als 15 Minuten dauern. Wenn es sich um eine Probe handelt, bei dem ein Arzt nicht genau weiß, womit er es zu tun hat, oder es sich sogar um eine Probe handelt, die Erreger einer neuen Krankheit enthalten, greift man immer zur Elektronenmikroskopie. Zum Beispiel hat das RKI im Jahr 2003 das SARS-Coronavirus beschrieben. Detaillierte Eletronenmikroskopbilder, direkt vom RKI, gibt es hier.

Mit einem TEM kann man direkt etwas über die Form der beobachteten Objekte lernen. Die Experten, die am RKI in der Mikroskopieabteilung arbeiten, haben auch eine Rufbereitschaft, um in Verdachtsfällen von schweren Krankheiten, schnell den Erreger identifizieren zu können. Bei all den Fortschritten in der Molekularbiologie und Genetik ist eine Untersuchung am Elektronenmikroskop dieser Experten, mit ihren geübten Augen, immer noch die schnellste Methode. Und “das geübte Auge” ist wirklich ein Faktor. Einige Firmen versuchen schon seit einiger Zeit Software zu entwickeln, die elektronenmikroskopische Aufnahmen automatisch auswertet. Allerdings sind da die Rechenzeiten immer noch unglaublich lang mit Stunden oder teilweise sogar Tagen. Und das für eine Analyse, bei der ein Experte mit Erfahrung, nur wenigen Minuten benötigt, um eine klare Aussage treffen zu können. Natürlich gibt es auch immer wieder knifflige Fälle, aber da würde die Software erst gar nicht ein Ergebnis liefern. Eine kleine Auswahl von dem, was die Experten alles erkennen können müssen, ist auf einer Tafel zusammengefasst, die gegenüber eines der TEM hängt.

Tafel im RKI, gegenüber des TEM.

Tafel im RKI, gegenüber des TEM. (Bild: CC-BY 4.0 André Lampe)

Irgendwie finde ich es beruhigend, dass es solche Einrichtungen gibt. Vor allem weil sich die Leute vor Ort auch nicht nur auf ihr geballtes Wissen und ihre Erfahrung verlassen. Um eine endgültige Aussage treffen zu können, werden nach den ersten TEM Bildern natürlich noch weitere Tests gemacht: Die Gene des Erregers werden untersucht, Zellkulturen werden angeimpft*** und viele weitere Analysen. Keiner im RKI würde einfach nur einen Blick auf ein Mikroskopiebild werfen, zum Telefonhörer greifen und den Ausnahmezustand verhängen lassen – so wie das oft im Film dargestellt wird. Allerdings würde ich sagen, dass die Menschen, die dort arbeiten, den Wissenschaftlern aus Filmen am nächsten kommen. Dort gibt es auch Teams, die in gelben, bedrohlich aussehenden Schutzanzügen Proben nehmen können, dort gibt es Labore in denen die gefährlichsten Erreger unter den höchsten Sicherheitsmaßnahmen untersucht werden können. Aber wenn diese Leute aktiv werden, dann immer besonnen und unaufgeregt. Wohl nicht das Material aus dem Filmhelden gemacht sind. Und wo wir gerade von Filmen sprechen: Die Mikroskopieabteilung des RKI forscht auch, und zwar an Biofilmen. Das ist besonders wichtig, wenn man verstehen will, wie Bakterien sich auf Oberflächen halten und vermehren, zum Beispiel im Krankenhaus. Aber das ist eine Geschichte für einen anderen Blogpost.

Ganz herzlichen Dank an Michael Laue und Lars Möller vom RKI, die mir viel erzählt und gezeigt haben!

Fußnoten:

* Wortkombination aus “Katzensprung” und “Steinwurf”, ich bin eher der Hunde-Typ.
** Dass man Teilchen auch als Welle betrachten kann ist nicht so einfach zu schlucken. Ich werde da sicher auch noch etwas zu schreiben. Bis dahin: Wikipedia oder eine Erklärung bei Florian Freistetter
*** So wie Robert Koch es schon Ende des 19. Jahrhunderts getan hat.