“Moment mal! Basteln?” wird da jetzt der ein oder andere ausrufen. Kann das wirklich was mit Wissenschaft zu tun haben? Die kurze Antwort darauf: Ja! Die lange Antwort darauf: der Rest dieses Artikels.
Am fünften Mai 2015 hab ich bei der re:publika einen Vortrag gehalten mit dem Titel “A small world made better by the internet – an example with microscopes”. Es ging darum wie der open-source-Gedanke, also frei zugängliche und offene Software, die Welt der Mikroskopie nachhaltig beeinflusst hat. Vor allem wie wichtig die Bildauswertungssoftware ImageJ für ein ganzes Forschungsfeld gewesen ist. Darüber habe ich auch schon ausführlich gebloggt: Die Frage nach der Software.
Aber es ging nicht nur um Software und um eine Community aus Forschern, die diese Software immer weiter verbessern und auf die aktuellen Bedürfnisse anpassen. Es ging auch um das Basteln, das Herumprobieren, Do-It-Yourself, Hacking oder wie man das gerne nennen möchte. Für mich ist das alles ein wichtiger Teil der Forschung, oder, noch präziser: ein notwendiger Teil von Forschung. Ein Sozialwissenschaftler bastelt sich seine Fragestellung für die Erhebung von Daten selbst, ein Chemiker bastelt seine Reaktions-Apparatur, ein Biologe bastelt sich seine Genetik für Zellexperimente und Physiker basteln sich den LHC. Ganz normale Nummer, das Standard-Forscher-Programm.
Forschungsgerätemanufaktur?
In meinem Vortrag habe ich mich etwas aufgeregt über kritische Stimmen zu Do-It-Yourself aus der Wissenschaft. Persönlich ist sie mir auch schon begegnet, die Haltung das man für gute Geräte auch gutes Geld auf den Tisch legen muss und das Selbst-gemachtes ein Zeichen von mangelnder Finanzierung sei. Und diese Auffassung begegnet einem auch in Fachzeitschriften wie dem Laborjournal, ganz konkret in der englischen Ausgabe dieser Zeitschrift, hier kommentiert von Björn Brembs.
Ja, was fällt diesen Forschern ein einfach mal was selber zu basteln anstatt den nächsten Katalog für Laborausrüstung zu konsultieren und sich was ordentliches zu bestellen? Denen fällt etwas neues ein. Manchmal kann man eben nicht das Gerät bestellen das man für sein nächstes Experiment braucht, weil noch niemand die Idee zu einem solchen Experiment hatte. So funktioniert Wissenschaft. Aber selbst wenn nicht das absolut neue Experiment im Kopf des Forschers herum geistert sondern es “nur” darum geht an der ein oder anderen Stelle Geld zu sparen, erschließt sich mir das nicht als Vorwurf. Die Wissenschaft ist immer noch zu großen Teilen durch die öffentliche Hand finanziert. Warum ist dann Sparsamkeit ein Makel? Oft geht es in erste Linie nicht um die Sparsamkeit sondern um einen Vorteil für den Forscher. Ich hatte dazu ein paar Beispiele im Vortrag angeführt:
Beispiel I: Billiges Licht
Wir wollten im Labor für eines unserer Mikroskope eine Laser-Box haben. Das ist eine Kiste aus der einfach Licht mit verschiedenen Wellenlängen in Form eines Laserstrahls raus kommt. Der Hersteller unseres Mikroskops hatte so etwas auch im Sortiment, als zusätzliches Zubehör. Der aufgerufene Preis hätte aber deutlich unser Budget gesprengt mit knapp 200k Euro. Da wir das Mikroskop sowieso mit der freien und offenen Software µManager angesteuert haben, waren wir nicht auf Hardware beschränkt die nur vom ursprünglichen Hersteller kam. So haben wir dann eine Laser-Box eines anderen Herstellers gefunden die nur gut ein achtel gekostet hat. Die konnten wir sofort kaufen und mussten nicht auf den nächsten Jahreswechsel warten um eine viel größere Investition zu beantragen.
Beispiel II: Billige Zeit
Ein Kollege im Labor hatte eine tolle Idee für ein neues Experiment. Er würde dafür einen recht genauen Zeitgeber benötige um im richtigen Moment Bilder mit dem Mikroskop machen zu können. Die einfachste Möglichkeit das zu tun wäre eine Trigger-Karte, eine Platine zum einbauen in einen Computer, die mehrere, sehr genaue Zeitsignale ausgeben kann. So ein Schätzchen kostet gut 2500 Euro. Nicht gerade wenig für ein Experiment das zunächst nur eine Idee war, und das so noch niemand gemacht hatte. Spontan kann man in unserem Verwaltungssystem an der Uni nicht schnell mal auf so viel Geld zugreifen, also entschloss sich mein Kollege für einen anderen Weg. Da die Kamera des Mikroskops auch einen Zeitgeber hat und die Software zur Kontrolle des Mikroskops eigentlich jede Art von Hardware unterstützt, bastelte er einfach einen Zeitgeber. Und zwar aus einem Arduino, Kostenpunkt ca. 25 Euro.
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