tl;dr       Nadeln sind weniger spitz als Kanülen, veranschaulicht an Mikroskopbildern.

Am Ende des Artikels Farbe und das Fluoreszenzmikroskop durfte sich der liebe Kommentator Ludger was für die Dinge unter’m Mikroskop wünschen. Seine Wahl ist auf Injektions-Kanülen gefallen und ich habe mir einfach mal die Freiheit genommen, noch Bilder der Spitze einer kleinen Sicherheitsnadel oben drauf zu legen. Der Vergleich ist tatsächlich mehr als interessant. Los geht es mit der Sicherheitsnadel.

Spitze einer kleinen Sicherheitsnadel, Drahtdurchmesser von 0,5 mm.

Spitze einer kleinen Sicherheitsnadel, Drahtdurchmesser von 0,5 mm. Anklicken für große Version (640×833 Pixel). (Bild: CC-BY 4.0 André Lampe)

Auf den ersten Blick, mit dem bloßen Auge, wirkt die Spitze der Sicherheitsnadel… nun ja, auf keinen Fall so abgeflacht, wie sie sich dann unter dem Mikroskop zeigt. Auch fühlt sich die Spitze relativ glatt an, und ich war dann doch überrascht über die raue Struktur der Spitze.
Aber kommen wir mal zu ganz anderen Spitzen, wie im Titel eigentlich schon auf zwei Arten angekündigt. Natürlich steht ganz klar drin das es auch um Kanülen geht, aber dies ist auch der vierte Artikel von Dinge unter’m Mikroskop, und die römische Zahl IV könnte man auch als i.v. lesen, die Abkürzung für intravenös, also “in die Vene hinein”. Dafür benutzt man Kanülen, die eigentlich nichts anderes als Hohlnadeln sind. Ich habe zwei Exemplare aus dem Labor mitgenommen, deren Haltbarkeitsdatum bereits überschritten ist, die also eh entsorgt worden wären. Im Labor benutzen wir die Kanülen meistens in der Zellkultur, nicht um einzelne Zellen zu pieksen, die wären zu klein dafür, sondern um sie von einander zu trennen. Zellen kleben häufig in kleinen Haufen zusammen und um sie davon zu überzeugen sich zu trennen müssen wir manchmal die Zellen in ihrer Nährlösung durch ein enges Rohr hin und her spülen. Kanülen eigenen sich dafür hervorragend, schließlich müssen diese auch steril sein, damit ein Arzt damit einen Menschen stechen darf, und genau diese Sterilität ist es weswegen wir Kanülen auch in der Zellkultur benutzen. Benutzt man etwas Unsteriles läuft man Gefahr, dass man irgendwas in die Zellkultur einschleppt was da nicht hingehört und man seine schönen Experimente wiederholen muss.

Spitze einer Kanüle mit 0,8 mm Durchmesser (21Gx2'').

Spitze einer Kanüle mit 0,8 mm Durchmesser (21Gx2”). Anklicken für große Version (640×960 Pixel). (Bild: CC-BY 4.0 André Lampe)

Diese Kanüle ist schon deutlich spitzer als es die Sicherheitsnadel von oben. Eigentlich auch keine große Überraschung, Sicherheitsnadeln werden ja sicher nicht dafür gemacht, um sie irgendwo in Gewebe rein zu stecken. Auch die leichte Klingenform ganz vorne kann man bei dieser etwas dickeren Kanüle auch schon mit dem bloßen Auge erahnen. Bei dieser Kanüle handelt es sich um eine Hohlnadel mit 0,8 mm (800µm) Außendurchmesser. Aber in der Medizin wird man öfter die Bezeichnung 2,4 Charrière, 21G oder schlicht “grün” für diese Nadel hören. Die verschiedenen Bezeichnungen für die Größe einer Kanüle sind schon interessant, die Einteilungen kann man im Artikel Kanüle bei Wikipedia nachlesen. Wer jetzt meint, dass 0,8 mm Durchmesser schon ganz schön heftig sind, war noch nie Blutspenden, Kanülen gibt es bis zu einem Außendurchmesser von 3,4 mm. Aber wie man sieht, ist die Spitze noch etwas zu groß, um sie im USB-Mikroskop komplett scharf abzubilden. Also nehmen wir mal eine kleinere Kanüle.

Spitze einer Kanüle mit 0,45 mm Durchmesser (26G3/8).

Spitze einer Kanüle mit 0,45 mm Durchmesser (26G3/8). Anklicken für große Version (640×960 Pixel). (Bild: CC-BY 4.0 André Lampe)

Das hier ist eine deutliche schmalere Kanüle und auch eine deutlich Kürzere. Wenn man sich schon einmal selbst Heparin geben musste, also einen Gerinnungshemmer, weil ein Bein eingegipst war zum Beispiel, dann kennt man diese Größe von Kanülen. Auch die Spitzen von Epi-Pens oder für die Insulingabe sind teilweise so groß, wobei es da mittlerweile auch noch schmalere gibt. Weil man hier nicht wirklich alle Details sehen kann, habe ich die Spitze auch noch einmal von der Seite abgebildet.

Spitze einer Kanüle mit 0,45 mm Durchmesser (26G3/8) von der Seite.

Spitze einer Kanüle mit 0,45 mm Durchmesser (26G3/8) von der Seite. Anklicken für große Version (640×960 Pixel). (Bild: CC-BY 4.0 André Lampe)

In der Seitenansicht kann man erkennen, dass auch hier nicht alles so hundertprozentig glatt ist wie man vermuten würde. Aber ein kleiner Vergleich mit der Sicherheitsnadel vom Anfang zeigt schon, dass hier ein deutlicher und großer Unterschied besteht. Die feinen Linien, die zur Spitze hin verlaufen sind Schleifspuren, die beim Herstellungsprozess entstanden sind.

Die Bilder von den Kanülen zu machen war eine gehörige Fummelei. Hab ich mich noch bei der Sicherheitsnadel immer um einen dunklen Hintergrund bemüht, hörte das bei den Kanülen auf, nachdem ich mir mehrere, schöne, scharfe Bilder der Spitzen aus dem Blickfeld geschoben habe, als ich den schwarzen Karton in den Hintergrund stellen wollte. Teilweise musste ich auch noch von zwei Seiten mit Taschenlampen beleuchten, dass man auch die Details sehen kann. Ich würde euch ein Foto davon zeigen, aber ich hatte keine Hand mehr frei. Und bevor jemand fragt: Das Bild hab ich dann durch einem klick mit der Nase auf die Maustaste gemacht. Aber ich hatte Spaß. Der nächste Teil von Dinge unter’m Mikroskop wird eine haarige Angelegenheit. Ich bin immer offen für Vorschläge, gerne in die Kommentare schreiben oder über Twitter. Auf der Liste habe ich noch verschiedene Papiersorten, Drucktechniken, Kaffee, Elektronische Schaltungen und ein paar Dinge mehr.

Kommentare (22)

  1. #1 Ludger
    20. Juli 2015

    Scharf, danke! Man muss die Vene beim Blutabnehmen stauen, von der Stichrichtung weg langziehen und die Kanülenspitze mit Schwung in die freie Öffnung der Vene rammen. Das geht nur dann ohne Schwierigkeiten, wenn die Kanülenspitzen immer gleichartig angeschliffen sind. Für einen Pfennigartikel finde ich diese Präzision bemerkenswert.

    • #2 André Lampe
      20. Juli 2015

      Ja, da gebe ich dir recht. Ich freue mich das dir die Bilder gefallen 😉

  2. #3 LasurCyan
    20. Juli 2015

    Das Bild hab ich dann durch einem klick mit der Nase auf die Maustaste gemacht.

    Das hat sich aber gelohnt. Schöner Artikel, die Bilder sowieso.

    Btw, die Nasenbedienung der Maus oder auch der Tastatur gehören hier im (Ton)Studio selbstverständlich zum Standard. Zwei Hände nur sind für das InformationsZeitalter einfach nicht genug..

    • #4 André Lampe
      20. Juli 2015

      Ich hab hier irgendwo noch eine alte Mouse. Vielleicht baue ich die zu einem Fußtaster um – wäre ja auch was für dich 😉

  3. #5 Herbert
    20. Juli 2015

    *like*

  4. #6 Theres
    20. Juli 2015

    Super, geniale Bilder … Und ich bin so gespannt auf die nächsten!

  5. #7 bewitchedmind
    21. Juli 2015

    Tolle Serie, tolle Bilder (an die ich in diesem Fall beim nächsten Blutabnehmen denken werde). Ich hätte nur einen kleinen Verbesserungsvorschlag: Ohne Apostroph sähe der Titel sehr viel schöner und orthographisch korrekter aus. Meiner inneren Schlußredakteurin kräuselt es regelmäßig die Fußnägel … 😉

    • #8 André Lampe
      21. Juli 2015

      Ach naja, nur weil der Duden sagt, dass bei einer “üblichen” Verschmelzung aus Präposition und Artikel kein Apostroph benutzt wird, bei einer “unüblichen” allerdings schon, heißt das ja nicht, dass da absolut kein Spielraum für Interpretation ist. 😉
      In der Tat bin ich ein großer Fan von Satzzeichen und mein Sinn für Ästhetik frohlockt beim Anblick von “unter’m”. Wobei ich anmerken möchte, dass schon in der Oberstufe mein Deutschlehrer davon überzeugt war, dass ich der deutschen Sprache Gewalt an tue.
      Ich weiß, deiner inneren Schlußredakteurin und ihren Fußnägeln hilft das wenig – was könnte ich tun, abgesehen von der Änderung der Überschrift, um ihr ein besseres Fußgefühl zu verschaffen…? 😉

      Und herzlichen Dank für das Lob!

  6. #9 Eisentor
    21. Juli 2015

    Ich hab von meinem Opa ein uraltes Mikroskop geerbt. Seit einiger Zeit bin ich auf der Suche nach interessanten Dingen die ich mit meiner kleinen Tochter unter dem Mikroskop anschauen kann. Da hoffe ich hier auf gute Anregungen.
    Meine Vergrößerung ist zwar nicht so toll wie bei neuen Geräten aber man sieht trotzdem faszinierende Sachen 😀

    • #10 André Lampe
      21. Juli 2015

      Hey, das freut mich! Ich wünsche dir viel Spaß beim Suchen nach schönen Proben. Du kannst auch, mit etwas Geduld, mit einem Handy ganz hervorragend Bilder durch das Okular machen, falls mal eine Probe daher kommt die du auch anderen zeigen willst. Den richtigen Abstand für den Fokus zu finden ist etwas nervig, aber es lohnt sich.

  7. #11 Eisentor
    21. Juli 2015

    Das zu Photographien hab ich mit dem Handy jetzt noch nicht versucht. Aber ich werde es mal testen. Ganz interessante Objekte sind allerlei Insekten. Wenn man das erste mal die Pollen im “Fell” einer Biene sieht ist das schon beeindruckend.

  8. #12 bewitchedmind
    21. Juli 2015

    @ André: Ich werde mich wohl damit trösten müssen, daß es schlimmere Apostrophe gibt. Wenigstens betreibst du nicht das Bistro “Alfon’s” in meiner Nachbarschaft. 😉

  9. #13 gedankenknick
    22. Juli 2015

    Tolle Aufnahmen!

    Rein berufstechnisch finde ich ja auch immer wieder spannend, wie sich die Spitzen von Kanülen und Lanzetten bei Mehrfachgebrauch verändern, sprich innerhalb von wenigen Anwendungen stumpf werden. Das hört sich jetzt erst einmal abwegig an – aber wer sich mal damit auseinandersetzt, wie oft Diabetiker aus Sparsamkeitsgründen sowohl Insulinpen-Kanülen als auch Blutzuckermess-Lanzetten wiederverwenden, der staunt schon nicht schlecht.

    • #14 André Lampe
      22. Juli 2015

      Du hast recht – ich schrecke davor zurück mich selbst zu stechen, aber wie könnte man das denn wohl mal simulieren? Davon könnte ich dann ja auch mal Bilder machen…

  10. #15 Albrecht
    22. Juli 2015

    @André #14

    Simulieren von Einstichen: Na mit Schweinebraten. Die billige Variante ist ein Scheibchen Schweinebauch.

    Danke für die netten Bilder.
    Albrecht M

  11. #16 gedankenknick
    22. Juli 2015

    Ich würde ein Stück ungekochte Schweineschwarte vorschlagen. (Haus-)Schweinehaut wird sehr gerne zur Simulation der menschlichen Haut genutzt, weil sie leidlich ähnliche Eigenschaften zur menschlichen Haut hat. Gekocht, gebrüht oder gebraten ändert sich da natürlich einiges; je nachdem in verschiedene Richtungen.

    Ich würde mich natürlich sehr über solche Fotos freuen, es soll aber keine “Bestell-Arbeit” meinerseits sein. Ich weiß, was manche Aufnahmen für eine Höllen-Arbeit sind.

    • #17 André Lampe
      22. Juli 2015

      Ich bin selber Neugierig darauf – ich hab es einfach mal auf meine Liste gesetzt und schaue mal wann ich dazu komme.

  12. #18 BreitSide
    Beim Deich
    3. August 2015

    Ooooch, das wollte ich doch auch schreiben, das mit den mehrfach benutzten Kanülen.

    Die Hersteller von Insulinpens schreiben übrigens eine Einmalbenutzung vor. Wohl aus Haftungsgründen (außerdem kann man dann mehr verkaufen…).

    Gesehen hab ich schon ein paar solche Gebrauchte. Schauderhaft!

    Hier ein Link (Kommerz-Verdacht!): https://www.apo-schop.de/Diabetes-Schop/Nadel_home/Nadeln1/Nadeln2/Nadeln3/nadeln3.html

    Deine Bilder sind aber definitiv schöner!

    BTW: Dialyse-Kanülen sind auch nicht übel…

  13. #19 BreitSide
    Beim Deich
    3. August 2015

    Der kümmert sich professionell um gebrauchte Kanülen (bzw. die Verhinderung des Wiedergebrauchs):

    jun. Prof. Dr.- Ing. Andreas Wittmann
    (wiss. Mitarbeiter)
    Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sicherheitsingenieur)
    Koordinaten und Kontakt wurde entfernt

    Vielleicht könnt Ihr Euch sogar austauschen?

    • #20 André Lampe
      3. August 2015

      Ohh, wie schön, Referenzbilder! Mal sehen ob ich das mit vier Einstichen reproduzieren kann was da gezeigt wurde. Ich werde den Herren mal kontaktieren, ich hab aber für die Kommentare seine Kontakte und Büronummern entfernt. Auf jeden Fall danke dafür!

  14. #21 Sebastian D
    3. August 2015

    wäre toll noch daneben einmal genutzte Kanülen zu sehen. wie groß da die Abnutzung ist.

    aber super Idee 🙂

  15. […] mit den Abnutzungserscheinungen an Injektionsnadeln beschäftigen, wie es in den Kommentaren bei Dinge unter’m Mikroskop IV – Nadeln und Kanülen vorgeschlagen wurde. Mich würden auch Kommentare zur Video-Technik sehr glücklich machen, denn im […]