Ich habe ein öffentliches Fachgespräch über Wissenschaftskommunikation des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung besucht.
Ich wohne jetzt schon fast fünf Jahre in Berlin, aber habe nie die Gelegenheit genutzt mal im Regierungsviertel bei einer öffentlichen Sitzung oder Anhörung dabei zu sein. Das habe ich heute geändert, denn heute morgen, am 14. Oktober 2015 um 9:30 war ein Öffentliches Fachgespräch zum Thema “Stand und Perspektiven der Wissenschaftskommunikation” im ständigen Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Bundestags.
Ich war eigentlich pünktlich da, aber dann doch etwas spät im Sitzungssaal. Zwar hatte ich mich für das öffentliche Fachgespräch angemeldet, aber um in das Paul-Löbe-Haus hinein zu kommen, musste ich zunächst durch einen Sicherheits-Check. Mantel, Rucksack und Metallgegenstände sollte ich ablegen. Die wurden – wie am Flughafen – durch eine Röhre gefahren und durchleuchtet, und ich durfte durch einen Metalldetektor schreiten. Dummerweise hatte ich, zu dieser recht früher Stunde, ein stark koffeinhaltiges Erfrischungsgetränk in einer Glasflasche bei mir, die ich dann am Eingang zurück lassen musste. Aber im Gegensatz zum Flughafen durfte ich mir die Flasche beim Verlassen des Gebäudes wieder abholen. Generell waren die Menschen dort am Eingang sehr freundlich und hilfsbereit; kurz fragte ich mich, ob ich hier wirklich richtig war*.
Nachdem ich nun wirklich hinein durfte, musste ich warten, zusammen mit einigen Anderen, die ebenfalls zu diesem öffentlichen Fachgespräch wollten. Wir sollten abgeholt werden, einfach durch das Paul-Löbe-Haus zu stromern, auf eigene Faust, dass war nicht drin. Aber auf den netten jungen Herren, der uns abholen sollte, mussten wir nicht all zu lange warten. Schließlich durften wir uns dann auf der recht schmalen Empore des Sitzungssaals einen Platz suchen, die schon recht gut gefüllt war. Anscheinend war ich längst nicht der Einzige, der Interesse an dieser Geschichte hatte.
Wer hat da gesprochen?
Es waren sieben ExpertInnen zum Thema eingeladen worden:
- Prof. Dr. Antje Boetius (Lenkungsausschuss Wissenschaft im Dialog & Uni Bremen)
- Thomas Korbun (Wiss. Geschäftsführer, Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH / Ecornet – Ecological Research Network, Berlin)
- Prof. Dr. Reinhold Leinfelder (Direktor Haus der Zukunft gGmbH, Berlin)
- Dr. Volker Meyer-Guckel (Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Berlin)
- Dr. Steffi Ober (Zivilgesellschaftliche Plattform Forschungswende, Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) e. V., Berlin)
- Julia Wandt (Vorsitzende des Bundesverbands Hochschulkommunikation, Uni Konstanz, Leiterin der Stabsstelle Kommunikation und Marketing / Pressesprecherin)
- Jan-Martin Wiarda (Journalist für Bildung und Wissenschaft, Teltow)
Vorab haben diese geladenen ExpertInnen auch Stellungnahmen verfasst, die man auf der Seite dieser Sitzung als Links zu PDFs nachlesen kann, genauso wie den Siggener Aufruf oder einen ersten Entwurf von Leitlinien für gute Wissenschafts-PR, an denen ich mitgewirkt habe. Die PolitikerInnen des ständigen Ausschusses sind hier aufgeführt – es waren auch so gut wie alle da*.
Was wurde so gesagt?
Es ist gar nicht so leicht die zweieinhalb Stunden zusammen zu fassen, denn es wurden viele Themen angesprochen, teilweise auch nur kurz gestreift. Es ging vor allem darum, dass sich die MdBs bei den ExpertInnen informieren können. Grundsätzlich hatte ich den Eindruck, dass alle sehr interessiert und aufmerksam waren und Fragen gestellt wurden, die auf eine durchaus intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Wissenschaftskommunikation schließen ließ*.
Eine große Rolle spielte das Thema citizen science und Partizipation in der Wissenschaft, was übrigens auch schon im Koalitionsvertrag steht. Von Expertenseite wurde dazu vor allem gesagt, dass es dabei nicht darum gehen darf, dass die Wissenschaft einfach mehr Daten durch die Mitarbeit von Bürgern bekommt, sondern das diese Bürger auch in den Prozess mit einbezogen werden, dass verstanden werden kann wie das geht, mit dieser Wissenschaft, und dadurch auch Verständnis für die Wissenschaft geweckt werden kann. Es wurde auch heraus gestellt, dass in der Wissenschaft selbst diese neuen Entwicklungen in der Wissenschaftskommunikation, wie citizen science, teilweise noch gar nicht angekommen oder richtig verstanden worden sind. Aber das gilt auch für den korrekten Umgang mit social media oder der Berücksichtigung von Ängsten und Sorgen von außen, um nur zwei weitere Beispiele zu nennen. Dr. Steffi Ober hat etwas sehr wichtiges gesagt, dass mir so auch noch nicht klar gewesen ist: Bestrebungen, dass jeder Bürger sich mit der Wissenschaft auskennt sind gut und schön, aber das wird nicht funktionieren solange da keine Verankerung in der Kultur gegeben ist, sich keine Konflikte und Reibungsflächen zeigen und das Bild nach außen immer so steril und sachlich gehalten wird. Wenn der Bürger Technologie-offen sein soll, dann sollte man auch offen kommunizieren und auch mal Probleme ansprechen.
Ob ein Wissenschaftsfeld relevant ist, war auch ein wichtiger Punkt. Dazu kann man aus dem Gespräch festhalten, dass Relevanz vor allem vom Bürger kommt und man die Rückmeldung auch nicht einfach ignorieren kann. Empfohlen wurde auch, dass die Politik Abstand von ihren Leuchtturmprojekten nehmen sollte. Wenn man Bürger erreichen will, dann muss man das vor Ort, kleiner und zielgerichtet tun, und nicht ein riesiges Konzept mit Geld bewerfen. Es wurde klar gesagt, dass der Wettbewerb in der Hochschullandschaft ganz grundsätzlich viele Bestrebungen der Wissenschaftskommunikation antreibt und das KommunikatorInnen, besonders die in den Institutionen, auch die Rückendeckung der Politik brauchen, wenn sich gegen ein stumpfes “geben sie das mal an die Presse raus, wir haben nämlich gerade Geld bekommen” gewehrt werden soll. Auch wurde eine Warnung ausgesprochen: Ruhen sie sich nicht auf dem Wissen aus, dass die Digitalisierung jetzt da ist, das dicke Ende kommt noch! Was immer größere Rechenleistung und das Internet für Auswirkungen auf die Wissenschaft und die Wissenschaftskommunikation haben werden, ist zur Zeit kaum ab zu sehen.
Es wurden noch einige andere Sachen angerissen, aber ich beschränke mich jetzt auf diesen kurzen Ritt durch mein Gedächtnisprotokoll. Der Vollständigkeit halber möchte ich noch erwähnen, dass die Punkte open access, Wissenschaftskommunikation an Kinder und die Befähigung von Wissenschaftlern zur Kommunikation auch angesprochen wurden, allerdings viel zu kurz für meinen Geschmack. Aber ihr müsst euch nicht nur auf meine paar Zeilen Text verlassen, ihr könnt euch das komplette Fachgespräch als Video ansehen. Kurz nachdem die Sitzung zu Ende war, stand die Aufzeichnung schon im Netz zur Verfügung*.
Da ich einige Probleme mit dem einbetten des Videos hatte, ist hier der Permalink zum Video in der Mediathek des Bundestags.
Eins noch…
Eine Sache habe ich allerdings noch, aber die wollte ich mir für den Schluss aufbewahren. Es wurde von Jan-Martin Wiarda gesagt, dass man sich Sorgen machen muss um die Situation des Wissenschaftsjournalismus, dass sich darum gekümmert werden muss. Er wies dabei auf Bestrebungen hin, den Wissenschaftsjournalismus in Deutschland mit einer Stiftung zu unterstützen. Wenn Verlage sich diese Art von Journalismus nicht mehr leisten wollen, dann muss von irgendwo anders Geld kommen. Weiter führte er aus, dass viele Fernsehformate (oder Massenmedien, wie es hieß) ihre Themen aus den großen Printmedien bekommen würden und er sagte auch, dass für die großen Zeitungen ein science media center für Deutschland wohl keine Bedeutung hat, das es aber praktisch für kleinere Lokalzeitungen sein könne. Übrigens wird das scence media center für Deutschland Anfang 2016 seinen Betrieb aufnehmen.
Dem möchte ich etwas entgegnen, denn diese Aussagen haben mich ein bisschen aufgeregt. Man sollte sich vielleicht auch einmal trauen darüber nachzudenken, ob der sehr präsente Wissenschaftsjournalismus der letzten zwei Jahrzehnte nicht nur ein Extremfall war, und wir aktuell nicht mit einem schwachen Wissenschaftsjournalismus umgehen müssen, sondern das wir es mit dem Normalfall zu tun haben. Nur mal als kleines Gedankenexperiment. Damit will ich nicht sagen, dass ich das toll finde, dass große Zeitungen ihren Wissenschaftsteil ausdünnen – ich will damit nur sagen, dass es sich auch mal lohnt zu überlegen wie man ein unabhängiges Korrektiv, was die Presse ja ohne Zweifel ist, eventuell auch anders erreichen könnte. Ein Lösung habe ich dafür nicht, aber ein permanenter Ruf nach alternativer Finanzierung wenn Zeitungen ihren Wissenschaftsteil verkleinern stört mich irgendwie. Vor allem könnte das deutsche science media center viel in diesem Bereich tun, und ich bin gespannt auf das Wirken der dort arbeitenden Damen und Herren, wenn 2016 der Betrieb aufgenommen wird.
Jan-Martin Wiarda hat noch andere Sachen gesagt, die mir sehr gefallen haben. Besonders hat er an vielen Punkten die Dinge, die andere ExpertInnen gesagt haben, klug zusammen gefasst und Probleme klar benannt. Ich war sehr froh, dass er einer der geladenen Gäste war. Ich war nicht in allen Punkten seiner Meinung, aber er hat es auf jeden Fall geschafft, dass ich mir erneut Gedanken um diese Sache mit dem Wissenschaftsjournalismus machen werde, und ich mich in den Vorschlag einer Stiftung mal einlese*.
Fußnoten:
* Es ist nie zu spät Vorurteile abzulegen.
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