Ich hab mir angesehen was beim Science Hack Day Berlin 2015 so alles an tollen Tüfteleien herausgekommen ist.
Seit 2013 gibt es in Berlin den Science Hack Day. Erfunden wurde diese Variante eines Hackathon erst 2010 in San Francisco. Die letzten zwei Jahre habe ich in Berlin aktiv daran teilgenommen, habe an der #SpitLamp mitgearbeitet und mit Martin Ballaschk* versucht ein günstiges Spektrometer, den #instrarainbow zu basteln (Erste Messungen hier).
Dieses Jahr habe ich nicht mitgemacht sondern habe nur am Eröffnungsabend ein bisschen was dazu erzählt, dass hacken auch Wissenschaft ist. Das war praktisch eine Kurzform von dem was ich auch schon auf der re:publika 2015 erzählt habe, was man im Artikel Basteln ist auch Wissenschaft (#rp15) nachlesen kann. Auf jeden Fall waren die pitches, also die Vorschläge von einzelnen Teilnehmern was sie gerne basteln wollen würden, sehr interessant. Neben den Vorhaben eine Polymerase-Kettenreaktions-Maschine (PCR) oder ein Rastertunnelmikroskop zu bauen, gab es noch viele andere Ideen. Vor allem hat mich die Idee von World Brain sehr fasziniert, bei dem ein Browser-Plugin heraus kommen soll, dass einem hilft die Fakten in einem Artikel im Internet zu checken. Auf jeden Fall war nach dem Pitches im FabLab Berlin jede Menge los, es wurde diskutiert, gequatscht und gefachsimpelt, wie man im Foto unten sehen kann.
“You don’t have to be a scientist, you don’t have to be a hacker, you just have to be excited!” – Ariel Waldman, Science Hack Day Gründerin
Die Teilnehmer hatten von Freitag Abend bis Sonntag Mittag Zeit ihre Projekte umzusetzen, zwischendurch gab es auch ein bisschen Zeit-hacking, schließlich wurde von Samstag zu Sonntag die Uhr eine Stunde zurück gestellt. Am Sonntag Nachmittag war ich denn wieder im Innovation Space des FabLab Berlin. Um 15 Uhr sollten die verschiedenen Hacks der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Aber nicht nur das, es waren auch einige Juroren dort um in unterschiedlichen Kategorien Preise zu vergeben, zum Beispiel für den härtesten oder den wissenschaftlichsten Hack.
Die Projekte
Ich hab versucht bei den abschließenden Präsentationen alles mitzuschreiben und auch einige Fotos zu machen. Ich hab aber längst nicht alles mitbekommen, denn jede Präsentation war lediglich 4 Minuten lang. Also: Schlagt mich bitte nicht, wenn irgendetwas zu knapp oder ungenau ist. Alle Teilnehmer sind herzlich dazu eingeladen hier in den Kommentaren mein Geschreibsel zu ergänzen und/oder richtig zu stellen. Auch auf der Webseite vom Science Hack Day Berlin wird es sicher in einigen Tagen ein paar ausführlichere Berichte geben.
Teeth grinding detection device (BRUXI)
Ein Gerät, das Zähneknirschen detektieren und dokumentieren kann. Mit einem Muskelsensor und einem Mikrophon wird festgestellt ob der Träger mit den Zähnen knirscht. Diese Gruppe wird ihren BRUXI, abgeleitet von Bruxismus, dem Fachwort für Zähneknirschen, noch weiter entwickelt. Eventuell könnte ein Schläfer durch Virbation oder Lichtsignale benachrichtig werden, aber was genau mit dem Teil passieren wird, steht noch nicht fest. Auf jeden Fall kann man sagen: Bisher gibt es so ein Gerät wohl noch nicht. (Publikumspreis)
Brain Muscle Pyramide
Muskelbewegungen und Gehirnströme wurden gemessen und aufgezeichnet. Für ein kurzes Zeitfenster werden so, für jede Messung individuelle Parameter aufgezeichnet, die benutzt werden um daraus einen Bauplan für einen kleinen Turm aus drei Klötzen zu generieren. Dieser kann dann in einem 3D Drucker ausgedruckt werden. (Preis: Best Art/Science Hack)
Künstlicher Muskel
Diese Gruppe hat sich die Frage gestellt “Was wäre wenn wir einen künstlichen Muskel in einem 3D Drucker ausdrucken könnten? Wäre dann der Bau von Robotern nicht viel einfacher?”. So richtig sind sie aber nicht zu einem konkreten Ergebnis gekommen, was für einen Science Hack Day auch kein Muss ist. Die Gruppe selbst fasste es mit “Failing fast = Learning fast” zusammen, also “schnell gescheitert = schnell gelernt”. Dafür haben sie sich intensiv damit beschäftigt wie Muskeln auf molekularer Ebene funktionieren, in dem sie die bteiligten Moleküle genauer betrachtet haben. In einem 3D Drucker wurden Teile von Aktin-Filamenten und von Myosin ausgedruckt (siehe Bild rechts). (Preis: Best Health Hack)
RAWX
Extreme Wetterlagen Frühwarnsystem. Bei dem Projekt ging es darum aus Resonanzeffekten die bei den Jetstreams auftreten Vorhersagen für extreme Wetterlagen zu generieren. Die beteiligten KlimaforscherInnen brachten die Daten und das Know-How über diese Phänomene mit und fanden ein paar Programmierer/Künstler die zwei schöne Anwendungen für die Visualisierung geschrieben haben. Zum Frühwarnsystem ist die Gruppe nicht vorgestoßen, in der knappen Zeit des Hackathon, aber es wird wohl weiter daran gearbeitet. Die Darstellung der Erde in einer 3D Animation, auf der die aktuellen Winddaten gezeigt wurden, fand ich wirklich sehr beeindruckend.
Zeit-Serienaufnahmen von Bakterien
Die Gruppe bekam von jemandem einen Scanner geschenkt, der wohl irgendwo an einer Straßenecke lag. Dieser wurde umgebaut, so das Bakterienkulturplatten darauf platz finden und so alle 15 Sekunden ein Bild von den wachsenden Kulturen angefertigt werden kann. (Preis: Best Science Hack)
Shoud I stay or shoud I go?
Ein Holzkasten mit Karte und einer kleinen Bahn darauf soll visualisieren wann die nächste Bahn kommt, spezifisch für die eigene Haltestelle. Der Programm-Code dazu steht frei zur Verfügung auf GitHub. Leider war ich zu langsam um den Namen mit zuschreiben. (Preis: Best Design Hack & Publikumspreis)
NIR-Brain-HEG
Ziel war es eine Lernhilfe zu basteln, die einem bei der Konzentration hilft, indem Hirnaktivität gemessen wird. Zur Präsentation war die Gruppe immerhin so weit, dass sie einige Daten über den Pulsschlag am Kopf auslesen konnten.
Open Evolution
Die Gruppe hatte sich vorgenommen eine Evolutionsmaschine zu bauen. Das sind Bioreaktoren, die zum Beispiel Bakterien unter kontrollierten Bedingungen über viele Generationen wachsen lassen können. Wenn man währenddessen noch Giftstoffe den Bakterien beimischt, besteht die Hoffnung das eine späte Generation von Bakterien sich an das Gift angepasst hat und es auffressen kann. Die Gruppe hat schon eine eigene Webseite gebastelt, die wohl deutlich besser beschreibt was sie vor haben als ich das hier gerade getan habe.
CO2-Emissionen des Internets
Oder um es viel kürzer auszudrücken: CO2GLE. Es kam ein Browser-Plugin dabei heraus, dass dem Benutzer anzeigt wie viel CO2 seine Internetaktivitäten zu verzeichnen haben. Im Browser wurde das in einem kleinen extra Fenster in Form von Club Mate Flaschen dargestellt. Es hab aber auch noch eine elektrische Luftpumpe, die in Abhängigkeit der Downloadmenge ein Kondom aufgeblasen hat. Der Code ist auf GitHub zu finden, falls jemand Interesse daran hat die Entwicklung weiter zu treiben. (Preis: Best Data Hack)
World Brain
Die Gruppe hatte sich vorgenommen so etwas wie einen automatischen Fakten-Checker für Artikel zu entwickeln. Das könnte auch ein Werkzeug sein um herauszufinden wer Mythen und wer Fakten im Internet verteilt. Das ganze Thema ist kompliziert, wird aber auf der zugehörigen Internetseite worldbrain.io hervorragend erklärt.
Machine to be another
Hier wurde quasi ein Werkzeugkasten für die interdisziplinäre Forschung an Empathie entwickelt, mit einigen design-thinking Elementen. Eine Idee dabei war zum Beispiel die Sinneseindrücke mit einer anderen Person zu tauschen, mit Hilfe von technischen Geräten. Ich fand die Idee ausgesprochen faszinierend, aber bekomme die Einzelheiten im Nachhinein nicht mehr zusammen. (Preis: Best Interaction Hack)
PCR Thermocycler
Ein Thermocycler für die Polymerase-Kettenreaktion ist ein Standardgerät für jedes Biolabor. In der Richtung gibt es schon viele offene Projekte wie OpenPCR, ein Projekt im Open BioLab Graz und noch andere. Der Prototyp funktionierte bereits, auch die Software, die das Gerät angesteuert hat. Die Materialkosten belaufen sich hierfür auf unter 100 Euro. Gar nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass ein kommerzielles Gerät nur für einen nicht gerade niedrigen, vierstelligen Betrag zu haben ist. (Preis: Best Hardware Hack)
Rastertunnelmikroskop
Diese Gruppe hatte es sich wirklich in den Kopf gesetzt ein Rastertunnelmikroskop zu basteln. Theoretisch sollte das mit einfachen Mitteln möglich sein, andere hatten schon früher so ein Gerät gebaut. Am Ende konnten sie zwar kein Bild zeigen, aber hatten bei einer Messung schon einen kleinen Anstieg im Tunnelstrom bemerkt. Die Gruppe will weiter machen, und ich werde auch zusehen, dass ich erneut von diesem Projekt berichte. Das ist ja schließlich auch eine Art Mikroskop. (Preis: Hardest Hack)
Preisverleihung
Neben einigen Juroren von diversen Einrichtungen, könnte auch das Publikum für seinen liebsten Hack abstimmen. Und das auf eine recht ungewöhnliche Art und Weise. Die Organisatoren des Science Hack Day hatten mit Hilfe eines Makey Makey ein Abstimmungsgerät gebastelt, bei dem man eine Hand in einen Eimer mit Glibber tauchen musste und die andere Hand einen beschrifteten Pilz (oder in einem Fall eine Banane) berühren musste, und das ganze zehn Sekunden lang, um so seine Stimme ab zu geben. Auf dem Bild unten kann man das Gerät bei der Benutzung betrachten.
Das Science Hack Day Team kann Unterstützung und Verstärkung gut gebrauchen. Wer Lust hat mit zu machen kann auf der Science Hack Day Seite vorbei schauen, ihnen direkt eine Mail schicken unter shd@opentechschool.org oder bei einem der Science Hacking Meetups einfach mal aufkreuzen.
Fußnoten:
* Martin Ballaschk schreibt auch ein tolles Blog!
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