Oder anders ausgedrückt: Was kann ein modernes Forschungsmikroskop so alles?
Dieser Frage bin ich nachgegangen, und zwar in der Charité Berlin, auf dem Campus Mitte, gleich neben dem Hauptbahnhof, in der Advanced Medical Bioimaging Core Facility (kurz: AMBIO). Diese Facheinrichtung für Mikroskopie wird von Dr. Jan Schmoranzer geleitet. Wir beide kennen uns ganz gut, er hatte die Bürde meine Doktorarbeit zu betreuen. Bei Jan bin ich genau richtig mit meiner Frage – nicht nur hat er in der Facility einige Mikroskope herumstehen, er ist auch Ansprechpartner für alle Wissenschaftler*innen in der Charité, die aufwendige, neue oder einfach nur gut durchdachte Fragestellungen mit einem Experiment am Mikroskop beantworten wollen.
Aber sprechen wir kurz über den Elefanten im Raum: Ich hab hier lange nicht geblogt, sorry. Ich werde nun wieder öfter hier ein paar Zeilen schreiben, und mein Besuch an der Charité ist der passende Auftakt dafür. Denn ich bin da nicht nur vorbei gegangen für diesen Artikel – ich hab mit Jan zusammen auch einen Live-Stream auf meinem twitch-Kanal twitch.tv/andereLampe gemacht, mit derselben Fragestellung. Den vergangen Live-Stream habe ich auch aufgezeichnet und er ist hier anzuschauen (direkter Link zur Playlist auf YouTube):
Mikroskopie live aus der Charité
Wir planen, einen solchen Live-Stream öfter zu machen, und dabei wird definitiv immer das ein oder andere Thema zur Sprache kommen, über das ich dann hier auch etwas ausführlicher, mit mehr Ruhe und vielen Bildern schreiben kann. Der nächste Live-Stream ist in der Tat schon geplant, und zwar am Mi 24.01.2024 ab 19 Uhr auf meinem twitch-Kanal twitch.tv/andereLampe – da kann man einfach so zuschauen, nur zum chatten benötigt man einen Account bei twitch. Eine Aufzeichnung wird es dann kurz danach auch wieder auf YouTube geben, genau wie oben auch schon, aufgeteilt in einige Folgen und jeweils auch durchstrukturiert mit Kapitelmarken.
Vergrößerung ist gar nicht so wichtig – es geht um die Details
Während des Live-Streams kam mehrfach die Frage nach der Vergrößerung. Und die Antwort darauf, also welche Vergrößerung hat denn jetzt genau das Objektiv, das ich gerade benutze, ist für ein Wissenschaftly am Mikroskop gar nicht so relevant wie man denkt. Es ist eher eine Abwägung zwischen Sichtfeld und Details. Wenn ich ein großes Sichtfeld haben will, um viel von meiner Probe zu sehen, ist dies möglich, aber auf Kosten der Details. Andersherum, will ich vor allem viele Details in meiner Probe ausmachen, geht das auch, allerdings nur, wenn ich in Kauf nehme, dass mein Sichtfeld kleiner ist. Und die Entscheidung trifft man, in dem man das passende Objektiv wählt. Alle Bilder hier sind mit Maßstab versehen und ich habe schon früher einmal über das Thema gebloggt, gerantet könnte man auch sagen: Mikroskopbilder: Maßstab vs. Vergrößerung.
Hier handelt es sich um ein Fluoreszenzbild – in der Probe wurden bestimmte Strukturen markiert und dann, jeder Kanal einzeln, zum Leuchten gebracht. Wie das genau geht, habe ich schon in Farbe und das Fluoreszenzmikroskop erklärt. Im Bild oben wurde “die Mitte” gewählt, das 40fach Objektiv. Wir haben im Stream verschiedene Objektive durchprobiert, für die Fluoreszenz-Aufnahmen benutzten wir ein 20fach, ein 40fach und ein 60fach Objektiv. Oben sieht man die Aufnahme mit dem 40fach Objektiv, und hier drunter “mehr Überblick auf Kosten der Details” mit dem 20fach Objektiv.
All diese Bilder stammen aus dem Live-Stream, und im Eifer des Streams haben Jan und ich nicht darauf geachtet, dass wir für alle Vergrößerungen die gleiche Stelle wählen. Das ist auf jeden Fall eine Lektion für den kommenden Stream am 24.01.2024: Wir machen mehr Bilder und, je nach Kontext, auch an der selben Stelle, wenn es passt. Da wir im Live-Stream lange geredet haben und dabei die Beleuchtung immer an war, sind die meisten Fluoreszenz-Marker an der Stelle, wo wir mit dem 20fach und 40fach Bilder gemacht hatten ausgeblichen, so dass wir für ein Bild mit dem 60fach Objektiv eine andere Stelle nehmen mussten. Aber der Punkt, den ich machen möchte, wird trotzdem deutlich: Ein Wissenschaftly vorm Mikroskop stellt sich nicht die Frage wie sehr etwas vergrößert wird, sondern wie gut der Überblick über die Probe ist und wie gut Details aufgelöst sind – und entsprechend werden Objektive gewechselt. Hier nun die Aufnahme mit dem 60fach Objektiv:
Das verwendete 60fach Objektiv ist ein besonderes: Ein Öl-Immersions Objektiv, bei dem ein besonderes Öl zwischen Objektiv und Deckgläschen der Probe gegeben wird, um mehr Licht einzusammeln und so noch mehr Details sichtbar zu machen. Jan erklärt die Öl-Immersion ausführlich im Video 01-6 (hier der Link zum genauen Zeitpunkt). Natürlich kann man in den Bildern oben sehen, dass die Objektive auch vergrößern – wenn man aber den Fokus auf eine einzelne Zelle legt, so wie das Wissenschaftlys oft tun, wird vielleicht klarer, dass es eher um die Auflösung von Details geht als um die wirkliche Vergrößerung. Im folgenden Bild habe ich mal die Zellen in den blauen Rahmen von oben nebeneinander gesetzt und in der gleichen Größe dargestellt.
Gerade in der biologischen oder medizinischen Forschung, wie sie an der Charité betrieben werden, besteht die Probe meistens aus Zellen. Die können in unterschiedlichen Formen daher kommen: frei in einer Flüssigkeit, wie beispielsweise Blut; in Gewebeschnitten oder eben aus der Zellkultur, aufgewachsen auf Glas, wie es bei den gezeigten Zellen der Fall ist. Die Zellgrößen können variieren, aber die Größen eines Zelltyps in einer Probe sind recht gleich. Was das Wissenschaftly vorm Mikroskop einschränkt, ist die physikalische Beugungsgrenze (darüber habe ich in Ernst Abbe war ein faszinierender Mensch gebloggt) und die kann man sogar mit der Hochauflösungsmikroskopie überlisten, aber für viele Anwendungen reicht ein normales… oder sagen wir besser: reicht ein modernes Forschungsmikroskop wie es im AMBIO in der Charité bei Dr. Jan Schmoranzer steht, völlig aus.
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