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Deutsches Obst und Gemüse ist gesund! So jedenfalls das Fazit der Experten des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) für das Jahr 2007. Fast 18.000 Obst- und Gemüseproben wurden auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln getestet und gerade einmal 2,7% der Produktproben überschritten die strengen gesetzlichen Höchstwerte. Klingt gut und beruhigend, jedenfalls solange man sich nicht an Analyse-Ergebnisse des Lebensmittelmonitorings erinnert, die vor wenigen Monaten bekannt wurden…

Heute sind jedenfalls allerorten die auf den ersten Blick erfreulichen Ergebnisse der “Nationalen Berichterstattung Pflanzenschutzmittelrückstände 2007” nachzulesen. Die Zahl der belasteten Lebensmittel ging weiter zurück; lediglich bei Proben aus dem Ausland ist Vorsicht angeraten: bei Obst und Gemüse aus anderen EU-Ländern waren 5 Prozent mit Pestiziden belastet, bei Produkten aus Nicht-EU- Staaten sogar stattliche 9,5 Prozent.


Vorsorgliche Entwarnung: Grenzwerte bedeuten… nichts?

Aber auch dies – so teilt das BVL in der Pressemitteilung vorsorglich mit – sei bestimmt kein Grund zur Beunruhigung. Denn die Grenzwerte seien selbstverständlich so gewählt, daß eine Gesundheitsgefährdung quasi ausgeschlossen sei. Klingt so, als sei – wie es immer so schön heißt – Qualität aus deutschen Landen tatsächlich ein Gütesiegel.

Allerdings lohnt es sich hier auch genauer hinzusehen: es beginnt damit, daß die Grenzwerte natürlich jeweils für einen bestimmten Stoff gelten. Und hier – tatsächlich – fiel nur jede 40. Probe negativ auf. Allerdings (das steht eher im Kleingedruckten) wurde in immerhin 40,9 Prozent aller Lebensmittelproben mehr als ein Rückstand gefunden – ein Umstand, der gerne vergessen wird.

Widersprüchliche Informationen des BVL?

Aber geschenkt. Bedenklich ist vielmehr, daß die Experten des BVL heute Statements verbreiten, die in deutlichem Widerspruch zu Meldungen stehen, die vor gerade einmal 5 Monaten verbreitet wurden. (U.a. wurde hier im SB-Mahlzeit-Blog berichtet.) Als im Oktober 2008 die Ergebnisse des Lebensmittelmonitorings vorgestellt wurden, ließ sich BVL-Chef Helmut Tschiersky-Schöneburg folgendermaßen zitieren: “Bei einigen Proben liegt die Belastung so hoch, dass bei einmaligem Verzehr gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht auszuschließen sind.”

In 4 von 5 getesteten Salatköpfen hatte man damals gleich mehrere Pflanzenschutzmittel gefunden und zehn Prozent überschritten mehrere Pestizidhöchstgrenzen. Und was die Tomaten angeht, schrieb damals die Süddeutsche Zeitung:

“Tomaten sind nicht besser dran. In jeder zweiten getesteten Tomate haben die Forscher einen wahren Pestizidcocktail gefunden: Insgesamt 72 Giftstoffe verzeichneten die Tester. Am häufigsten Bromid, ein Rückstand des Begasungsmittels Methylbromid, das in Gewächshäusern eingesetzt wird, gefolgt von Procymidon und Pyrimethanil.”

Das Risiko der Risikokommunikation im Lebensmittelbereich

Wie ist dieser Widerspruch zu erklären? Welcher Analyse, welchen Aussagen soll man Glauben schenken? Ist es glaubwürdig, daß beim Lebensmittelmonitoring in 50% der Tomaten im Jahr 2007 bedenkliche Werte gefunden wurden und sich diese erschreckenden Zahlen bei der Berichterstattung Pflanzenschutzmittelrückstände, die sich ebenfalls auf 2007 bezieht, einfach verflüchtigen?

An der Fallzahl kann es kaum liegen: beim Monitoring wurden 4957 Produktproben zugrunde gelegt; beim heute veröffentlichten Datensatz waren 17 700 Proben vorhanden.

Vermutlich muß man sich schon selbst durch die detaillierten Berichte arbeiten und beim Einkauf auf den Gemüsehändler seines Vertrauens bauen… Schade ist nur, daß das BVL einen Vertrauensverlust riskiert (jedenfalls bei Verbrauchern, die sich an solch widersprüchliche Verlautbarungen erinnern).

Kommentare (2)

  1. #1 Chris
    April 6, 2009

    wahrscheinlich erklären sich die widersprüchlichen Aussagen des BvL ganz einfach: Tschierski-Schöneburg hat im Oktober von der Industrie ordentlich einen drüber bekommen für seinen kritischen Bericht und muss seitdem kleine Brötchen backen. Und plötzlich ist alles heile Welt und nichts geht über (konventionell erzeugtes) deutsches Obst und Gemüse. 😉 Schade, so kannte man das BvL früher eigentlich nicht!

  2. #2 Marc
    April 7, 2009

    @Chris:

    Ja, keine Ahnung. Möglicherweise stecken solche Geschichten dahinter. Für den normalen Zeitungsleser sind solche widersprüchlichen Statements freilich absolut verwirrend. Und der Glaubwürdigkeit schadet sowas natürlich auch.