i-ab9944f5514dbe23983d0197d553bf96-Intensivmedizin.jpgWenn man krank ist, vielleicht sogar ein Klinikaufenthalt notwendig wird, so bleibt einem nichts anderes übrig, als in die Fähigkeit der behandelnden Ärzte und die Kompetenz des Pflegepersonals zu vertrauen. Doch Ärzte, Schwestern und Pfleger machen Fehler. Und das leider mit System…

Manche Zwischenfälle sind natürlich unvermeidlich, viel zu viele Pannen gehen allerdings auf die Rechnung eines mangelhaften Qualitätsmanagements in den Krankenhäusern. Eine aktuelle internationale Studie zur Behandlungsqualität auf Intensivstationen liefert nun wieder einmal ein beunruhigendes Ergebnis: nur bei zwei Dritteln der Patienten lief die Medikamentengabe ohne Pannen ab.


Internationale Studie zur Qualität der intensivmedizinischen Behandlung

Vor wenigen Tagen publizierte ein Team um den Intensivmediziner Andreas Valentin die Ergebnisse einer großangelegten Studie. Für die Sentinel Events Evaluation-II (SEE-2)-Studie wurde im Jahr 2007 das Personal von 113 Intensivstationen in 27 Ländern befragt, darunter neun Stationen aus Deutschland.

Die Ärzte und das Intensivpflegepersonal mußte dazu alle Fehler dokumentieren, die innerhalb eines einzigen Tages im Zusammenhang mit der Medikamentenverabreichung passieren. Die Ergebnisse, die im “British Medical Journal” publiziert wurden, sind Grund genug, um über die Qualitätsstandards in Kliniken zu reden:

Innerhalb von 24 Stunden wurden bei 1328 Patienten genau 861 Fehler gemacht.

Innerhalb der fraglichen 24 Stunden ereigneten sich 861 Fehler bei 441 von 1.328 Patienten. Im Abstand von 1:40 Minute folgt Panne auf Panne. Somit waren 33% der Patienten von Medikamentenfehlern betroffen. Bei 250 Patienten trat jeweils ein Fehler auf, bei 191 Patienten mehr als einer.

Zwölf Patienten trugen durch Fehler der Intensivbetreuer bleibende Schäden davon oder starben. Das sind also 0.9% der Intensivpatienten. Zu viele, wenn man bedenkt, daß es absolut vermeidbare Pannen waren: Medikamente wurden gar nicht oder in falscher Dosierung verabreicht, teilweise wurden falsche Medikamente gegeben oder es unterliefen Fehler, was den Applikationsweg angeht.

Gefährliche Routine

Nach Selbsteinschätzung der befragten Ärzte und Schwestern sind die meisten Fehler auf zu hohe Arbeitsbelastung, Stress oder Ermüdung zurückzuführen. Allerdings – das ist eine interessante Beobachtung – gab es bei Notfallbehandlungen relativ wenige Fehler. Die Fehlerwahrscheinlichkeit steigt, je gleichförmiger die Arbeitsabläufe sind. Es gibt also tatsächlich so etwas wie ein tödliche Routine.

Um die Studie nochmal zusammenzufassen: jeder dritte Patient war von Fehlern im Zusammenhang mit der Medikamentation betroffen. Für 1% hatten diese Pannen schwere, teilweise tödliche Folgen.

Keine Fehlerkultur

Michael Zenz und Thomas Weiß vom Uniklinikum Bergmannsheil in Bochum ergänzen, wie die SZ meldet, in einem Kommentar im Ärzteblatt, daß bei solchen Stationen, die ein Fehlermeldesystem eingeführt haben, die Fehlerhäufigkeit deutlich reduziert werden konnte.

“Anscheinend ist die Kultur im Umgang mit Fehlern ein wichtiger Faktor, der die Sicherheit erhöht.”

So die Aussage von Michael Zenz und Thomas Weiß.

Weshalb gibt es kein verpflichtendes System zum Umgang mit Fehlern im Gesundheitssystem?

Die Frage ist: Weshalb ist ein solches System nicht obligatorisch? Denn ein Fehlermeldesystem, das auf Optimierung der Kommunikations- und Arbeitsabläuge abzielte, würde ja nicht nur helfen, die oben skizzierten Medikamentationsfehler zu reduzieren. Denn – wie man aus anderen Studien weiß – gibt es natürlich eine ganze Palette weiterer Pannen und Mißgeschicke, die im Klinikalltag insgesamt die Quote der vermeidbaren (!) Todesfälle oder Schädigungen deutlich nach oben treiben.

Das beginnt mit Nachlässigkeiten bei der Diagnose, geht weiter mit haarsträubenden Pannen bei der Narkose und reicht bis zu vollkommen unverständlichen Schlampereien, was Hygienestandards angeht. Und manchmal sind es schlicht hingeschmierte und mißverständliche Abkürzungen oder Notizen, die Ausgangspunkt für Fehler mit tragischem Ausgang sind…

Fehler zu machen ist eine Sache, nichts aus ihnen zu lernen, eine andere.

Links:

  • Valentin, Andreas et. al (2009): Errors in administration of parenteral drugs in intensive care units: multinational prospective study, in: British Medical Journal, BMJ 2009;338:b814, doi:10.1136/bmj.b814
  • Christina Berndt: Risiko Routine, SZ, 17.4.2009

Kommentare (7)

  1. #1 Fischer
    April 22, 2009

    Ich habe aus zuverlässiger Quelle die Schätzung von jährlich ca. 50.000 Toten durch fehldosierte Medikamente allein in Deutschland.

  2. #2 w
    April 22, 2009

    @Fischer- Bitte ganz höflich um nennung der zuverlässigen Quelle?

  3. #3 Marc
    April 22, 2009

    @Fischer:

    Das ist natürlich eine stattliche Zahl. Aber ich habe kaum Zweifel daran. Zumal – was man zur oben dargestellten Studie ja dazu sagen muß – es dort ja nur um einen ganz kleinen Bereich, nämlich die parenterale Medikation auf Intensivstationen, ging. Und es waren Selbstauskünfte des Personals. Manche Pannen dürften denen selbst kaum aufgefallen sein, manche waren dann evtl. doch zu peinlich und im Klinikablauf gibt es dutzende weitere Fehlerquellen…

  4. #4 Count Ruebe
    April 23, 2009

    @Fischer
    Was, bitte, soll bei wissenschaftlichen Daten eine “zuverlässige Quelle” sein…?
    Die Zahl von 50.000 Toten geistert schon seit Jahren durch die Diskussion und ist z.B. auch der deutschen Wikipedia zu entnehmen. Derartige Zahlen beruhen auf der Übertragung von Ergebnisse aus Studien, die in anderen Ländern durchgeführt wurden, auf Deutschland; sie sind daher mit Vorsicht zu geniessen und differieren je nach zugrundeliegender Studie z.T. erheblich. Valide Daten für Deutschland gibt es (bisher) nicht. Letztlich spielt es aber auch keine Rolle, ob nun 10.000 oder 60.000 Patienten an Medikationsfehlern sterben – es sind in jedem Fall zu viele!

    Ein zwar schon etwas älterer, aber trotzdem guter Übersichtsartikel zum Thema ist hier zu finden: https://aerzteblatt.de/v4/archiv/pdf.asp?id=45606

  5. #5 sarasaraj
    Mai 3, 2009

    wurde noch schlimmer werden,ohne Ärzte.Deutsche Ärzte gehen nach Norden und Ausländische Arzte wurden gemobbt und unterbezahlt.

  6. #6 Thorsten
    Dezember 30, 2009

    Solltet Ihr, eure Eltern oder sogar eure Großeltern pflege benötigen, dann findet Ihr hier eine Seite zum Thema Pflege, Kurzzeitpflege oder die Pflege für zu Hause. Hier habe ich interessante Links, aktuelle News und ausführliche Beiträge für Betroffene und pflegende Angehörige gefunden.

  7. #7 miesepeter3
    Januar 29, 2010

    immer noch besser, als jeder Kfz-WErkstatttest. Was soll`s also?
    In der freien Wirtschaft (gibts die überhaupt?) existieren viele gut funktionierende Systeme zur Fehleraufdeckung und Vermeidung.
    Das kürzlich zu europas besten gekürte System kommt aus dem Hotelleriegewerbe. Dort werden die Meldungen von Fehlern belohnt und jeden Monat gibt es die Wahl zum Fehler des Monats. Der bekommt dann einen Preis. Und natürlich wird dann gegengesteuert, dass dieser Fehler nie mehr gemacht wird. Soll inzwischen echt`n Fehlermangel herrschen.
    Haben Mediziner natürlich nicht nötig, die sind ja sowieso die Besten. Und wer`s nicht glaubt, der stirbt eben.