Jedes Fußballspiel ist längst zu einem Fest für Statistik-Freaks geworden: wieviele Ecken, Einwürfe oder Freistöße eine einzelne Mannschaft auf ihrem Konto hat, gehört zum Informations-Standard. Die Zahl der gewonnenen Zweikämpfe, die Länge des Ballbesitzes oder die Laufwege einzelner Spieler rundet das übliche Statistik-Angebot ab. Nun klären uns Dortmunder Forscher darüber auf, welche Torhüter als die wahren “Elfmeter-Killer” gelten können.
Die Fragen nach Anzahl der Torschüsse oder eben die Laufleistung eines Spielers lassen sich ja einfach beantworten. Da wird gezählt und addiert und damit ist die Sache erledigt. Auch die Tabellen und Punktstände sind ohne Mathematik-Studium nachzuvollziehen (es sei denn man stellt mit diesen Werten raffiniertere Analysen an, wie etwa Metin Tolan). Knifflig wird es allerdings, wenn man andere Parameter erfassen will. Wer ist denn nun wirklich der gefährlichste Stürmer? Wer der beste Torwart?
Die simple Rechenaufgabe, die einfach die Zahl der Tore durch die Anzahl der Spiele teilt, taugt dafür jedenfalls nicht. Für eine Analyse der besten Torhüter in Elfmeter-Situationen haben Statistiker der TU Dortmund nun eine kleine Tabelle erstellt. Mit verblüffenden Ergebnissen.
Wer ist der beste Torhüter?: Haltewahrscheinlichkeiten, Treffsicherheit…
Es leuchtet ein, daß man den besten Elfmeter-Killer nicht durch einfache Additions- und Divisionsprozeduren herausfindet. Denn sonst müßte man beispielsweise Karl Eisenhofer, der von 1963 bis 1965 bei Eintracht Frankfurt als Torhüter spielte, als den ultimativen Elfmeterschreck bezeichnen. Denn Eisenhofer hat immerhin eine 100% Erfolgsquote an gehaltenen Elfmetern vorzuweisen. Das Problem: es gab nur einen Elfmeter in seiner Bundesliga-Karriere – und den hat er gehalten…
Welche Faktoren sind entscheidend für den wahren Elfmeter-Killer?
Was sind aber tatsächliche Gradmesser, wie erfolgreich ein Torhüter zwischen den Pfosten agiert? Die Stärke und Erfahrung des Schützen muß sicher mit einbezogen werden, dann natürlich irgendein Faktor, der letztlich angibt, in welchem Ausmaß die Erfolgsquote des jeweiligen Torhüters von der Quote abweicht, die ein zufälliger “Norm”-Torhüter erreicht hätte.
Über weitere Details schweigt sich die Mitteilung der Uni Dortmund leider aus; jedenfalls hat sich das Team um Prof. Dr. Katja Ickstadt für ein “logistisches Regressionsmodell” entschieden (zu Details kann sicher Thilo vom Mathlog Auskunft geben). Dieses komplexe mathematische Verfahren ermöglicht es offenbar, bei der Errechnung der individuellen Halte-Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen, wie viel Information für jeden Torhüter vorliegt. Dabei gehen die Statistiker von der Grundannahme aus, daß die Haltefähigkeiten aller Torhüter normalverteilt sind.
Über Torhüter, die an wenigen Elfmetern beteiligt waren, ist nicht viel bekannt. Daher liegt ihre errechnete Haltefähigkeit nahe am Mittel aller Torhüter. Für Torhüter, die an vielen Elfmetern beteiligt waren, liegt jedoch mehr Information vor, so daß für diese Torhüter die einzelnen Halte-Wahrscheinlichkeiten sich ihrer tatsächlich beobachteten Haltequote nähern.
Die beste individuelle Halte-Quote erzielt Rudi Kargus vom HSV.
Die Elfmeter-Killer-Formel
Wenn man das alles plausibel kombiniert, dann kommt man am Ende doch zu einer Rangliste. Es wurden alle 3.828 Elfmeter, die seit der ersten Bundesliga-Saison 1963/1964 geschossen wurden, untersucht. Auf Platz 1 des Rankings steht jedenfalls Rudi Kargus, der unter anderem beim Hamburger SV spielte. Er hat von 70 Elfmetern immerhin 23 gehalten. Das ist Rekord.
Auf Platz zwei steht Robert Enke, aktueller Nationaltorhüter und sonst in Diensten von Hannover96. Er hat 10 von 23 Elfmetern pariert. Eine deutlich bessere Quote als Kargus, aber die “individuelle” Haltefähigkeit ist nach der Formel offenbar schlechter. Auf dem dritten Platz folgt dann Andreas Köpke (13 von 41).
Und nach Jean-Marie Pfaff, dem Bayern-Keeper der 80er Jahre folgt eine Torhüter-Legende auf Platz 5: Petar Radenkovic! Radenkovic war Publikumsliebling und Torwartstar der 60er Jahre und spielte in den großen Zeiten bei 1860 München. Und er hielt gute 12 von 34 Elfmetern.
Jens Lehmann, der im WM-Viertelfinale 2006 mit seinem Spickzettel die argentinischen Stars irritierte, landet übrigens auf einem wenig ruhmreichen 233. Platz (6 von 34). Allerdings fließen in die Statistik nur Bundesliga-Elfmeter ein. Kaum besser – nämlich auf Platz 226 (10 von 58) – platziert sich Oliver Kahn.
Traurige Schlußlichter
Interessant ist dann wieder das Ende der Tabelle. Auf dem vorletzten Platz der 280 Torhüter landet ein ehemaliger Bayern-München-Spieler. Walter Junghans nämlich, der 1979 Keeper wurde, und nur einen von 24 Elfmetern hielt.
Und Schlußlicht, damit lausigster Torwart, wenn es um Elfmeter geht, ist einer, der bis heute von Fußballfans verehrt wird: Sepp Maier! Der Weltmeister von 1974 und erfolgreiche Torhüter hielt ganze 9 von 69 Elfmetern. Schlechter geht’s – jedenfalls nach Meinung der Dortmunder Statistik-Profis – nicht.
[Update | 16:00 Uhr]
Das vollständige Paper findet man hier als PDF:
- Bornkamp B, Fritsch A, Kuss O, Ickstadt K (2009) Penalty Specialists Among Goalkeepers: A Nonparametric Bayesian Analysis of 44 Years of German Bundesliga. In: Schipp, B; Kräer W (Hg.) Statistical Inference, Econometric Analysis and Matrix Algebra, Festschrift in Honour of Götz Trenkler. Physica-Verlag, Heidelberg, 63-76
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