i-bd92ed036acc52e3e8215ffe681204f4-Radfahrer01.jpgEpo wirkt! Das belegt nicht nur der Radsport, wo Epo seit den 90er Jahren zur unerlaubten Ausdauersteigerung eingesetzt wurde. Inzwischen sind die fragwürdigen Radhelden vermutlich auf andere Dopingmittel umgestiegen. Doch während die Popularität von Lance Armstrong* und seinen scheinheiligen Kollegen glücklicherweise schwindet, steht Epo möglicherweise erst am Beginn einer vielversprechenden Karriere.

Die Abkürzung EPO steht ja für das körpereigene Hormon Erythropoetin, das in der Niere gebildet wird. Als so genanntes Glykoprotein-Hormon ist Erythropoetin an zentraler Stelle bei der Bildung roter Blutkörperchen (Erythrozyten) beteiligt. Ursprünglich wurde EPO biotechnologisch synthetisiert, um Dialysepatienten (deren Nieren kein oder zu wenig Epo herstellen) zu behandeln.


Doping für Herz & Hirn

Bis 2000 konnte man in den Dopinglabors zwischen natürlichem und künstlichem EPO nicht unterscheiden – ein Freibrief für skrupellose Fahrer von Jan Ullrich bis Lance Armstrong.

Erythropoetin (egal ob aus körpereigener oder künstlicher Quelle) wirkt nämlich stimulierend auf die Stammzellen des Knochenmarks, die rote Blutkörperchen herstellen, die wiederum für den Sauerstoff-Transport zuständig sind. Und genau diesen Effekt machten sich die Ausdauersportler zu nutze. Bis 2000 konnte man in den Dopinglabors zwischen natürlichem und künstlichem EPO nicht unterscheiden – quasi ein Freibrief für krankhaft ehrgeizige Radprofis von Jan Ullrich bis Lance Armstrong.

Ob EPO auch bei der diesjährigen Tour de France wieder eine Rolle spielt (möglicherweise in einer modifizierten Variante?), kann ich nicht sagen. Aber eigentlich ist es auch fast gleichgültig, was im Radsport passiert. Viel spannender sind die jüngsten Studien zu Erythropoetin, das möglicherweise viele weitere positive Effekte hat.

EPO als Allzweckwaffe?

Die Untersuchungen der letzten Jahre legen nämlich nahe, daß EPO sozusagen auf Herz & Hirn wirkt. Tatsache ist, daß in eigentlich allen Organen des menschlichen Körpers Epo-Rezeptoren zu finden sind.

In Zellkulturen, sowie in Tierversuchen ist längst bestätigt, daß Erythropoetin eine zellschützende und regenerative Wirkung hat. Das macht Epo zu einem spannenden Kandidaten für die Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen (wie etwa Multiple Sklerose etc.) oder akuten neurologischen Schädigungen wie etwa nach Schlaganfällen.

Epo hat eine zellschützende und -regenerative Wirkung. Es steht als vielversprechender Kandidat bei Schlaganfällen, Infarkten oder Multiple Sklerose in den Startlöchern

Die Studiengruppe von Hannelore Ehrenreich vom Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin in Göttingen hat in mehreren Studien die Effekte von Epo bei Schlaganfällen untersucht. Mit ausgesprochen positiven Ergebnissen. Auch bei Herzinfarkten wirkt die schnelle Gabe von Epo – die Folgeschäden sind geringer, wie auch eine Studie am Deutschen Herzzentrum in München belegte.

Aber möglicherweise gibt es noch mehr Indikationen für den Einsatz von Epo: im Mäuseversuch wirkte es stimulierend auf die Nerventätigkeit im Hippocampus und Mäuse, die eine dreiwöchige EPO-Kur verabreicht bekamen, zeigten verbesserte Leistungen des Kurz- und Langzeitgedächtnisses.

Letzten September erklärte Ehrenreich:

Junge Mäuse, die drei Wochen lang systematisch mit Epo behandelt werden, haben ein deutlich besseres Gedächtnis – ähnlich den dramatischen Verbesserungen von Ausdauer und Muskelkraft von Athleten, die sich mit Epo dopen.

Klingt gut. Nun muß man freilich abwarten, ob sich diese Indizien weiter erhärten. Sollten sich diese vielversprechenden neuen Behandlungsansätze tatsächlich durchsetzen, so steht dem heute mit einem zweifelhaften Ruf belasteten Epo vielleicht doch noch eine glänzende Karriere bevor.

Bereits heute werden weltweit jährlich mehr als 10 Milliarden US-Dollar mit Epo-Präparaten verdient. Klar: etwa eine halbe Million Sportler – so die Expertenschätzung – dopen sich mit dem Stoff. Künftig könnte Epo für die Pharmafirmen noch lukrativer werden…

Zu hoffen ist, daß “vernünftige” therapeutische Indikationen zu einem Comeback von Epo führen. Für Lance Armstrong und Co. wird das allerdings wenig nutzen. Denn das Epo der Zukunft wird aus einer neuartigen Molekülvariante bestehen. Um unerwünschte Nebeneffekte zu vermeiden, bevorzugen die Mediziner das sogenannte carbamylierte Epo (Cepo) Das hat zwar einen Schutzeffekt für Nervenzellen, kurbelt aber die Blutbildung nicht an.

Pech gehabt, Lance.

Links:


* Im Dezember 2004 wurden – nach Recherchen von L’Équipe – in tiefgefrorenen Urinkonserven des siebenfachen Tour-de-France-Siegers Lance Armstrong Spuren von nicht körpereigenem EPO nachgewiesen. Armstrong bestreitet natürlich die Einnahme von Epo. Aber wer erwartet auch Aufrichtigkeit bei Radprofis…

Kommentare (3)

  1. #1 hockeystick
    Juli 11, 2009

    Fehlt vielleicht noch der Hinweis, dass Frau Ehrenreich mehrere Patente darauf angemeldet hat, EPO für so unterschiedliche Indikationen wie Multiple Sklerose und Schizophrenie einzusetzen. Und vielleicht auch darauf, dass EPO seit Jahren auch bei Krebspatienten eingesetzt wird und dabei im Verdacht steht, das Leben der Patienten zu verkürzen.

  2. #2 Anonymous
    Juli 12, 2009

    “Inzwischen sind die fragwürdigen Radhelden vermutlich auf andere Dopingmittel umgestiegen.”

    Da gab es die Tage in der Taz ein interesantes interview:
    https://www.taz.de/1/sport/artikel/1/mir-ist-die-lust-vergangen

    “Epo ist sicherlich immer noch von hohem Interesse für Radprofis, aber diese entdeckten Cera-Manipulationen haben eine hohe Abschreckung gehabt.”

  3. #3 ScienceBlogs-Redaktion
    Juli 13, 2009

    @hockeystick:

    Danke für den ergänzend-korrigierenden Hinweis. Als ich den beitrag am Freitag getippt hatte, hatte ich so ein wenig auch ein seltsames Gefühl, da Frau Ehrenreich das Feld ganz schön zu dominieren scheint. Und bereits vor 5-6 Jahren gab’s aus ihrer Gruppe vielversprechende Ergebnisse zu Epo, die aber eben – das hätte mich selbst ein wenig stutziger machen sollen – kein so riesiges Echo gefunden haben. (Im Sinne von anderen, weiterführenden Studien.)

    Mein diffuses Unbehagen habe ich im Text oben ja durch einschränkende “vielleicht’s” zum Ausdruck gebracht. Und durch den Hinweis, daß weitere Belege erforderlich sind, vgl.:

    Klingt gut. Nun muß man freilich abwarten, ob sich diese Indizien weiter erhärten. …