»Die Sonne schickt uns keine Rechnung.« So lautete das mantrahaft vorgetragene Glaubensbekenntnis des Journalisten Franz Alt. Und man darf vermuten, daß Franz Alt in den letzten Wochen die Berichterstattung über das Projekt “Desertec” wohlwollend beobachtet hat; die lange Zeit kaum diskutierte Solarthermie feiert derzeit eine glänzende Renaissance.
Heute haben sich in München zwölf namhafte Industrieunternehmen zur Desertec-Initiative zusammengetan, die binnen weniger Jahre in Nordafrika ein Solarthermie-Projekt realisieren will, das richtungsweisend sein könnte. Was steckt dahinter? Woher kommt die Begeisterung der Unternehmen für dieses Konzept?
Kommt der Strom der Zukunft aus der Wüste?
Nach dem Vattenfall-Fiasko mit Krümmel, ist man geradezu dankbar über neue, positive Nachrichten aus der Energiebranche.
In Zeiten, in denen führende Energiekonzerne öffentlichkeitswirksam ihre Inkompetenz beim Betrieb hochtechnologischer (und dabei zugleich hochrisikoträchtiger!) Anlagen demonstrieren, ist man ja schon fast dankbar, wenn sich die Berichterstattung wieder anderer Themen annimmt. Aber vielleicht war es auch ganz gut so, daß Vattenfall zuletzt mit dem Atomkraft-Fossil Krümmel ein kleines Waterloo erlebte: die Tücken der Kernkraft sind der Politik und Öffentlichkeit wieder einmal in aller Deutlichkeit vor Augen geführt worden.
Doch wie sind die Alternativen? Daß die Verfeuerung von fossilen Rohnstoffen purer Irrsinn ist, steht außer Frage. Über die Folgen der weiter steigenden CO2-Emissionen kann man ständig bei “Primaklima” nachlesen. Daß gehandelt werden muß, wurde zuletzt beim Panel zu “Global Warming” zum Abschluß der Lindauer Nobelpreisträgertagung deutlich.
Die Diskussion über alternative, erneuerbare Energiequellen wird in der Öffentlichkeit seit mindestens 20 Jahren geführt; mal mit mahnendem Unterton, mal mit entspannt-zuversichtlichem Zungenschlag. Klar ist, daß es auf den Energiehunger der industriellen Gesellschaften nicht eine einzige, alleinseligmachende Antwort gibt. Man kann das Land einfach nicht mit Windkraftanlagen zupflastern. Und die Photovoltaik? Da stellt sich eben die Frage nach der Effizienz.
Klar ist, daß es auf den Energiehunger der industriellen Gesellschaften nicht eine einzige, alleinseligmachende Antwort gibt.
Die Technik hinter der Solarthermie
Eigentlich erstaunlich, daß in den letzten Jahren recht selten über Solarthermie gesprochen wurde. In solarthermischen Anlagen wird die Sonnenstrahlung mit einem großflächigen System von Spiegeln auf einen Absorber konzentriert, durch den (je nachdem) Wasser, synthetisches Öl oder ein anderer Wärmeträger zirkuliert.
Dieser Wärmeträger erhitzt sich und bringt Wasser zum Verdampfen; über diesen Dampf – das ist dann konventionelle Kraftwerkstechnologie – wird eine Turbine angetrieben, die elektrische Energie erzeugt. (Details zur Technik auch bei Wikipedia.)
Soweit zur (grauen) Theorie der Energieerzeugung, die gar nicht grau, sondern höchst vielversprechend klingt. Doch wo ist der Haken? Gibt es einen? In der Praxis der Solarthermie zeigt sich freilich eines der Probleme: Solarthermieanlagen brauchen Platz. Sehr viel Platz. Und natürlich entsprechende Sonneneinstrahlung.
Offene Fragen
Hierzulande wären beide Bedingungen kaum erfüllbar. Im Süden Spaniens und erst recht in Nordafrika finden sich dagegen ideale Rahmenbedingungen. Und genau hierauf zielt das aktuelle Desertec-Projekt. In der Sahara-Region soll bereits ab 2015 im großen Maßstab solarthermische Energie erzeugt werden.
Darauf haben sich u.a. die Münchener Rück, die Energiekonzerne RWE und E.on, sowie Siemens und die Deutsche Bank verständigt. Auf rund 400 Milliarden Euro werden die Kosten veranschlagt. Man darf davon ausgehen, daß das niedrig kalkuliert ist.
Zwischen 1991 und 2006 wurde weltweit kein einziges Solarthermie-Kraftwerk gebaut. Wieso jetzt?
Doch natürlich stellen sich weitere Fragen. Die erste: Warum ausgerechnet jetzt? Schließlich wurde zwischen 1991 und 2006 weltweit kein einziges kommerzielles Solarthermie-Kraftwerk gebaut. Die Antwort gibt freilich ein Blick auf die Entwicklung des Ölpreises: der war in den 90ern unverschämt niedrig.
Davon, daß die Technologie prinzipiell hervorragend und zuverlässig funktioniert (und das will schon was heißen) darf man freilich ausgehen. Seit mehr als zwanzig Jahren läuft in der kalifornischen Mojave-Wüste ein große Anlage. Dort verrichtet ein Parabolrinnen-Kraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 14 Megawatt seinen Dienst. Wie gesagt: Vielversprechend!
Wartungsarbeiten an der kalifornischen Anlage:
Zu klären sind nun zunächst zwei offene Punkte: erstens – in technologischer Hinsicht – die Frage des Energietransports. Denn mit den bestehenden Leitungsnetzen und Kapazitäten wird das nichts. Es muß ein neues Leitungsnetz (mind. über 3.000 Kilometer) erstellt werden. Die Übertragung über effiziente Gleichstrom-Hochspannungsleitungen wird nach Schätzungen mind. 45 Milliarden Euro kosten.
Und zweitens – dies ist eine politische Frage – muß geklärt werden, wie man dieses industrielle Großprojekt in den jeweiligen Staaten (Algerien, Marokko …) zuverlässig betreiben will, ohne in neue Abhängigkeiten zu rutschen oder Opfer der möglicherweise instabilen politischen Verhältnisse zu werden.
Diese Fragen müssen nun sicher auch von politischer und EU-Seite geklärt werden. In Sachen Wissenschafts- und Technologiekommunikation haben die Mitglieder der Desertec-Initiative jedenfalls einen bemerkenswerten Job gemacht. Die Website ist gut gemacht – und die Tatsache, daß man über Solarthermie in den letzten Tagen soviel liest wie nie, spricht auch für sich.
Man darf gespannt sein. Auf den Strom aus der Wüste.
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Nordafrika als Energielieferant Europas? – Die Desertec-Vision:
Desertec-Website- Ein zweiter Frühling für solarthermische Kraftwerke, Neue Zürcher Zeitung, Januar 2008
- Greenpeace-Studie zum Wüstenstrom (PDF)
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