i-bd2da27fa2f3675d7bc71ffb58c43d55-Ente.jpgDie Infektionen mit dem Schweinegrippevirus H1N1 nehmen weiter zu. Aktuell sind mehr als 4.000 Grippefälle in Deutschland bestätigt, das ist (noch) überschaubar. In Großbritannien etwa sind die Krankheitszahlen in den letzten Wochen enorm angestiegen – die Urlaubssaison könnte auch bei uns zu einer rasanten Ausbreitung führen. Und möglicherweise droht Gefahr aus einer bislang kaum beachteten Richtung: ausgerechnet das Grippemedikament “Tamiflu” könnte zur Entstehung von resistenten Viren beitragen.

Bislang ist in Sachen Schweinegrippe sicherlich keine Panik angezeigt. Auch wenn die Fallzahlen kontinuierlich steigen und die Bundesländer nun eine großangelegte Impfaktion beschlossen haben: der Krankheitsverlauf nach einer H1N1-Infektion ist fast immer ziemlich mild. Allerdings sollte man sich eben nicht darauf verlassen, daß dies so bleibt. Grippeviren sind Wandlungskünstler. Deshalb sind die Vorsichtsmaßnahmen der Behörden (wenn etwa Schulen geschlossen werden) auch gerechtfertigt. Probleme könnte man sich allerdings einhandeln, wenn massenhaft das antivirale Medikament Tamiflu (Wirkstoff: Oseltamivir) zur Anwendung kommt…

Als sich 2006 die Vogelgrippe in Asien ausbreitete, schlug die Stunde von Tamiflu. Für den Hersteller Roche ein Riesengeschäft…

Tamiflu: Lösung oder Teil des Problems?

Als sich im Frühjahr 2006 die Vogelgrippe in Asien ausbreitete, schlug die Stunde von Tamiflu. In den Apotheken war Tamiflu ausverkauft und hunderttausende verunsicherte Bundesbürger bunkerten das antivirale Medikament.

Seitdem gilt Tamiflu (mit dem Wirkstoff: Oseltamivir) in der Öffentlichkeit als Geheimwaffe, wenn wieder einmal Meldungen einer Influenza-Epidemie beunruhigen. Und tatsächlich – es war bei der Vogelgrippe (H5N1) so und gilt auch für die Schweinegrippe (H1N1) – im Erkrankungsfall können die antiviralen Medikamente Tamiflu und Relenza die Symptome mindern und die Dauer der Krankheit verkürzen. Das ist durchaus was wert, aber es gibt möglicherweise auch Begleiterscheinungen, wenn Oseltamivir von hunderttausenden Betroffenen eingenommen wird.

Der menschliche Körper scheidet nämlich einen Großteil des Wirkstoffs (überwiegend in Form von Oseltamivircarboxylat) wieder aus; und dieser gelangt über die Kanalisation und Kläranlagen in normale Gewässer, Flüsse und Seen. Denn Oseltamivir ist chemisch sehr stabil, ist weitgehend UV-beständig und wird in den Kläranlagen nur minimal abgebaut. Das ergab auch schon eine schwedische Studie des Jahres 2007. (vgl. Fick, Lindberg et. al., siehe unten)

Der Wirkstoff Oseltamivir gelangt in Flüsse und Seen und wird dort von Enten aufgenommen.

Nun haben die schwedischen Forscher der Unis Uppsala und Umea mit Kollegen der Universität Kyoto eine neue Studie publiziert: sie haben im letzten Winter während der Grippewelle in Japan Gewässerproben entnommen und dort größere Mengen Oseltamivir gefunden.

Das Problem bzw. die Befürchtung der Forscher: Wasservögel, v.a. Enten könnten so die gefährliche Brutstätte für gefährliche neue Virenstämme werden. Viren allerdings, die gegen antivirale Medikamente wie Tamiflu resistent sind.

Die Forscher schreiben in ihrer aktuellen Studie, die jetzt bei PLoS publiziert wurde:

This study shows, for the first time, that low levels of oseltamivir can be found in the aquatic environment. Therefore the natural reservoir of influenza virus, dabbling ducks, is exposed to oseltamivir, which could promote the evolution of viral resistance.

Sollte sich die Befürchtung der schwedischen Wissenschaftler irgendwann bewahrheiten, so wäre dies ein bitterer Nebeneffekt der unbedacht-naiven Einnahme von Tamiflu. Denn im aktuellen Stadium ist der positive Effekt auf den Krankheitsverlauf der Schweinegrippe nur minimal. Experten sagen, daß die Symptome mit Tamiflu eventuell einen Tag früher wieder verschwinden.

Ob dieser marginale Nutzen das Risiko einer Bildung von resistenten Virenstämmen legitimiert? Vermutlich nicht, solange der Verlauf der Grippe so mild ist. Aber das kann sich durchaus ändern, so daß Tamiflu wirklich massenhaft verschrieben und eingesetzt würde, was wiederum die Belastung der Gewässer und das Risiko der Resistenzbildung… ein Teufelskreis, allerdings bislang im Konjunktiv.

Link:

Kommentare (16)

  1. #1 Sören Schewe
    Juli 29, 2009

    Mal eine kurze Frage: habe im Fernsehen gesehen, dass die Schweinegrippe per Callcenter diagnostiziert wird. Kann es da nicht passieren, dass da bei einigen die Schweinegrippe diagnostiziert wird, die sie gar nicht haben?

  2. #2 Patrick
    Juli 29, 2009

    @ Sören:

    Ja, vermutlich ist das auch Sinn der Sache…
    Man überlege sich: Ein “Callcenter” für Krankheitsdiagnose. Man hätte es auch “Sorgentelefon” nennen können, dann wäre die Masche nicht so auffällig.

    Zu Tamiflu:
    Die Frage ist wohl, ob es überhaupt eingesetzt wird, falls die Impfung zuvor kommt.
    Hier habe ich eine Frage: Womit wird mehr Geld verdient – Mit Tamiflu oder einer Impfung auf Kassenbeträge… die auf kurz oder lang sowieso dem Versicherten auferlegt werden?

  3. #3 Andrea N.D.
    Juli 29, 2009

    Oseltamivir ist doch in Deutschland verschreibungspflichtig oder bin ich falsch informiert? Damit ist es keine Selbstmedikation. Der beschriebene Effekt bleibt selbstverständlich derselbe; es kann aber gefragt werden, inwieweit die Verschreibungspflicht in Deutschland den Effekt gegenüber Japan verzögern könnte bzw. ob über die Verschreibungspflicht einem derartigen Effekt entgegengewirkt werden könnte.

  4. #4 Pitt
    Juli 30, 2009

    Hier ist etwas über den Erfinder von Tamiflu.
    Sehr interessant
    https://alles-schallundrauch.blogspot.com/2009/07/wer-ist-der-erfinder-von-tamiflu.html

  5. #5 strappato
    Juli 30, 2009

    Verschreibungspflichtig ist das in Japan auch. Trotzdem haben Japaner den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch von Tamiflu. Das wird dort genauso locker bei Grippe-Symptomen verschrieben wie Hustensaft bei Kleinkindern hierzulande.

  6. #6 Marc
    Juli 30, 2009

    @Sören:

    Dazu kann ich wenig sagen, da ich den Bericht im Fernsehen nicht gesehen habe und mir unter den “Callcentern” zur Schweinegrippe-Diagnose wenig vorstellen kann.

    Es ist allerdings wohl eher so, daß die Zahl der tatsächlichen Schweinegrippe-Fälle höher ist, als es die offiziellen Statistiken ausweisen. Denn – wie geschrieben – der Verlauf der Erkrankung ist fast immer recht harmlos. Viele werden vielleicht eher nicht zum Arzt gehen und die Symptome 3-4 Tage mit Hausmittelchen kurieren.

    @Andrea N.D.

    Es stimmt Tamiflu und Relenza sind verschreibungspflichtig. Allerdings ändert das nichts daran, daß in Privathaushalten wirklich nennenswert große Mengen an Oseltamivir-Präparaten vorhanden sind.

    Das hat wohl zwei Gründe: damals zur Vogelgrippe-Welle (2005-2006) wurde Tamiflu massenhaft nachgefragt (und die Ärzte haben es großzügig und auf Vorrat verschrieben). Tamiflu ist fünf Jahre haltbar. Die Vorräte in den Hausapotheken stehen also noch zur Verfügung. Und nach den Schweinegrippe-Fällen im April 2009 hatten wir das selbe Phänomen: besorgte Patienten haben ihre Ärzte bedrängt und diese haben reihenweise Rezepte ausgestellt. In manchen Regionen in Deutschland war in den Apotheken im Mai kein Tamiflu mehr zu bekommen.

    Außerdem (letzter Grund dafür, daß in Privathaushalten Tamiflu bereitgehalten wird): viele Firmen hatten größere Mengen Tamiflu geordert und diese (wie ich weiß) großzügig an ihre Mitarbeiter verteilt. Im Ergebnis haben wir derzeit in Deutschland sicher millionenfach* Tamiflu-Vorräte in den Hausapotheken – insofern ist das dann doch Selbstmedikation, wenn die Leute es einnehmen.

    * Ergänzung (16:30Uhr): Wie strappato unten in den Kommentaren reklamiert, muß man von deutlich geringeren Mengen ausgehen. Im Jahr 2006 wurden im freien Verkauf schätzungsweise nur rund 20.000 Packungen abgegeben. Im Jahr zuvor wohl rund 100.000 Packungen Tamiflu.

  7. #7 strappato
    Juli 30, 2009

    Die Ärzte haben es grosszügig verschrieben? Wo ist denn die Information her?

    Vielleicht sollte man sich an Fakten halten. Nach dem Arznei-Report wurden 2006 nur 100.000 DDD (defined daily doses – Tagesdosen) verschrieben. Die “Tagesration” ist nach der ATC/DDD-Liste 150 mg. Eine Packung mit 10 Tabletten je 75 mg reicht für 5 Tage. Danach wurden 2006 rund 20.000 Packungen verschrieben. “Grosszügig” und “massenhaft” ist was anderes. Gegenüber dem Vorjahr 2005 bedeutet dies einen Rückgang von 88%. Also 2005 zwar mehr Verschreibungen, aber keine “Massen”. Die Haltbarkeitsdauer ist seit 2009 nun 7 Jahre, jedoch ist auf den Packungen, die 2005/2006 abgegeben worden sind noch 5 Jahre angegeben. Man kann davon ausgehen, dass von den 2005 verkauften Packungen eine Vielzahl ein Haltbarkeitsdatum bis höchstens Ende 2009 haben, also vom Patienten als “abgelaufen” identifiziert und eher im Müll als im Magen verschwinden werden.

    Was die von den Unternehmen eingelagerten Medikamente betrifft: Die wurden im Rahmen von Unternehmens-Pandemie-Plänen beschafft, die klar regeln, wann diese auszugeben sind. Der kleinste Teil ist direkt ins Medikamentenschränkchen des Mitarbeiters gelandet.

  8. #8 strappato
    Juli 30, 2009

    Nachtrag: Die detailierte statistische Übersicht weist es 2006 mit Rang 2728 bei den meistverordneten Medikamenten aus, mit 25300 Verordnungen und 134.000 DDDs aus. Wo komen nun die “millionenfach Tamiflu-Vorräte in den Hausapotheken” her? Tatsache ist, dass es in diesem Jahr einen kleinen Boom gegeben hat. Jedoch bei den Grosshändlern. Es wurde “Channel-Stuffing” betrieben. Die Apotheken haben grosse Mengen geordert, weil Roche meldete, das es zu Lieferengpässen kommen könnte. Klassische Methode, um die Bilanz aufzubessern. Ob die auch verschrieben und verkauft werden bleibt offen.

  9. #9 Marc
    Juli 30, 2009

    @strappato:

    O.k., ich habe ehrlicherweise keine so gut belegten Daten. Meine Informationen basieren auf verschiedenen Medienberichten und aus Informationen, die ich aus dem Bekanntenkreis habe.

    Die 20.000 Packungen, die nach Deinen Informationen (bzw. Arznei-Report) insgesamt 2006 in Apotheken verkauft wurden, sind natürlich überhaupt keine nennenswerte Menge. Da muß/müßte ich meine Darstellung natürlich revidieren.

    Allerdings lese ich auch jetzt wieder in diesem Spiegeltext, daß etwa dieses Jahr in der Woche vom 22. bis 28. April etwa 115.000 Tamiflu-Packungen über den pharmazeutischen Großhandel an Apotheken verteilt wurden.

    Wie gesagt, ich habe keine vernünftige Datenquelle. Aber wenn ich in dann doch halbwegs seriösen Medienberichten lese, daß in nur einer Woche 115.000 Packungseinheiten an die Apotheken ausgeliefert wurden und die Apotheken dennoch in manchen Landkreisen melden, daß die Vorräte ausverkauft sind, dann schließe ich daraus doch wieder, daß relevante Mengen beim Endverbraucher liegen. Oder wie sind diese Zahlen zu erklären?

    Und zu den Unternehmen: da weiß ich eben aus dem persönlichen Umfeld, daß Mitarbeiter Tamiflu-Notfall-Packs ausgehändigt bekamen. In welcher Größenordnung das passiert, weiß ich freilich nicht.

  10. #10 Marc
    Juli 30, 2009

    @strappato:

    Hmmm… Deine letzte Antwort sehe ich erst jetzt, nachdem ich meine Antwort getippt und abgeschickt habe.

    Sind auch die Verordnungszahlen der Jahre 2005 + 2007/2008 bekannt? Vermutlich bin ich – was ich gerne eingestehe – zu naiv und habe einfach kurzschlüssig aus den Auslieferungen an die Apotheken (und den kursierenden Angaben dazu) die Zahl der in Patientenhänden vorfügbaren Tamiflu-Packungen geschlossen.

    Konkret: Für mich ist/war halbwegs klar, daß die Apotheken das Zeug auch verkaufen und nicht nur in die Schublade legen und irgendwann wieder retour schicken. Aber anscheinend habe ich mich hier gewältig verschätzt?!

  11. #11 strappato
    Juli 30, 2009

    Wo bleibt denn der kritische wissenschaftliche-journalistische Blick? Die Apotheken melden doch nicht selber. Da kommt ein Journalist und fragt nach. Der fragt solange, bis er eine Apotheke gefunden hat, die ausverkauft ist. Erst das bringt eine gute Story, die in die Hysterie passt.

    So, ich habe jetzt mal zwei mir bekannte Apotheker angerufen. Die Verkäufe kann man in den letzten Wochen an einer Hand abzählen. Von Panik keine Spur. Die beiden haben 10 bzw. 12 Packungen auf Lager. Tamiflu-Trockensubstanz (braucht man für Kinder) war schlecht zu bekommen.

    Was die 115.000 Packungen angeht: Es gibt in Deutschland 21.000 Apotheken. Also hat im Durchschnitt jede den Bestand um 5 aufgestockt.

  12. #12 Marc
    Juli 30, 2009

    @strappato:

    O.k., gewonnen.

    Danke für die Klarstellung. Wie gesagt, ich habe einfach die kursierenden Zahlen bzgl. der Apothekenbestellung hergenommen und dann grob abgeschätzt, was wohl über die Ladentheke gegangen sein mag.

    Aber ich glaube gerne und nehme das ja erfreut zur Kenntnis, daß es doch keine riesige Nachfrage nach Tamiflu von Privatpersonen gibt. Sehr gut.

    Dennoch noch als kleine ergänzende Info: ich habe vor 2 Stunden per Twitter nachgefragt, wieviel Follower denn privat Tamiflu vorrätig haben. Es gab 6 Antworten, 4 x Fehlanzeige, 2 meiner Follower haben allerdings Tamiflu zuhause. Aber, zugegeben, das sind Anekdoten und keine Zahlen.

  13. #13 a.w.
    August 8, 2009

    Tamiflu ist so wie der überwiegende Teil der sogenannten Medikamente nur ein symptombekämpfendes Mittel und hat keinen therapeutischen Wert, wenn man von der Vergrösserung des Kontos der Verkäufer absieht. Daneben gibt es die üblichen Probleme mit Resistenzen.
    Gar nichts tun und sich schonen, bis die natürliche Heilkraft die Krankheit wieder besiegt hat, wäre besser. Einzig die Homöpathie kann hier wirklich therapeutisch den Heilprozess unterstützen.
    Sanft, sicher und kostengünstig. Das wird unterdrückt, weil eine Menge Geld zu machen ist mit diesem Müll.

  14. #14 Tobias
    August 8, 2009

    a.w.
    Danke, wieder was zum Lachen. Das einzige was die Homöopathie kann, ist den Plazeboeffekt teuer zu verkaufen. Dein letzter Satz stimmt also: es ist eine Menge Geld zu machen mit diesem (wirkungslosen) Müll.

  15. #15 a.w.
    August 11, 2009

    @ tobias

    Schön dass Du was zum Lachen hast. Lachen ist gesund. Es stimmt aber trotzdem. Mit Tamiflu kannst Du maximal den Heilprozess stören, sonst aber auch schon gar nichts.

  16. #16 reiner
    August 20, 2009

    Also laut medizinfachleuten ist diese These wahr.
    Tamiflu ist aber noch wirksam und auch erhältlich auch ohne rezept.
    Auf https://www.medizinkaufen.com