Erhöht die Handynutzung das Risiko an einem Hirntumor zu erkranken? Das ist im Kern die Forschungsfrage der sogenannten Interphone-Studie, die im Jahr 2000 gestartet ist. Inzwischen ist die Studie in allen Ländern abgeschlossen. Doch die Publikation der Ergebnisse lässt auf sich warten. Nun scheinen erste Befunde durchgesickert zu sein. Glaubt man der aktuellen Berichterstattung des “Daily Telegraph”, so dürften die Resultate für viel Gesprächsstoff sorgen.
Die Forschung zu den Effekten von Mobilfunkstrahlung auf Mensch und Umwelt hat u.a. mit zwei großen Problemen zu kämpfen: zunächst machen fast immer zu geringe Fallzahlen die Ergebnisse fragwürdig. Wenn es um (glücklicherweise) verhältnismäßig seltene Erkrankungen wie etwa Tumorerkankungen im Kopfbereich geht, dann sind ein paar hundert Probanden einfach zu wenig. Zweitens ist häufig der Untersuchungszeitraum viel zu kurz.
Diese beiden Schwächen hat die Interphone-Studie nicht. Im Jahr 2000 begann man unter Regie des Internationalen Krebsforschungszentrums der Weltgesundheitsorganisation in Lyon (IARC) mit einer epidemiologischen Fallkontrollstudie in insgesamt 13 Ländern. Innerhalb der Studie (die von der EU finanziert wird) wurden die Daten von Hirntumorpatienten (hauptsächlich Gliome, Meningiome und Akustikusneurinome) erhoben und mit den Daten von gesunden Kontrollpersonen verglichen. Dieses Material wurde mit den Informationen über die Handynutzung der einzelnen Personen gekoppelt und nun untersucht.
Interphone-Studie: Exposition, Korrelation und geringe Inzidenz
In 13 Ländern (Deutschland, Australien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Israel, Italien, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Schweden, USA) wurden knapp 13.000 Personen für die Studie untersucht und befragt. Keine andere Studie zum Krebsrisiko durch Mobilfunknutzung ist so umfassend. Und das ist es eben auch dringend notwendig, da die fraglichen Tumorarten eine so geringe Inzidenz haben, braucht man diese Fallzahl einfach.
Immer mehr Teilergebnisse sickern durch. Ist das Tumor-Risiko durch Handynutzung doch erhöht?
Nun ist es aber so, daß die Ergebnisse einiger Länder schon seit geraumer Zeit vorliegen. Dem Vernehmen nach gab es in manchen Ländern (u.a. Deutschland, Japan, Frankreich) keine Auffälligkeiten.
Allerdings kursieren schon lange Informationen darüber, daß einige der beteiligten Forscher durchaus alarmierende Ergebnisse aus ihren Daten ableiten. Bereits letztes Jahr hat Lennart Hardell von der Universität Örebro die vorliegenden Interphone-Daten zusammen mit eigenen und anderen Befragungen analysiert. Er schlußfolgerte, daß sich das Risiko von zwei Tumorarten nach zehnjährigem Handy-Gebrauch auf der bevorzugten Telefonierseite um 100% erhöhe.
Warum wird die Publikation der Resultate verzögert?
Warum lässt der Abschlußreport so lange auf sich warten?
Inzwischen sorgt der fehlende Abschlußbericht für immer mehr Irritationen. Anscheinend gab es hinter den Kulissen heftige Streits bzgl. der Interpretation der Ergebnisse und der Art und Weise der Publikation. Die Teilergebnisse aus manchen Ländern hatten jedenfalls deutliche Indizien für ein erhöhtes Tumorrisiko ergeben.
Der “Daily Telegraph” verfügt nun offenbar über weitere Informationen. Angeblich liefert die Interphone-Studie statistisch belastbare Belege für ein erhöhtes Tumorrisko bei Intensivnutzung:
A preliminary breakdown of the results found a “significantly increased risk” of some brain tumours “related to use of mobile phones for a period of 10 years or more”
Man darf also sehr gespannt sein, wann die Ergebnisse endlich offiziell veröffentlicht werden. Die Tatsache, daß man so lange zögert, ist tatsächlich seltsam und unerfreulich.
Links:
- Beckford/Winnett: Long-term use of mobile phones ‘may be linked to cancer’, Daily Telegraph
- Dürrenberger et. al.: Kommentar zur Interphone-Studie, Publikation der Schweizer Krebsliga, 2009. [PDF]
Kommentare (27)