Omega-3-Fettsäuren sind populärer denn je. In den letzten Jahren werden immer mehr Lebensmittel mit Omega-3-Fettsäuren aufgepeppt. Sie sollen nicht nur das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen senken, sondern auch noch ganz generell vor Krebs schützen, gegen Depressionen sowieso und vor dem kognitiven Abbau im Alter bewahren. Eine aktuelle Studie sorgt hier etwas für Ernüchterung: die Gedächtnisleistung von Senioren kann die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren nicht verbessern.
Eigentlich begann alles mit einer Studie zu den Ernährungsgewohnheiten der Inuit in Grönland. In den 50er Jahren stellten Forscher fest, daß sich die Bewohner der Arktis traditionellerweise ausgesprochen fettreich ernähren, aber – und das sorgte für Irritation – dennoch kaum von Herz-und-Kreislauferkrankungen betroffen sind. Des Rätsels Lösung lag dann recht nahe: die Inuit essen natürlich sehr viel Fisch. Und vor allem Kaltwasserfische (Lachs etc.) haben einen sehr hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren.
Ungesättige Fettsäuren als Waffe gegen Infarkte
Sind also diese “Fischöle” das Geheimnis der geringen Anfälligkeit für koronare Erkrankungen? Seit den 70er Jahren wurden die Effekte der Zufuhr verschiedener Fettarten (gesättigte vs. ungesättigte Fettsäuren) umfangreich untersucht. Und tatsächlich haben die mehrfach ungesättigte Fettsäuren (wozu eben die Omega-3-Fettsäuren zählen) positive Auswirkungen. Nach einem Herzinfarkt kann die Einnahme von entsprechenden Präparaten durchaus empfehlenswert sein. (Zur Infarkt-Prophylaxe genügt allerdings sicher eine vernünftige Ernährung und ein ebensolcher Lebenswandel.)
Sicher ist vor allem, daß die Hersteller der einschlägigen Präparate einen “Nutzen” haben
Interessant wird die Sache allerdings, wenn man sich ansieht, wofür Omega-3-Fettsäuren (bzw. Fischöl-Kapseln) außerdem noch gut sein sollen. Es gibt so viele angereicherte Produkte, daß man sich nur wundern kann, wie denn die Unterversorgung der normalen Bevölkerung zustande kommen soll. Aber – wie man ja auch in diesem Interview bei Plazeboalarm lesen kann – nicht alle Nahrungsergänzungsmittel oder auch Präparate aus der Apotheke haben wirklich einen Nutzen (wenigstens wenn man mal den Umsatz der Hersteller nicht als “Nutzen” gelten lässt).
Verbessern Omega-3-Fettsäuren die Gedächtnisleistung?
So sollen Omega-3-Fettsäuren angeblich auch effektiv gegen den kognitiven Alterungsprozeß helfen. Richtig ist, daß die Gehirnentwicklung bei Säuglingen und Kleinkindern bei ausreichender Versorgung mit Eicosapentaen- und Docosahexaensäure günstiger verläuft (diese beiden Zungenbrechersäuren sind spezielle Omega-3-Fettsäuren). Doch was sagt uns das über den Wert einer zusätzlichen Einnahme bei Erwachsenen?
Wie auch immer der Wirkmechanismus lautet, der theoretisch den Erhalt der Denk- und Erinnerungsvermögens erklären könnte: eine großangelegte Studie zu diesem Thema brachte jetzt ein enttäuschendes Ergebnis.
Fischöl-Kapseln sind nutzlos
Die OPAL-Studie war die bislang größte Untersuchung zu diesem Thema. Insgesamt 867 Teilnehmer zwischen 70 und 80 Jahren waren beteiligt. Die Senioren wurden zufällig den zwei Gruppen zugewiesen; die eine erhielt über 2 Jahre hinweg ein Omega-3-Präparat. Die andere eine Placebo-Pille. Die Probanden zeigten zu Studienbeginn keine kognitiven Auffälligkeiten und/oder Defizite.
Nach Ende der 2 Jahre wurde zunächst überprüft, ob die Einnahme der Fischöl-Kapseln den Spiegel der jeweiligen Fettsäuren verändert hatte. Und tatsächlich hatte die Kontrollgruppe eine deutlich geringere Konzentration von Omega-3-Fettsäuren im Blut. Aber die Auswertung der Konzentrations- und Gedächtnistests zeigte ein enttäuschendes Ergebnis. Alan Dangour von der London School of Hygiene & Tropical Medicine und seine Mitautoren schreiben eindeutig:
Cognitive function did not decline in either study arm over 24 mo
Die Forscher schränken zwar ein, daß der Untersuchungszeitraum möglicherweise zu kurz gewählt gewesen sein könnte. Aber 2 Jahre sind so kurz auch wieder nicht. Und nach immerhin 24 Monaten gab es keinerlei Vorteile für die Gruppe, die die richtigen Fischöl-Kapseln schluckte.
Interessant wäre es natürlich gewesen, wenn zusätzlich wenigstens noch die Zahl der Infarkte erhoben worden wäre. Aber zumindest im Abstract steht dazu nichts.
Einziger seriöser Ratschlag: Esst mehr Fisch!
Abschließend kann man nur mal wieder feststellen: Es gibt kaum Anhaltspunkte, die für die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sprechen. Das gilt auch für die vielbeworbenen Omega-3-Fettsäuren. Wer sich abwechslungsreich ernährt, gelegentlich mal Fisch ist (Lachs, Makrele oder Hering haben bspw. ziemlich viel Omega-3-Fettsäuren), der ist im Grunde ausreichend versorgt. Und wer keinen Fisch mag, der kann seinen Bedarf auch anderweitig decken. Mit Walnuß-, Raps- oder Leinöl etwa. Oder mit Walnüssen. 2-3 davon pro Tag reichen vollkommen aus. Zusatzpräparate braucht es sicherlich nicht.
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Studie:
- Alan D. Dangour, Elizabeth Allen, Diana Elbourne et.al.: American Journal of Clinical Nutrition: Effect of 2-y n-3 long-chain polyunsaturated fatty acid supplementation on cognitive function in older people: a randomized, double-blind, controlled trial, doi:10.3945/ajcn.2009.29121
Lese-Empfehlung:
- Der Wikipedia-Artikel zu den Omega-3-Fettsäuren
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