Irgendwann nehme ich mir mal die Zeit und diskutier in der Einkaufszone mit einem “Tierschützer” oder Gentechnikgegner. Denn beides geht mir sowas gegen den Strich, pauschal gegen irgendetwas zu sein, ohne wirklich ein Pro und Contra abzuwägen (was natürlich voraussetzen würde, dass über diese unterschiedlichen Perspektiven Wissen vorhanden ist). Um Trollereien direkt zu vermeiden: Es gibt definitiv Tierversuche, die notwendig sind, einfach mal Contergan googlen.
Wenn Leute gegen Gentechnik sind, dann meinen Sie gewöhnlich und eigentlich, dass sie gegen den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen in der freien Umwelt sind, etwa als Futtermittel oder Nahrungsmittel. Darum geht es mir aber nicht.
Fangen wir vorne an:
Es war einmal eine Zeit, da hatte kaum jemand irgendeine Ahnung von Molekularbiologie und Genetik. Gene, das hatte man schon mal irgendwo in der Schule vielleicht etwas von gehört, ganz sicherlich aber in einem Science-Fiction-Horrorfilm. Gene, das war was Schlimmes irgendwie. Und was der Bauer nicht kennt…
Als dann die ersten Ansätze zur Nutzung gentechnisch veränderter Organismen in das Blickfeld der Medien/Öffentlichkeit rückten, waren die Vorurteile sehr schnell gefällt ->
Gentechnisch veränderte Organismen = Böse
Das ist aber für eine Überschrift ein gänzlich unpraktisch langes Wortungetüm.
Tada, es lebe die künstlerische Freiheit der Redakteure, wie etwa hier.
Genfrei, das klingt einfach, sauber und angenehm, denn Gene sind ja böse. Was natürlich ein extremer Unfug ist, weil quasi alle Nahrungsmittel Gene sprich DNA enthalten.
Was den meisten aber gar nicht wirklich bewusst ist, wie viel heute ganz normal und tagtäglich gentechnisch veränderte Organismen unser Leben überhaupt erst möglich machen. Als erstes Beispiel möchte ich mal Insulin anbringen.
Insulin ist ein Hormon, was in unserem Körper eine wesentliche Funktion bei der Versorgung und Verarbeitung von Zucker hat. Für einen groben Überblick reicht das hier.
Es wurde relativ spät identifiziert, zog dann aber durch seine enorme Bedeutung einen wahren Siegesmarsch an. Vor allem, weil es evolutionär so alt ist, ist es bei verschiedenen Säugetieren immer noch sehr ähnlich -> Aus Schweinen und Rindern gewonnenes Insulin funktionierte auch bei (menschlichen) Diabetikern.
Die Fortschritte der Wissenschaft ermöglichten eine genauere Analyse der verschiedenen Insuline und deren Unterschiede. Auch wenn das bovine Insulin funktionierte, war es nicht optimal. Vor allem aber kam irgendwann der Zeitpunkt, an dem es nicht genügend Vieh gab, um die Nachfrage an Insulin zu decken.
Und jetzt komme ich (endlich) zur Ausgangsbehauptung zurück-> Die ebenfalls fortgeschrittene Biotechnologie machte es möglich, gezielt die DNA von Pilzen und Bakterien zu manipulieren. Einfach das (zum Glück bekannte) Gen für das humane Insulin in einen passenden Organismus einbauen, das Ganze schön füttern und vermehren lassen. Am Ende “einfach” das frische, und sauber produzierte Insulin isolieren, abfüllen und fertig.
In Deutschland wurde die erste genau dafür beantragte Anlage übrigens von der Politik abgelehnt, den Vorsprung nutzen unsere Nachbarländer.
Ich möchte hier bei weitem keine Lobby-Arbeit für [irgendeine Farbe einsetzen]Biotechnologie machen.
Aber Fakt ist nun mal, dass Diabetiker heute wohl kaum solch einen hohen Standard in der Versorgung haben würden, wenn es keine “Gentechnik” gäbe!
Hinzu kommen nämlich noch die modifizierten Insuline, die besonders langsam oder besonders schnell abgebaut werden.
Bild: WikiCommons, der erste mit Insulin erfolgreich behandelte diabetische Hund.
Weitere Artikel für diese Serie sind geplant zu Faktor VIII, Lab, Katalysatoren. Für Vorschläge bin ich offen.
Kommentare (107)