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Gerade habe ich wieder ein Gespräch in der Bahn mitgehört, dass mich an eine andere Situation erinnert: Neulich war ich auf einer Veranstaltung, bei der Forscher sich mit Firmen treffen (sollten). Eine ausgewählte Schar von Projekten aus den Life Sciences stellte sich und mit ihren Arbeiten vor, es gab Häppchen, wichtige Leute erzählten, wie sich die Uni gegenüber den Unternehmen präsentiert und dabei hilft, oder helfen möchte, den Sprung aus dem Labor in ein Produkt zu schaffen.

Zum Glück hatte ich ein wenig Zeit, sonst hätte ich diesen kleinen Abstecher noch mehr bereut. Zunächst machte das alles einen guten Eindruck.

Doch die Absichtserklärungen der Uni wurden nicht wirklich von Erfolgsergebnissen untermalt. Der wesentliche Aspekt aber, die Firmen, fehlte – es waren schlicht kaum welche vor Ort.

Ich traf ein paar alte Bekannte, die ich lange nicht mehr gesehen hatte, ein kleiner Pluspunkt zumindest. Aus reiner Neugier begann ich dann einen Fehler – ich befragte eine Doktorandin, die einsam und verlassen vor ihrem Poster stand.

Das Poster, dass sei vorweg gesagt, war ein gewöhnliches Kongress-Poster, wie es sie vermutlich überall gibt. Das Logo der Uni, der Arbeitsgruppe, ein kryptischer Titel in der Überschrift mit möglichst vielen Abkürzungen. Das ganze auf DinA2 ausgedruckt mit einer gefühlten 8 Punkt großen Schrift ohne Rand vollgeschrieben. Eine Handvoll Strukturformeln und vielleicht noch hochgepixeltes, unscharfes Schwarz-Weiß Bild.

In keinerlei Weise konnte mein Gegenüber erahnen, welchen Kenntnisstand ich mitbringe. Sie musste oder sollte davon ausgehen, dass ich ein Unternehmer bin, der Interesse an dem Forschungsprojekt hat und darin ein Potenzial zur Verwertung sieht.

Wie also reagiert die Wissenschaftlerin auf meine Frage, worum es sich in Ihrem Projekt dreht?

“Wir untersuchen die Caspase-Inhibition durch [chemischer Fachausdruck]…” und dann hatte sie mich abgehängt.

Ein paar Nachfragen meinerseits und dann habe ich höflich aufgegeben und mich verabschiedet. Ich weiß nicht, was in den Köpfen der Wissenschaftler vorgeht, solche Gespräche habe ich schon allzu oft geführt.

  • “Wenn ich hier schon angesprochen werde, dann muss ich jetzt auch meine Kompetenz durch möglichst unverständliche Fachausdrücke beweisen”
  • “Wenn der mich anspricht, scheint er das Poster gelesen und verstanden zu haben”
  • “Endlich fragt mal einer, dem erzähle ich jetzt die Knüller zu erst”
  • “Puh, fangen wir mal ganz einfach an und ich erzähle erstmal was zu [#Fachthema unter Spezialisten]”

WARUM, um alles in der Welt, ist es so schwierig, sich verständlich auszudrücken? Kann man nicht mal erst anfangen, in welchem ORGANISMUS man arbeitet? WOFÜR ist das Thema eigentlich relevant? WAS könnten mögliche ANWENDUNGEN sein?

Ganz klar gibt es Forscher, die wollen sich gar nicht mitteilen, vielleicht ist es derartige Grundlagenforschung, dass eine mögliche Anwendung so gut wie unabsehbar ist. Überhaupt keine Frage, gibt es und ist wichtig. Aber dann stelle ich mich da doch bitte nicht hin und versuche es an den Mann zu bringen!

Man stelle sich vor, der gute Herr Daimler hat damals den Prototypen seines ersten Autos einem möglichen Kunden oder Investoren vorgestellt. Vermutlich hat er etwas gesagt wie

“Das ist eine Kutsche ohne Pferde”

Viele Wissenschaftler, etwa meine Gesprächspartnerin (und mE vor allem auch Ingenieure) hätten auf die Frage, was soll das für ein Gefährt sein geantwortet

“Das Problem war die richtige Einspritzung des Benzins zu einem richtigen Treibstoff-Luft-Gemisch und die daraus resultierende…..”

Ein Wissenschaftler soll experimentieren können, kreativ sein, neugierig sein und die richtigen Schlüsse ziehen können. Könnte er superdolle Verkaufen, wäre er Vertreter geworden. Aber bitte, ein kleines, klitzeskleines Maß an Kommunikation darf doch nicht zu viel verlangt sein? Es ist schon klar, dass dieses Poster aus einem Kongress stammt und nur zweitverwertet wurde. Wobei ich mir auch da immer wieder die Frage stelle, warum das nicht kürzer, prägnanter und einfacher geht.

Kann mal bitte jemand einen Crashkurs Wissenschaftskommunikation in den Curriculae der Studiengänge als Pflichtveranstaltung verankern?! Die gute Dame konnte vermutlich nichts dafür, der Forscher-Nachwuchs wird ja oft in die Scheuklappen rein-erzogen. Aber das es nicht so weitergehen kann, sollte doch inzwischen klar sein.

Foto: WikiCommons

Kommentare (17)

  1. #1 ali
    Mai 20, 2011

    Vielleicht bist du etwas gar streng mit deiner Gesprächspartnerin. Der Rahmen des Anlasses kann jemanden doch tatsächlich vermuten lassen, dass Interessierte ein gewisses Fachgrundwissen haben und sonst nachfragen. War ja nicht ein “wir präsentieren unsere Arbeit dem Mann/ der Frau auf der Strasse”. Ein Firmenvertreter würde sich eher weniger einen beliebigen Stand aussuchen um mal rauszufinden um was es geht (sowas tun eher Leute wie du und ich…).

    Meine Erfahrung ist in der Regel, dass Forschende sehr gerne erklären, was sie so tun, manchmal muss man einfach sie darauf hinweisen, wenn sie dich abhängen.

    Aber das ist wohl Verallgemeinerung meinerseits von der ich nicht weiss, ob das wirklich stimmt.

  2. #2 nastes
    Mai 20, 2011

    Kann mal bitte jemand einen Crashkurs Wissenschaftskommunikation in den Curriculae der Studiengänge als Pflichtveranstaltung verankern?!

    Oh ja bitte. Zumindestens für alle Doktoranden. Allerdings, sollte man oben beschriebenen Personen auch freundlich sagen das ihr Poster eher abschreckend ist, ansonsten bleibt der Lerneffekt aus.

    Ich hab auch noch nie verstanden warum die Leute nicht einfach fragen wen sie vor sich haben, hilft ungemein. Oder wie von ali erwähnt der Fragende sagt was sein (wissenschaftlicher) Hintergrund ist.

    nastes

  3. #3 MartinB
    Mai 20, 2011

    Ich denke, man darf das auch nicht pauschalisieren – auf ScienceSlams oder bei Tagen der offenen Tür erlebt man ja auch immer wieder brillante Vorträge. Und zumindest bei uns gibt es Kurse über wissenschaftliches Präsentieren.

    Und vielleicht hatte die Wissenschaftlerin ja wirklich ein so spezielles Verfahren, dass es ohne die vorausgesetzte Fachkenntnis unmöglich wäre, dass ein Unternehmer daran Interesse hat.

  4. #4 Chris
    Mai 20, 2011

    Jein, sicherlich kann, muss und sollte ich bei einem solchen Rahmen ein gewisses Basis-Wissen erwarten können. Aber sie hat nicht da angefangen, sondern sehr weit oben.
    Und wenn das schon nicht klappt, dann möchte ich das beim Tag der offenen Tür bei dem interessierten Bürger nicht erleben…

  5. #5 Chris
    Mai 20, 2011

    @MartinB
    Wir sind uns einig, das gerade die ScienceSlams das Musterbeispiel sind, WIE man es richtig machen kann!

    Und vielleicht hatte die Wissenschaftlerin ja wirklich ein so spezielles Verfahren, dass es ohne die vorausgesetzte Fachkenntnis unmöglich wäre, dass ein Unternehmer daran Interesse hat.
    Dann hat sie auf so einer Veranstaltung aber nichts zu suchen!

  6. #6 MartinB
    Mai 20, 2011

    @Chris
    Dann hatte ich wohl falsch verstanden, worum es dabei ging – ich dachte, sie sollten ihre spezielle Forschung an Firmen verkaufen.

  7. #7 Chris
    Mai 20, 2011

    @Martin
    Der Themenbereich war auf die Life Sciences eingeschränkt, was ja immer noch ein sehr breites Feld ist, das kam auch an den unterschiedlichen Projekten raus. Schon hier können und haben sich meiner Erfahrung nach interdisziplinäre Projekte entwickelt, weil die Abteilungen und Institute oft nicht wissen, was die anderen eigentlich machen. Ein gewisses Grundwissen ist schon selbstverständlich.

  8. #8 Kasaba
    Mai 20, 2011

    Danke! Danke! Danke! für diesen Beitrag. Ziemlich exakt diese Dinge gehen mir auch oft durch den Kopf, wenn ich mir Konferenzposter erklären lasse. Besonders nervig finde ich, wenn bei Drittmittelprojekten erst mal der ganze Förderkontext erklärt wird, am besten noch unter Vorstellung der 20 anderen EU-Projektpartner und vollgespickt mit allen möglichen wissenschaftspolitischen Buzz words. Wissenschaftskommunikation oder -vermittlung als Schlüsselkompetenz in den Curricula fände ich super!

  9. #9 miesepeter3
    Mai 20, 2011

    Köstlich! Köstlich! Das ist Realität.

    Das geht ja schon auch im kleinen so ab. Mal `n kleines Gespräch in unserem Unternehmen belauschen?
    Konstrukteur (Dipl.Ing.) zum Monteur (Facharbeiter) : “So, hier hab ich Dir mal aufgezeichnet, wie die Neuerungen im Schaltschrank einzubauen sind.”
    Trockene Antwort vom Monteur:”Toll! Aber kauf mal die Sachen alle doppelt ein.”
    Konstrukteur: “Wieso das denn?” “Monteur:”Wenn ich das genau so einbaue, fliegt uns der ganze Mist beim Einschalten um die Ohren.” Konstrukteur: “Wieso das denn?”
    Antwort:” Weil hier, hier und hier die Sicherungen fehlen.”
    Konstrukteur (beleidigt): “Na, das ist doch selbstverständlich, das da Sicherungen hingehören.” Monteur: “Na, dann zeichne sie auch ein. Sonst bau ich das so, wie es da steht.”
    Hier reden zwei aus dem gleichen Fachgebiet und verstehen sich kaum. Wie soll denn Kaufmann Wissenschaftler verstehen? Irgendwo hat mal ein Blogger hier behauptet, er wohne NICHT in einem Elfenbeinturm. Darauf hätte ich am liebsten geantwortet : “Natürlich nicht, wer wohnt auch schon im Treppenhaus (zum Luftschloß).”
    Will ich Kalbsschnitzel verkaufen, so muß ich z.B. deren Vorzüge in puncto Geschmack herausstreichen und nicht einen Fachvortag über das richtige Schlachten von Wirbeltieren halten.

  10. #10 Dr. Webbaer
    Mai 20, 2011

    @miese
    Entwickler umgeben sich normalerweise mit einer Kommunikationsschicht, d.h. eine Rolle, die der Kommunikation der Entwicklung, wird, nun, entwickelt, und personifiziert.

    Auf kaufmännischer Seite hat man dann idealerweise auch einen “Fachmann fürs Technische”, der wiederum (knapp 🙂 in der Lage ist den Kommunikationsexperten der Entwicklung zu verstehen.

    So jedenfalls die Theorie, die Praxis ist dann manchmal wie beschrieben…

    MFG
    Dr. Webbaer

  11. #11 Chris
    Mai 20, 2011

    @miese & bär
    Ja, bei Ingenieuren ist das Thema ganz besonders ausgeprägt. Obwohl ein guter und langer Freund seit etwa 20 Jahren weiß, wie weit meine elektrotechnischen Kenntnisse reichen, steigt er stets auf einem Level ein, dass vermutlich nur seine engsten Kollegen verstehen. Immer!

  12. #12 REALM
    Mai 20, 2011

    Als ehemaliger Unternehmer hat mich nur eines interessiert:
    Welchen Nutzen kann ich für meine Kunden damit erzielen?
    Welche Kunden kann ich damit beglücken?
    Welchen Umsatz kann ich damit erlangen?
    Welchen Gewinn kann ich damit erwirtschaften.

    Damit wird dann viel Steuern bezahlen können und damit die UNI’s finanzieren, das soll und darf kein Tabuthema sein.

    Genau das sollten sich alle, die in die Öffentlichkeit gehen hinter die Ohren schreiben und abrufbar vorhalten. Ganz besonders jedoch die Professoren.

    Danke für diese sehr treffende Beobachtung, habe es ebenso erlebt, und leider viel zu oft.

    Es gibt jedoch auch welche die das sehr gut können, sonst stünde die Welt schon still.

  13. #13 Florian Freistetter
    Mai 20, 2011

    Zustimmung!!

  14. #14 Frank Wappler
    Mai 20, 2011

    Christoph Larssen, Biologe und Wissenschaftsredakteur schrieb (20.05.11 · 11:46 Uhr):

    > […] Wie also reagiert die Wissenschaftlerin auf meine Frage, worum es sich in Ihrem Projekt dreht?
    > “Wir untersuchen die Caspase-Inhibition durch [chemischer Fachausdruck]…” und dann hatte sie mich abgehängt.
    > Ein paar Nachfragen meinerseits und dann habe ich höflich aufgegeben und mich verabschiedet. Ich weiß nicht, was in den Köpfen der Wissenschaftler vorgeht, solche Gespräche habe ich schon allzu oft geführt. […]

    “Wissenschaftsredakteur, lern fragen!”.?

  15. #15 Chris
    Mai 20, 2011

    @frank
    Glaub mir, ich habe ihr fragen gestellt, genuegend Steilvorlagen und winkende Zaunpfaehle, sie war einfach in ihrer eigenen Welt…

  16. #16 Frank Wappler
    Mai 20, 2011

    @Chris: Das kann wohl passieren — wenn man die Laborantin dahin vorschickt, wo ein(e) Projektleiter(in) präsent sein sollte …
    (Oder einen Journalisten dahin, wo man mit Investoren rechnet? 😉

  17. #17 Chris
    Mai 20, 2011

    @frank
    das hat mit der Karriere-Stufe rein gar nichts zu tun. Es ist eine Einstellung, eine Grundverstaendnis. Ich habe schon Profs erlebt, die sich zu “fein” waren, mit der Öffentlichkeit zu reden..