Der große Gelbe liefert 314 Treffer für Kinder-Experimente Bücher. Wenn man da auffallen will, braucht es eine tolles Alleinstellungsmerkmal. Ein tatowierter Tatortspurenanalyst etwa. “Dr. Made” wurde er von den Medien getauft und generiert damit schon ein sehr passendes Kopf-Kino. In der Tat, der geneigte CSI-Gucker weiß es längst, lassen sich an den Insekten-Larven viele Rückschlüsse auf das Alter einer Leiche ziehen.

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Und “so einer” schreibt ein Buch mit Experimenten für Kinder? Ja, hat er.
Kommen da auch Maden drin vor? Ja, tun sie.
Kommen da Leichen drin vor? Jep.

Und damit wäre der “Coolness”-Faktor für viele Heranwachsende ausgiebig bedient.

Ich bin überzeugt, dass es mal eines etwas anderen Buch bedurfte, das die klassischen Klischees eben nicht bedient. Kein Auf-Anworten-die-passenden-Fragen findenden Kika-Moderator, keine ach so kindgerechte, aber tot-langweilige Experimente, davon gibt es genug. Von daher sind die Tatoos mal einen Abwechslung.
Dann habe ich das Vorwort gelesen.

Er hat sich als Kind ganz dolle Experimentierkästen gewünscht und auch alles bekommen. Aber nie Fußball gespielt und auch keinen Führerschein gemacht. Er hatte auch noch nie einen Fernseher – Hm, das ist wieder das Bild eines Wissenschaftlers, welches eigentlich wieder sehr klassisch ist und eigentlich eher zu den zig anderen Kinder-Experimentierbüchern passen würde. Sheldon Cooper taucht vor meinem geistigen Auge auf, Freaks, fernab des normalen Lebens…
Es folgt eine Legende, die eine Sortierung der Versuche erleichtert.

…Draußen machen, weil sonst die Bude brennen könnte. Kleine Geschwister dürfen nur zugucken. stinkt, schmiert, saut, macht am meisten Spaß…

Das klingt doch schon mal gut.
Es geht weiter, als Grundlage braucht man eine Lupe, Dinge mit einer Lupe angucken als “Experiment”? Im Text kommen dann die ersten Seitenhiebe,

… Zeitung, um die Nachrichten vom Tag zuvor darin noch mal lesen …

Nicht neu, aber kennt ja vielleicht nicht jeder. Eine Lupe, klingt banal, ist aber dennoch cool. (Die Kakerlake unter dem Bino werde ich nie vergessen…)

Ein weiteres Kapitel befasst sich mit Messen, wieviel Gel passt in die Haare oder in wie viele Teile zerbricht eine Spaghetti.
Hier kommt er auf die Variablen in Versuchen, hier etwa unterschiedlich dicke oder lange Nudeln.

Wenn man das erst mal weiß, kann man sich weiter vorarbeiten, das heißt noch mehr Experimente ausdenken. Deswegen ist auch kein Forschungsgebiet jemals zu Ende ausgeforscht. Jede Antwort zieht mindestens zehn neue Fragen nach sich.

Damit hat Mark Benecke dann schon mal einen ersten dicken Pluspunkt bei mir geholt. Nach der ersten Antwort geht es wieder von vorne los, eine Erkenntnis, die man gar nicht oft genug wiederholen kann!

An vielen Stellen zieht er Schlüsse zu seinem Berufsalltag, für manche vielleicht schon zu fies. Allerdings reicht eine Tagesschau oder eine Folge CSI für deutlich fiesere Tatorte und Abgründe. Und ein wenig skurril soll es ja auch ganz bewusst sein.
Zwischendurch kommt ein wenig Basiswissen oder auch mal ein Seitenhieb auf andere Klassiker, wie etwa Homöopathie: Eine tote Fliege trocknen, mörsern und mit Wasser und etwas Zucker zusammen eine Verdünnungsreihe machen.
WENN man sich dann überwindet, und die beinahe homöopathische Fliegensuppe kostet, wird man weder Zucker noch Fliegen schmecken. Bleibt immer noch die Frage, wie Fliege schmeckt…

Dann ein Experiment, auf das man erstmal kommen muss:
Mit Maden Malen
Mit Essen spielt man nicht, mit Maden geht das, zumal man ihnen nichts tut, sie hinterher wieder frei lassen und Vögel füttern kann.
Überhaupt kommt seine Vorliebe für Insekten an vielen Stellen durch, was aber nicht schlimm ist. Die Metamorphose, die Insekten durchmachen, ist einfach zu faszinierend. Ob man das Glas mit den verpuppten Maden wirklich bei Oma unter den Sessel zur Inkubation stellt, bleibt schließlich jedem selbst überlassen.

Die weiteren Versuche sind nicht immer neu, oft aber angereichert mit weiteren Zusatzinformationen und Querverweisen in andere Disziplinen, ein weiterer Pluspunkt. Kein Thema steht alleine da, die Zusammenhänge machen es erst richtig interessant.

Mein Fazit: Kaufen! Nächste Woche werde ich Ihn live erleben, ich bin gespannt, wie skurril es werden wird.


Nachtrag: Der Vortrag im Rahmen einer Kinderuni war doch sehr enttäuschend. Irgendwie hatte das ganze überhaupt keinen roten Faden, war sehr verwirrend und konfus. Es reicht eben nicht, sich ein paar Kisten mit Sachen einzupacken und dann “irgendwas da vorne zu machen”. Ob und was bei den Kindern hängen geblieben ist, weiß ich nicht.

Kommentare (8)

  1. #1 Enno
    März 6, 2012

    “… dass es einem anderen Buch bedurfte…”
    Sorry, aber da rollen sich einem deutschen Muttersprachler ja die Zehennägel auf. Oder wurde der Genitiv abgeschafft und ich habe es nur nicht bemerkt?

    Also bitte: “… dass es eines anderen Buches bedurfte…”
    Klingt doch gleich viel schöner, oder? 😉

  2. #2 Enno
    März 6, 2012

    … und das folgende “dass” hat auch noch ein “s” zu viel.

    Die Regel mit dem “dieses”, “jenes”, “welches” gibt es immer noch. 😉

  3. #3 Chris
    März 6, 2012

    @Enno
    Wenn ich nicht absichtlich Rechtschreibfehler einbauen würde, hätte ich hier gar keine Kommentare … 😉

  4. #4 HerrBach
    März 6, 2012

    Bei mir hat Mark Benecke leider einen sehr dicken Minuspunkt eingefahren als er in einer Talkshow mit dem Thema Vegetarier vs. Fleischesser reihenweise unwissenschaftlichen Bullshit von sich gegeben hat. Achso ich sollte vielleicht anmerken dass Herr Benecke missionierender Veganer ist…

    Ein Hammer war, dass er u.a. deshalb kein Fleisch mehr essen kann, weil Rumpsteak genauso nach Verwesung stinken würde wie eine Menschenleiche.
    Das es einen Unterschied zwischen einem fachgerecht zerlegten und sauber abgehangenem Stück Steak und einer verwesenden Leiche im Wald gibt hat er bewusst unterschlagen.

    Außerdem hat er die Behauptung unterstützt, Fleisch hätte keinen Eigengeschmack. Man könnte Lamm, Rind oder Schweinefleisch nicht am Geschmack unterscheiden. Die Unterschiede würden erst durch die Köche mit ihren Gewürzen entstehen.

  5. #5 Chris
    März 6, 2012

    Wie gesagt, seine persönlichen Vorlieben finde ich auch etwas interessant. Die plastische Darstellung einer Verdünnungsreihe finde ich noch OK. Zum Thema Fleisch habe ich bisher aber noch keine Missionierung gefunden, auch wenn es bei der Stinkbombe vorkommt.

    Das hätte aber in der Tat in diesem Buch auch einen derben Minus-Punkt gegeben….

  6. #6 Wolf
    März 7, 2012

    “[…]Bleibt immer noch die Frage, wie Fliege schmeckt…[…]”

    Erinnert an Hühnchen.

  7. #7 Martin B. (Detritus)
    Juni 8, 2012

    @Herr Bach

    Ich habe die Sendung „Hart aber Fair“ gesehen, mitgeschnitten und bei YouTube hochgeladen. Dort kann man sich ansehen, dass Benecke weder missioniert noch unwissenschaftlich wird, sondern vor den haltlosen Behauptungen seiner Gegner kurz davor ist, aufzugeben.

    Hier erläutert er seine Abneigung gegen Fleisch (gegen persönliche Ansichten und Assoziationen kann man schlecht etwas einwenden):

    Und hier ist er kurz davor, zu gehen, weil er sich so viel Unsinn anhören muss:

    Hoffe, das entschärft die Behauptungen oben.

  8. #8 BJ68
    Januar 21, 2013

    Nettes Buch…..
    allerdings dürfte es bei der Chemiephobie immer schwerer werden besagte Chemikalien zu bekommen. Selbst das von ihm erwähnte Lycopodium findet sich in einer Liste des LKA als “Geeignete Substanz zur Herstellung von illegalen Explosivstoffen” und daher kann durchaus eine Bestellung über das Internet oder bei der Apotheke in eine Hausdurchsuchung münden…..

    Wen die Thematik Chemikalien-Prohibition interessiert sei der IVNT https://www.ivnt.de/ an das Herz gelegt…..wo solche Thematiken angeschnitten werden.

    Bj68