Vor kurzem tauchte EHEC wieder in den Medien auf, ein paar Fälle in Hamburg “schafften” es in die Medien. Es sei nicht der Erreger von der letzten Epidemie, heißt es. Jährlich kommt es bundesweit zu etwa 1.000 EHEC-Erkrankungen, schon vor der großen Welle letztes Jahr, und vermutlich daher auch dieses Jahr. Soweit, so normal.
Heute kamen dann wieder mal Eier mit Dioxin in die Medien, leider vorher auch in die Geschäfte. Dieses Mal, so meine subjektive Wahrnehmung, wurde sehr oft darauf verwiesen, dass so ein paar Eier nicht wirklich sooo schlimm sind, erst wenn ich ein paar Hundert Dioxin-Eier verputze, habe ich Probleme. Mit Dioxin und meinen Blutwerten.
In Köln war letztes Jahr auf dem Forum Wissenschaftskommunikation ein sehr guter Vortrag zum “gefühlten” Risiko von EHEC im Vergleich zum fast parallelen Dioxin-Skandal. Selbst wenn die aktuellen Fälle in Hamburg “nur” der normale Durchschnitt sind, lohnt es sich mE dennoch, sich noch einmal diese Lebensmittel-Affären letztes Jahr vor Augen zu führen, auch vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte.
Im direkten Vergleich, Dioxin in Eiern vs. EHEC, was hat wohl ein höheres Risiko/was birgt mehr Gefahrenpotenzial?
Bei einer Befragung im Publikum vor Kurzem kam ich auf ein vergleichbares Resultat wie das Bundesinstitut für Risikobewertung:
Mehr als die Hälfte der Befragten empfanden Dioxin als gefährlicher als mindestens genauso gefährlich, wenn nicht noch gefährlicher als EHEC. Ein höheres gesundheitliches Risiko im Vergleich zu EHEC.[korrigiert]
Die Medien über Dioxin in Eiern
Rein subjektiv und nicht mit Zitaten belegt ist jetzt folgendes Szenario, das vielleicht übertrieben, aber leider doch realistisch ist:
Im Boulevard taucht zu Dioxin diese Statistik auf, rot hervorgehoben ist die durch belastetes Fleisch erhöhte Dioxon-Dosis eine Normalbürgers.
Das ist der Klassiker, vertraue keiner Statistik ohne Beschriftung der Achsen. Wie gesagt, dies ist ein von mir bewusst übertriebene Darstellung, keine echte Quelle.
In der Tageszeitung dann vielleicht diese etwas erweiterte Grafik.
So sehen die selben Balken dann doch etwas anders aus. Gar nicht mehr so bedrohlich. Wir haben eine Beschriftung. Doch was sagt die aus?
Ein besser recherchierendes Medium bringt dann vielleicht das hier
Oder noch besser direkt das hier
Aha, WENN ich einen Monat lang 2 verseuchte Eier TÄGLICH esse, dann erhöht sich meine Dioxin-Belastung um etwa ein Zehntel (und meine Blutwerte schlagen Alarm).
Unter diesen Umständen kann ich mir dann doch eher vorstellen, welche Gefahr von den verseuchten Eiern ausgeht. Bleibt noch die Frage, warum um alles in der Welt das Koordinatensystem so verschwenderisch weit hoch geht?
Darum:
Vor 20 Jahren war die ganz normale Belastung des Durchschnittbürgers drei Mal so hoch. Die modernen Filteranlagen der Industrie, Rußfilter & Co. haben die ganz normale Grundbelastung derart reduziert, dass wir heute deutlich gesünder leben können und dürfen. Das ist nicht überall so.
Ich habe lange genug mit Dioxin gearbeitet (nie habe ich einen saubereren Arbeitsplatz gehabt), ich werde das hiermit nicht runterspielen. Das Zeug hat in Nahrungsmitteln nichts zu suchen. Warum es ausgerechnet auf einem Bio-Hof auftaucht, warum die Eier zurück und nicht direkt in die Müllverbrennung geschickt und warum die Meldepflicht nicht funkioniert hat – ist hier nicht Thema. Mit geht es um eine reale Einschätzung von Risiken und Gefahren. EHEC und das Thema Hygiene in der Lebensmittelsicherheit sind nach EHEC schnell wieder von der medialen Oberfläche verschwunden, warum auch immer.
Vielen Dank an Frau PD Dr. Gaby-Fleur Böl vom Bundesinstitut für Risikobewertung für die Daten!
Alle hier abgebildeten Grafiken stammen aus Ihrer Feder.
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