Ich habe festgestellt, dass gewisse Themen einfach nicht an Relevanz verlieren. Und eines meiner Lieblingsthemen ist die Frage, ob wir eigentlich noch evolvieren. Der Titel meines Blogs ist gleichzeit meine Antwort darauf. Aber es ist tatsächlich keine einfache Diskussion; zu sehr haben wir Wege gefunden der Natürlichen Selektion entgegen zu wirken. “Evolution? Wer braucht das?!” um es mit den Worten von Prostetnic Vogon Jeltz zu sagen.
In den letzten Wochen erschienen Artikel mit Nachweisen für Evolution beim Menschen – die Selektion eines vorteilhaften Gens und seine Verbreitung in einer Bevölkerungsgruppe in möglicherweise der bisher kürzesten dokumentierten Zeitspanne. Ist das so überraschend?
Wir haben mit unserer technologisch hochentwickelten Zivilisation dem Evolutionsdruck so stark entgegen gespielt dass man meinen könnte, wir evolvieren gar nicht mehr. Heutzutage fallen wir nicht mehr in Gräben und brechen uns das Genick, wir kaufen uns eine Brille. Und leiden wir an einer Lungenentzündung, dann gehen wir zum Arzt. Wie, fragt man dann, werden dann Eigenschaften aus einer Population ausselektiert? Oder bedeutet der fehlende Selektionsdruck dass jede genetische Mutation, jedes schlecht adaptierte Gen, eine Chance bekommt sich in der Gesellschaft zu etablieren?
Bevor wir uns hier in eine soziale und politische Diskussion verstricken, schnell zurück zur Biologie. Denn abgesehen von der im oberen Abschnitt vernachlässigten sexuelle Selektion (ohne Nachkommen kann ein bestimmtes Gen natürlich auch verloren gehen, egal wie gut man an seine Umwelt adaptiert sein mag) und Evolution durch genetische Drift, gibt es trotzdem natürliche Selektionsdrücke, die auf uns wirken. Zum einen muss man bedenken dass Evolution ein Prozess ist, der nicht einfach in ein, zwei Generationen nachzuhalten ist. Wir setzen uns momentan stark den verschiedensten Selektionsdrücken aus. Nur merken wir das nicht, da wir durch unsere Luxusgüter ein relativ sicheres Umfeld geschaffen haben, in dem die Gefahren recht überschaubar sind.
Aber Evolution findet über größere Zeiträume und ingesamt andere Dimensionen statt. Es gibt viele Einflüsse, die sich über Jahre, Jahrzehnte, ja, über das letzte Jahrhundert entwickelt haben und uns im Hintergrund formen – und verändern. Das beste Beispiel sind vielleicht Krankheiten. Millionen sterben an Krankheiten weil sie weniger Abwehrkräfte besitzen als andere. Malaria ist ein berühmtes Beispiel, da eine Sichelzellenmutante des ß-globin-Gens Schutz vor dem Krankheitserreger bietet. Zwei Mutanten hingegen verursachen lebensbedrohliche Anämie. Es könnte fast keinen besseren Fall geben um den Genpool einer Bevölkerung zu verändern. Ein anderes Beispiel ist HIV, bei der die Überlebensrate höher ist, wenn ein Patient eine bestimmte Kombination verschiedener Leukozyten-Antigene besitzt.
Da Evolution ein gradueller, langsamer Prozess ist, werden wir wahrscheinlich nicht mehr mit bekommen ob auf diese Art und Weise die Gene sich in der gesamten Bevölkerungen eines Landes etablieren. Wir können schätzen und prognostizieren was passiert, wenn sich ein solches Gen in der gleichen Geschwindigkeit wie bisher in einer Population verbreitet. Laut einer Studie in PNAS vom letzten Jahr gibt es einen Trend bei Frauen zu geringerem Cholesterin, geringerer Größe, früherer Reproduktionsfähigkeit und einer späteren Menopause. Wir gründen Familien immer später, und damit beeinflussen wir unsere eigene Evolution.
Nun erschienen am Freitag in Science gleich mehrere Studien zu Populationen in Tibet. Sie zeigte dass Tibeter, die in einer Höhe von bis zu 4500 Meter leben, besser an den geringen Sauerstoffgehalt (40% weniger) angepasst waren. Han-Chinesen aus geringerer Höhe haben eine dreimal höhere Kindersterblichkeit als Tibeter, da die Überproduktion roter Blutkörper bei geringem Sauerstoffgehalt der Luft zu der berüchtigten, chronischen Höhenkrankheit führt. Tibeter kriegen diese Krankheit nicht. Sie besitzen weniger rote Blutkörperchen und dadurch weniger Hämoglobin.
Eine kleine Veränderung in einem Gen ist dafür verantwortlich. Ein bestimmter SNP – das ist ein single nucleotide polymorphism, also die Veränderung eines einzelnen Basenpaares – war bei 87% aller Tibetern aber nur bei 9% der Han-Chinesen zu finden. Und dieses Gen wird aktiviert als Reaktion auf Sauerstoffmangel. Die Wissenschaftler konnten also eine genetische Anpassung an die Umweltbedingungen in großen Höhenlagen nachweisen.
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