Manche irregulären Worte stehen aber völlig vor dem Aussterben. In den USA, und zunehmend auch in England, weichen die -t Endungen wie z.B. von “smelt” (gerochen) und “burnt” (gebrannt) neuen Formen wie “smelled” und “burned”.
Wenn dies natürliches Artensterben ist, wie müssen wir dann unsere tolle “neue” Rechtschreibung verstehen?
E wie Extinktion
Worte sterben also auch aus. “Gott” ist seit 1850 immer seltener in Büchern vorgekommen. Erst letztes Wochenende unterhielt ich mich mit Freunden beim Essen darüber, was eigentlich aus dem “Vetter” geworden ist. Es dauerte einen Moment bis ich mir in Erinnerung gerufen hatte, dass es sich dabei um einen Cousin handelte. Wahrscheinlich deswegen, weil ich in meiner Familie mehr Kontakt zu meinen “Basen” pflege. Schulkinder von heute finden es zunehmend schwerer Worte zu finden, die alternativ für “gehen” benutzt werden können. Liegt das daran, dass abgesehen von Bundeskanzlern niemand mehr “schreitet” oder daran, dass Kinder von heute mehr zu Hause bleiben und “chillen” anstatt sich zu bewegen? Nein, das sind wahrscheinlich ungerechtfertigte Unterstellungen, aber in einem Zeitraum von gerade mal 20 Jahren sieht man schon, wie sehr der Wortschatz der Generationen sich unterscheidet.
Lol.
Was aber, wenn man den Wortschatz einer einzigen Person über ein gesamtes Leben verfolgen könnte? Findet man dann ähnliche Veränderungen? Professor Ian Lancashire von der Universität Toronto hat genau das gemacht. Er untersuchte die Werke von Shakespeare, Geoffrey Chaucer und John Milton und fand unter anderem, dass letzterer nie das Wort “because” benutzte. Schließlich widmete er sich letztes Jahr einer Leidenschaft, den Kriminalromanen von Agatha Christie. Er untersuchte die Frequenz, mit der unterschiedliche Wörter benutzt wurden. Zufällig wählte er 16 Romane aus, die von Miss Christie innerhalb von 50 Jahren geschrieben wurden. Als er bei einem ihrer letzten (dem 73sten der Autorin, geschrieben mit 81!) ankam, bemerkte er etwas Merkwürdiges. Das Buch hieß Elefanten vergessen nicht, doch genau dies passierte Agatha Christie. Sie verlor etwa ein Fünftel ihre Vokabeln. Worte wie “something” und “anything” nahmen erheblich zu, doch die Vielfalt in der Sprache war weg.
Prof. Lancashire sieht dies als ein Indiz dafür, dass Agatha Christie an Alzheimer litt. Die Krankheit wurde bei ihr nie diagnostiziert, aber die Hinweise durch ihr 73. Buch lassen darauf schließen, dass sie selbst so etwas vermutete: In dem Buch geht es um eine alternde Autorin, die Hercule Poirot bei einem Fall zu helfen versucht, obwohl sie starke Gedächtnisprobleme hat.
Es wäre interessant zu sehen, in wie weit sich Agatha Christies Wortschatz über ihr Leben verändert hat, welche neuen Worte hinzugekommen sind und welche ersetzt wurden. Bei jedem von uns, genau wie in der Gesellschaft als Ganzem, kann man solch eine Veränderung entdecken. Ich habe zum Beispiel bemerkt wie die Häufigkeit des Wortes “anscheinend” in meinem Wortschatz angestiegen ist, während das Wort “scheinbar” mittlerweile nur noch in wenigen Fällen auftaucht.
Um ein Wort muss man sich übrigens keine Sorgen machen. In der deutschsprachigen Literatur (oder besser: in den 4 %, die wir bisher kennen) ist es in den letzte zweihundert Jahren stetig angestiegen. In diesem Sinne:
Frohe Weihnachten
Ngram: Häufigkeit, mit der die Worte Weihnachten, Christmas und Noel in deutschen Büchern vorkommen. (Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken.)
1 n-gram steht für n Worte, die vorne und hinten mit einem Leerzeichen begrenzt sind. 1-gram ist so etwas wie “Autobahn”, 2-gram ist z.B. eine “große Straße”. Der Viewer macht übrigens jede Menge Spaß, ausprobieren lohnt sich.
Michel, J., Shen, Y., Aiden, A., Veres, A., Gray, M., , ., Pickett, J., Hoiberg, D., Clancy, D., Norvig, P., Orwant, J., Pinker, S., Nowak, M., & Aiden, E. (2010). Quantitative Analysis of Culture Using Millions of Digitized Books Science DOI: 10.1126/science.1199644
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