Nach dem Prinzip der Parsimonie sollten wir erwarten, dass dies der wahrscheinlichere Weg sei. Die Alternative wäre, dass die Umweltbedingungen verursachen, dass ein komplett neuer Flügel entstanden ist, der nur zufällig dem uralten gleicht.

Heißt das aber, dass Herr Dollo Unrecht hatte, und es doch möglich ist, zu alten Zuständen “zurück” zu evolvieren? Ich denke nicht. Was Louis Dollo sagte ist, dass ein einmal eingeschlagener Weg im Laufe der Evolution nicht ein zweites Mal eingeschlagen werden kann und dabei genauso abläuft wie beim ersten Mal. Richard Dawkins hat das in seinem Buch “Der blinde Uhrmacher” so formuliert:

[Dollo’s Law is] really just a statement about the statistical improbability of following exactly the same evolutionary trajectory twice (or, indeed, any particular trajectory), in either direction.

“Eine statistische Wahrscheinlichkeit, den exakt gleichen Weg zweimal zu gehen.” Dawkins reduziert das auf die Gene und sagt dann, dass es unwahrscheinlich ist, dass ein Gen zweimal die exakt gleiche Basenzusammensetzung evolviert. Das muss natürlich nicht sein, da trotz Variation im Gen es immer noch für das gleiche Genprodukt verantwortlich sein kann. Doch im Kern ist es richtig, wie Herr Dollo ihm hundert Jahre zuvor zustimmte:

But by virtue of the indestructibility of the past . . . it always keeps some trace of the intermediate stages through which it has passed.

Ein Organismus ist nicht in der Lage, zu dem Ausgangszustand zurückzukehren, um den von Dawkins geforderten Weg erneut zu gehen. Zu vieles hat sich geändert. Zu viele Veränderungen verhindern, dass der Organismus sich genau gleich verändern kann. Evolution geht nicht rückwärts. Sie geht auch nicht wirklich vorwärts. Sie ist die Anpassung an das Jetzt und die Veränderung der jetzigen Zustände. Nur weil der jetzige Zustand einem gleicht, der einmal existiert hat, sollte das nicht als Rückwärtsbewegung verstanden werden. Es ist tatsächlich eine Art von Re-Evolution. Der Begriff ist dabei jedoch völlig überflüssig und wird wahrscheinlich in erster Linie für Marketingzwecke benutzt. Es ist Evolution, nicht mehr und nicht weniger.

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Kommentare (17)

  1. #1 Dr. Webbaer
    Mai 21, 2011

    Vielleicht nicht ganz passend, aber Devo hat mit dem Konzept Geld gemacht:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Devo

  2. #2 noch'n Flo
    Mai 21, 2011

    @ Nils:

    Der Barkeeper heisst übrigens Moe Syslak.

  3. #3 KommentarAbo
    Mai 21, 2011

  4. #4 Jörg W.
    Mai 22, 2011

    scheint mir auch so. Es gibt zwei einfache Methoden als Biologe Aufmerksamkeit zu erregen: Entweder behaupte ich, es hat unmittelbar mit dem heutigen Menschen zu tun oder ich behaupte Evolution, wenn schon nicht widerlegt, dann wenigstens erweitert zu haben. Dafür erfinde ich einen neuen Begriff. Bei genauerem Hinschauen stellen sich beide Vorgangsweisen oft als übertrieben heraus. Manchmal sind es die Wissenschafter selbst, die so für mehr Aufmerksamkeit sorgen wollen, manchmal die Pressestellen und nicht zuletzt die Journalisten – kein Wunder, dass in Summe ein Trend zur Neuerfindung von Begriffen herauskommt.

  5. #5 AndreasM
    Mai 22, 2011

    Genau gleich vielleicht nicht, aber wenn die Wahrscheinlichkeit für eine ähnliche Evolution höher ist als für eine komplette Neuevolution, dann halte ich den Begriff der Re-Evolution nicht per se für unnötig.
    Wenn zum ersten Mal Flügel durch Evolution entstehen, passt sich der restliche Organismus in vielen Bereichen daran an. Es gibt ja nicht nur ein Gen, das für Flügel steht. Und all diese Anpassungen werden dann nicht nur für den Phänotyp Flügel verwendet.
    Dieser Aspekt, dass Gene mehrfach unterschiedlich abgelesen und dann auch noch in unterschiedlicher Kombination für unterschiedliche Zwecke verwendet werden, sorgt dafür, dass, nachdem die Flügel jetzt nutzlos und vielleicht sogar schädlich geworden sind, unter Umständen nur ein kleiner Teil jetzt nicht mehr durch Evolutionsdruck erhalten wird.
    Dann ist es später viel wahrscheinlicher, dass sich sehr ähnliche Flügel ergeben anstatt völlig andere.

    In anderen Worten: Der Begriff Re-Evolution macht im Einzelfall Sinn, wenn mehrfach (auch auf genetisch/molekularer Ebene) in der evolutionären Geschichte einer Spezies die gleiche Lösung entsteht (und zwischendurch für längere Zeiträume wieder verschwindet).

  6. #6 junia
    Mai 22, 2011

    So wie ich das als Nichtwissenschaftlerin verstanden habe, ist Evolution ja auch immer eine Entwicklung zum Besseren hin. Wenn ein Insekt, das einmal Flügel hatte, diese verlor, weil es zu einer Zeit besser war, ohne Flügel zu leben – nun wieder Flügel ausbildet, weil die Flügel nun wieder ein Vorteil sind, ist das doch für dieses Insekt eine Verbesserung, also Evolution. Ein Zurück mit Verschlechterung wäre doch eher eine Degenerierung – oder?

    Wie z. B., wenn die Intelligenz und Bildung der Menschen degeneriert, weil intelligente, leistungsfähige, gebildete Menschen keine Zeit haben, sich zu vermehren – im Gegenteil zu leistungsunfähigen, wenig gebildeten und wenig Intelligenten, die sich aber stark vermehren. Man könnte dann auf die Idee kommen, die Menschen bilden sich evolutionsmäßig zurück. Denn Schmidt-Salomon hat die Evolution in seinem Kinderbuch (Ich hab den Titel vergessen) genau so erklärt mit der stärkeren Vermehrung der Leistungsstarken. Das trifft aber heutzutage bei den Menschen nicht mehr zu. Es gibt dazu auch Statistiken, die beweisen, dass Gebildete sich weniger vermehren als Ungebildete.

  7. #7 Dr. Webbaer
    Mai 22, 2011

    Es gibt dazu auch Statistiken, die beweisen, dass Gebildete sich weniger vermehren als Ungebildete.

    Was erstens gegen die Gebildeten spricht und zweitens gegen die von einigen vermutete Theorie und drittens nicht für die Devolution. 🙂

    Die Evolution funktioniert auch nicht im Sinne des “Survival of the fittest”, da sich die Fittung kaum bestimmen lässt, sondern eher im Sinne von “Etwas ist, weil es ist, es ist so wie es ist, weil es so ist, wie es ist.” – in anderen Worten die Sache ist so komplex, dass sie sich der humanen (vs. Bären-)Erkenntnis verschließt.

    Auch die Reaktivierung bestimmter Gene, die dann “Altkönnen” wieder hinzubauen lassen, ist Evolution und kein devolutionärer Rückbau.

    MFG
    Dr. Webbaer

  8. #8 Dr. Webbaer
    Mai 22, 2011

    Die Krake ähnelt dem Kernkraftwerksboss Burns, die Fliege einer anderen Simpsons-Figur, der Flugsaurier einer der ständig rauchenden Schwestern von Maggie, die Saurier sind Bart und Liza, Moe ist der Devolutionist und am Schluss fragt Maggie “Was hat so lange gedauert?”, LOL.

  9. #9 Nils
    Mai 22, 2011

    @junia:
    Evolution als Verbesserung zu sehen, und dümmer werden als etwas schlechtes ist beides falsch. Die erfolgreichsten Lebewesen dieser Welt sind vielleicht die Bakterien; aber keine käme auf die Idee sie als intelligent zu bezeichnen.
    Dein Argument hinkt außerdem daran, dass wir nicht wissen in wie weit Intelligenz vererbbar ist. Evolution ist streng genommen die Veränderung von Allelfrequenzen (auf deutsch: Umverteilung von Genvarianten). Ich denke Bildung ist aber ein soziales Privileg, was viele Studien meines Wissens auch bestätigen. Es gibt nicht einfach ein “Intelligenzgen,” genausowenig wie es ein einziges “Flügelgen” gibt.
    Davon abgesehen halte ich es für sehr bedenklich, wenn jemand Menschen in schlau und dumm einteilt; Menschen generell in Kategorien einzuteilen ist falsch.

    @AndreasM:
    Der Begriff Re-Evolution macht irgendwie tatsächlich Sinn, ihn aber zu benutzen ohne zu wissen ob er auch stimmt, ist falsch. Eventuell entwickelt sich eine Allelfrequenz in einer Population tatsächlich so, dass ein Allel, welches verloren geglaubt war, jetzt wieder von Vorteil wird. Der Haken an der Sache ist, dass das alles mehr oder weniger Spekulation ist, da wir ja nicht wissen, ob es ein Gen ist, das das alles regelt. Es können auch mehrere Mechanismen sein und mehrere z.T. neue Allele, und das Endprodukt ist ein Flügel der für uns identisch aussieht. Da das alles aber unter den Begriff Evolution fällt, halte ich den Begriff Re-Evolution vielleicht für passend … aber unnötig.

  10. #10 Nils
    Mai 22, 2011

    @Webbaer:
    Maggie kann schon sprechen? Das ist mir in den paar Folgen, die ich kenne, gar nicht aufgefallen. 😉

  11. #11 badhofer
    Mai 22, 2011

    Es gibt in der Gesamtheit allen Vorhandenen keine absolute Gerade.
    Selbst die Bahn des Lichtes ist gekrümmt.
    Folglich ist auch die Evolution keine Gerade und
    trifft deshalb irgendwann wieder auf sich selbst,
    seiner eigenen Grenze.

    Die Evolution geht in allen Bereichen bis an seine eigene Grenze.
    Um die Grenze zu erkennen, muß man sie überschreiten.
    Unser Zeitalter ist geprägt von Grenzüberschreitungen!
    https://www.badhofer.at/cern.jpg

  12. #12 jitpleecheep
    Mai 22, 2011

    @junia:

    “ist Evolution ja auch immer eine Entwicklung zum Besseren hin”

    Nein. Evolution ist keine Entwicklung irgendwo hin, schon gar nicht zu etwas Besserem. Evolution wirft keinen Blick in die Zukunft, hat kein Ziel, nimmt keine Wertung vor.

    “Intelligenz und Bildung der Menschen degeneriert, weil intelligente, leistungsfähige, gebildete Menschen keine Zeit haben, sich zu vermehren – im Gegenteil zu leistungsunfähigen, wenig gebildeten und wenig Intelligenten, die sich aber stark vermehren.”

    Ja, solche “Argumente” hört man neuerdings wieder öfter, insbesondere aus dem Munde eines gewissen (aus mir völlig unerfindlichen Gründen immer noch) SPD-Mitglieds. Zuvor haben übrigens die Nazis auch schon mal exakt genauso argumentiert. Vielleicht denkst du da noch mal etwas drüber nach.

    “Es gibt dazu auch Statistiken, die beweisen, dass Gebildete sich weniger vermehren als Ungebildete.”

    Zeig mal. Insbesondere solche, die daraus auf Intelligenz und “Degenerierung” schliessen.

  13. #13 AndreasM
    Mai 22, 2011

    @Nils: Das ist richtig. Er wäre nur dann nicht unnötig, wenn dahinter ein weitergehender Mechanismus stecken würde und das ist unwahrscheinlich.

  14. #14 badhofer
    Mai 22, 2011

    @junia
    >>Es gibt dazu auch Statistiken, die beweisen, dass Gebildete
    >>sich weniger vermehren als Ungebildete.

    Auf https://www.physik.as /Seite 3 wird beschrieben, warum das so ist.
    Je gebildeter der Schneemann ist, desto weniger Löcher wird er graben!

  15. #15 Dr. Webbaer
    Mai 22, 2011

    @Nils
    Homers Ehefrau heißt Marge, korrekt. – Übrigens eine recht schlaue Dame.

  16. #16 Geoman
    Juni 10, 2011

    @Nils schrieb:

    “Evolution ist streng genommen die Veränderung von Allelfrequenzen (auf deutsch: Umverteilung von Genvarianten)”

    Man kann es nicht oft genug wiederholen, die Definition, dass Evolution die Veränderung von Allelfrequenzen sei, ist in etwa so aussagekräftig, als wenn ich formuliere, dass Städte sich durch die unterschiedliche Anhäufung von Steinen unterscheiden.

    Auf Basis solcher schlichten inhaltsarmen Formeln, ist es völlig aussichtslos über eine sinnvolle Bedeutung von Evolution, Devolution oder Re-Evolution zu diskutieren.

  17. #17 Dr. Webbaer
    Juni 10, 2011

    @Geo
    Ist immerhin eine mögliche Sicht auf die Dinge, die der wohl richtigen Sicht auf die Dinge – “Etwas ist, weil es ist, und es ist so wie es ist, weil es so ist, wie es ist.” – in vielerlei Hinsicht überlegen ist, zudem auch brauchbarer erscheint. Ist ja nicht jeder agnostisch geübt.

    MFG
    Dr. Webbaer (der mit dem hiesigen Inhaltemeister meist sehr zufrieden ist)