… deshalb ist einer nicht genug.
Diese alte Weisheit stammt noch aus den Zeiten, zu denen ich mir regelmäßig das Micky Maus Magazin gekauft habe. Und so albern dieser Gedanke erscheinen mag, er stimmt. Wir lernen (in der Regel) aus Fehlern, und statistisch gesehen sollten wir uns in einer bestimmten Situation umso besser verhalten, je mehr Fehler wir bisher gemacht haben.
Evolutionsbiologisch haben Fehler jedoch eine ganz andere Bedeutung. Sie sind eine Notwendigkeit. Hier ist ein Zitat von Charles Darwin aus seinem “On the Origin of Species”:
Ich finde das Zitat großartig, aber der Punkt auf den ich hinaus möchte, ist dass wenn wir jede “grosse mechanische Erfindung als das Product der vereinten Arbeit, Erfahrung, Beurtheilung und selbst Fehler zahlreicher Arbeiter ansehen, wenn wir jedes organische Wesen auf diese Weise betrachten: wie viel ansprechender (ich rede aus Erfahrung) wird das Studium der Naturgeschichte werden!” (Übersetzung von H. G. Bronn, 1867)
Falsch hingeschaut
Die Summe all dessen, was heutige Lebewesen ausmacht, ist auch die Summe all der Fehler, die dazu geführt haben. Bei Diskussionen mit Kreationisten tauchen immer wieder die gleichen Argumente auf. Ein sehr beliebtes ist das menschliche Auge. Zu Darwins Zeiten wirkte es so perfekt, dass es unmöglich natürlich entstanden sein konnte. Deshalb wurde es gerne als Beispiel dafür aufgeführt, dass doch ein Designer hinter dem Auge stecken müsste. Doch dann stellte sich heraus, dass all die Übergangsformen, die zu dem heutigen Auge geführt haben könnten (Augen mit anderen Linsen, Augen ohne Linsen, Augen ohne Iris, Augen ohne Glaskörper, Augen ohne Netzhaut, und Augen ohne Hohlraum, um nur einige Fälle zu nennen), immer noch in anderen Tieren existierten. Es geht also doch, unperfekt zu sehen. Dabei ist unser Auge alles andere als perfekt. Blutgefäße laufen auf der Netzhaut entlang, was die Sichtqualität einschränken und bei möglichen Verletzungen der Gefäße zu extremer Sehschwäche führen kann. Aber nicht nur Blutgefäße, sondern auch alle möglichen Arten von Zellen liegen zwischen dem einfallenden Licht und der Netzhaut. Ganglienzellen, Amakrinzellen, und andere Nervenzellen müssen erst überwunden werden bevor das Licht registriert wird, denn beim Menschen und anderen Wirbeltieren liegen die Photorezeptoren dahinter (nicht wie z.B. bei Kraken vor den Nervenzellen, siehe Abbildung). Das führt zu einem nächsten Fehler: den blinden Fleck – es gibt tatsächlich einen Bereich, bei dem wir gar nichts sehen. Bedenkt man dann noch, dass das Bild was wir sehen eigentlich auf dem Kopf steht und erst unser Gehirn es wieder richtig dreht, dann fällt es einem schwer noch von Perfektion zu reden.
Schematische Darstellung eines Auges vom Menschen (links) und eines Kraken (rechts). 4 ist der nur beim Menschen zu findende Blinde Fleck, 1 die Netzhaut und 2 die Nervenfasern. (1 und 2 sind bei dieser von Wikipedia stammenden Illustration beim Kraken vertauscht.)
“Fehler” wie beim Auge lassen sich aber erklären, wenn man nachverfolgt, wie sich das Auge evolutionsbiologisch wahrscheinlich entwickelt hat. Eine Anpassung kann schließlich nur auf Vorhandenem aufbauen. Um einen vorherigen Fehler wieder gut zu machen, ist es unendlich viel schwieriger, alles noch einmal zu wiederholen. Einfacher ist es den Fehler zu reparieren, wie z.B. das Tapetum lucidum das bei nachtaktiven Tieren getan hat (das Tapetum ist der Grund für die bunten Augen von Hunden und Katzen auf Fotos). Damit möglichst viele Informationen aus dem einfallenden Licht gewonnen werden können, wird hinter der Netzhaut das Licht einfach reflektiert und noch einmal durch alle Photozellen geleitet. Das Tapetum ist dabei aber lediglich eine Ergänzung. Der umständliche Weg zur Netzhaut bleibt bestehen.
Kommentare (11)