Im Gegensatz zum Master dreht sich also bei der Promotion ALLES ums Publizieren. Jedes Experiment wird so aufgezogen, dass man am Ende darüber schreiben darf (muss?).

Okay, das liest sich alles recht zynisch, aber so schlimm ist das gar nicht. Denn bedenkt man, dass die Publikationen den Lebenslauf eigentlich ersetzen, dann arbeitet man ganz und gar für die eigene Karriere. Und eine Publikation, vielleicht sogar schon den ungefähren Titel, im Kopf zu haben, hilft ungemein bei der Ausarbeitung von Versuchen.
Man kniet sich also in die neuen Versuche, die Fragestellungen, die Wissenschaft mit dem Kurzzeitziel klar vor den Augen: die erste Publikation! Wäre da nur nicht noch etwas im Hinterkopf, das einfach nicht verschwinden möchte. Die Absage wegen dem Paper aus dem Masterstudium ist schon irgendwie ein Tiefschlag, und es wäre doch gelacht wenn man es der Welt nicht zeigen könnte und die Daten dennoch publiziert. Schließlich kann man jedem neuen Biologiestudent unendlich viel Arbeit abnehmen, indem man ihm erklärt dass Bakterium A völlig ungefährlich für Maus B ist, äh … war … in den eigenen Versuchen … unter den im Methodenteil beschriebenen Bedingungen.

Vielleicht waren die Ergebnisse aber auch gar nicht so schlecht, und es handelt sich um Daten, die nur bei diesem einen Journal nicht richtig ankamen. Wenn man die Publikation umschreibt, vielleicht nimmt sie dann ja ein Journal mit einem Impact Factor von 1,1? Neben den Promotionsforschungen werkelt man also weiter an einer Publikation aus einer vergessenen Zeit.

Mit etwas Glück und Selbstvertrauen schafft man es dann vielleicht und publiziert die Ergebnisse seiner Masterarbeit zeitgleich mit denen aus der Promotion. Es soll aber auch schon passiert sein, dass die Ergebnisse der Masterarbeit irgendwann nach der Habilitation wieder gefunden wurden und sich so der neue Artikel des emeritierten Professors (Jones et al., 2043) wie folgt liest:

All data collection was performed at the Coast of Northern California during the summer of 1988.

“Peer” Review

Alles in Allem kommt aber jeder einmal zu seiner Publikation. Doch wer es ganz weit bringen will, der achtet auf eine Kleinigkeit namens Impact Factor. Dieser gibt quasi an, welche Prestige die in dem Journal publizierten Artikel haben. Das hängt von der Qualität der Erkenntnisse ab, aber auch von den Namen der publizierenden Autoren. Nature und Science gelten als die prestigeträchtigsten Journale, mit Impact Factors von 36 bzw. 31. Der Großteil der übrigen Journale, in die normalsterbliche Wissenschaftler es schaffen, bewegt sich zwischen 6 und … na ja, nach unten ist diese Liste eigentlich offen. 6 ist übrigens schon ziemlich hoch.

Der Grund warum man sich überhaupt um diese Impact Factors kümmert, ist, dass die Jobchance schlagartig steigt, wenn man Publikationen in den hochrangigen Zeitschriften hat. Eine Publikation in Nature ist daher wesentlich hilfreicher als fortgeschrittene Kenntnisse in HTML oder das Praktikum in Angola. Um in solch ein Journal aber reinzukommen, muss man es erst am Peer Review vorbei schaffen. Um dieses bei Science und Nature ohne stärkere Blessuren zu überstehen, lohnt es sich wenn man schon eine Menge Publikationen auf seiner Publikationsliste hat (soviel dazu!) oder wenn man einen Ko-Autor finden kann, der diese Qualität besitzt.

Ansonsten publiziert man halt weiter unten.

Doch auch da ist der Peer Review kein Zuckerschlecken. Die ersten und kritischsten Peers (zu Deutsch: “Kollegen”) sind nämlich diejenigen, mit denen man täglich zu Mittag isst. Hat man eine Studie gemacht, an der fünf, sechs oder mehr Autoren beteiligt waren, ist es wahrscheinlich dass jeder etwas an der Publikation auszusetzen hat. So zieht sich der Prozess, den man nun aus jungen Master-Jahren kennt, locker über ein paar weitere Wochen/Monate hinaus bevor man tatsächlich seine schön detailliert verfassten Ergebnisse an z.T. völlig unbekannte Kollegen weiter reicht. Der Editor eines Journals entscheidet, wen er um den kritischen Blick bittet, und ein Professor, Postdoc oder ein Doktorand am anderen Ende der Welt liest sich das Paper dann durch, nimmt (hoffentlich) jede Methode, jede Statistik und jedes falsche Adverb auseinander und teilt seinen Eindruck dem Editor mit. Letztendlich kommt erneut eine Nachricht in das Postfach des Jungautoren:

We accept your article for publication …

Juhuu!

… with major revisions (see commentaries by reviewers).

Jetzt sind es nur noch einige Wochen, in denen das Paper einmal komplett umgeschrieben werden muss, und die Ergebnisse werden publiziert.

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Kommentare (4)

  1. #1 Geoman
    September 4, 2011

    Eine bemerkenswert ehrliche und realistische Darstellung des Wissenschaftsbetriebs, den die meisten Scienceblogger in ihrer vorgeblich ungebremsten Faszination bei der Erforschung des Universums glauben, außen vorlassen zu müssen.

    Schade nur, dass das Lob von falscher Seite kommt.

  2. #2 Nils
    September 5, 2011

    Na, ich denke du wirst es schwer haben, jemanden zu finden, der die Wissenschaft so rosarot sieht wie du es ihnen unterstellst.

    Ich halte das System zumindest, wenn auch für verbesserungswürdig, für gar nicht mal so schlecht . Letztendlich gibt es im Peer Review drei wichtige Schritte, die gemeinsam gewährleisten, dass (meistens) kein Unsinn verzapft wird: 1) Die eigenen Kollegen, die vor dem Einreichen beim Journal darauf achten, dass die Daten stimmen und keine übertriebene Interpretationen auftauchen. 2) Der offizielle “Peer Review” des Journals. 3) Die Überprüfung der Ergebnisse nach der Publikation, durch Kollegen, die an weiteren Forschungsprojekten zum gleichen Thema arbeiten.

  3. #3 Geoman
    September 6, 2011

    @ Nils

    Ich bezog mich auf solche, fast mystische Hymnen an unseren Planeten oder dessen wissenschaftliche Erforschung, wie sie z. B. bei Florian Freistetter nachzulesen sind:

    “Man könnte noch stundenlang weiter darüber nachdenken (und darüber schreiben), wie fantastisch es eigentlich ist, dass wir auf einer Kugel aus geschmolzenen Gestein und Metall sitzen und damit mit mehr als hunderttausend km/h um die Sonne zu kreisen. Ich freue mich für alle, denen es ebenso geht und die solche Vorstellungen ebenso faszinierend finden.”

    Da kommt mir einfach zu kurz, wie hart und ungerecht der Wissenschaftsbetrieb sein kann, und dass das Ganze erheblich an Faszination verlieren kann, wenn man jobmäßig nicht vorankommt oder auf dem absteigenden Ast ist oder gar selbst von einem Vulkanausbruch oder Erdbeben betroffen ist.

    Außerdem muss man schon fast Nobelpreisträger sein, um eine neue Sichtweise der Dinge durchs Peer Review zu schleusen und auf dem Bildschirm der Wissenschaft zu platzieren.

  4. #4 knackbock
    September 13, 2011

    Glückwunsch!

    Warten wir ab ob’s demnächst einen Rant über den Review-Prozess gibt 😉