Ein Beispiel
Im Kurs haben wir kleine, quadratische Papierplättchen. Vier verschiedene Farben und jeweils zwei von einer, um eine Art Genpool zu simulieren. Damit genetische Drift gut gemessen werden kann, nehmen wir an, dass Selektion nicht stattfindet und dass die Plättchen keine Vorlieben bei der Verpaarung haben. Jedes kann sich mit jedem fortpflanzen. Alle acht Plättchen liegen dann in einem Plastikbecher, aus dem – zufällig – zwei gezogen werden, die sich verpaaren können. Die “Eltern” werden zurück in den Becher gelegt; der Nachkomme hat jetzt beide Farben, die der “Mutter” und des “Vaters.”
So entstehen neue Generationen mit einer anderen Verteilung der Farben. In einer winzigen Population wie der unseren (8 Tiere), sieht man relativ schnell eine Veränderung in der Zusammensetzung. Während am Anfang noch jeweils zwei gelbe, rote, blaue und grüne Individuen auftauchten, sind es bei Generation 4 vielleicht drei blaue und dafür nur noch ein rotes. Allein der Zufall in der Stichprobenwahl verursacht, dass eine Farbe häufiger gezogen wird als die anderen. Das kann soweit führen, dass nach ein paar Durchgängen eine Farbe komplett aus dem “Genpool” verschwunden ist.
Diese stochastischen Prozesse finden andauernd statt. Auch bei uns. Jedes Mal wenn ein neues Kind gezeugt wird, wird nur ein Teil der Allele der Eltern weiter gegeben. Die Stichprobe, also die Anzahl der Kindern, entscheidet, wie viele der Allele in die nächste Generation gelangen. Bei kleinen Familien, genauso wie bei kleinen Populationen, können so bestimmte Allele verloren gehen. Obwohl es schwierig ist, heute zurückblickend darüber zu urteilen, ob eine Allelfrequenz durch genetische Drift oder einen uns heute unbekannten Selektionsdruck zustande kam, gibt es die Möglichkeit, per Modellierung die Wahrscheinlichkeit abzuschätzen, dass genetische Drift eine Rolle gespielt hat. Zum Beispiel sind Unterschiede in Häufigkeiten von Blutgruppen zwischen Populationen leicht auf Drift zurückzuführen, genauso wie die unterschiedliche Verteilung von Rh-negativ in Europa.
Nicht zuletzt war es wahrscheinlich auch genetische Drift, die dabei mitgeholfen hat, dass unsere gesamte heutige mitochondriale DNA auf eine Frau zurückzuführen ist, die sogenannte mitochondriale Eva. Das bedeutet, dass aus vielleicht ein paar Tausend Individuen nur die mitochondriale DNA einer einzigen Frau bis heute übrig geblieben ist:
Der Rest (die blauen, türkisen, roten und rosa “Plättchen”) ist durch einfache Stochastik unterwegs auf der Strecke geblieben.
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