Welche sozialisatorischen und biographischen Faktoren sind dafür verantwortlich, dass weibliche Karrieren so häufig ins Stocken geraten? Hildegard Macha und Quirin Bauer vom GenderZentrumAugsburg (GZA) haben Antworten auf diese Fragen und erläutern, weshalb wir eine “Kultur der Ermutigung” so dringend brauchen.
In der bundesdeutschen Wissenschaft herrscht aktuell – trotz einer Frauengeneration, die hoch qualifiziert und hoch motiviert ist – eine geschlechterspezifische Asymmetrie in den Bereichen der Macht- und Führungspositionen. Der Anteil der Frauen auf jeder Stufe der Karriereleiter sinkt kontinuierlich, obwohl rund 50 Prozent aller Studienanfänger/innen und Hochschulabsolventen/innen weiblich sind.
Die wissenschaftliche Elite in Deutschland ist fast ausschließlich männlich, auch wenn die Erziehungs- und Bildungsinstitutionen heute mehr denn je auf gleiche Chancen, Zugänge und die Förderung für Mädchen und Frauen achten.
Zwar hat sich in den letzten Jahren der Anteil von Wissenschaftlerinnen in den Führungspositionen der Hochschulen signifikant erhöht, trotzdem ist er immer noch geringer, als ihr prozentualer Anteil am Gesamtpersonal der Hochschulen. Dies zeigen jüngste Zahlen aus dem Jahr 2007:
„Der Frauenanteil an den Beschäftigten an Hochschulen betrug 51%, die Frauenquote beim wissenschaftlichen und künstlerischen Personal lag bei 32%. Der Frauenanteil unter den Professoren liegt bei 15%” (BMBF 2008).
Das Potential von exzellent ausgebildeten Frauen bleibt weitgehend ungenutzt.
In der persönlichen Biographie sowie auf dem wissenschaftlichen Karriereweg existiert eine Vielzahl von Gründen, die sich wechselseitig bedingen und dazu führen, dass das Potenzial von exzellent ausgebildeten Frauen weitgehend ungenutzt bleibt. Begabte Mädchen und junge Frauen werden bereits in Familie, Schule und Freundeskreis kaum dazu motiviert, vorhandene Fähigkeiten systematisch auszubauen und in eine berufliche Zukunft zu investieren. Dies zeigen Ergebnisse aus der Eliteforschung. Sie setzen sich nicht die Ziele, die sie aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit erreichen könnten, sondern üben freiwilligen Verzicht (vgl. Macha 2005).
Ist Erfolg für Frauen nicht opportun?
Diese Einflüsse aus Kindheit und Jugend werden im Erwachsenenalter zu individuellen Strategien der biographischen Lebensplanung ausgebaut und führen trotz zunehmender Infragestellung veralteter Sozialisations- und Rollenkonzepte vor allem bei Frauen zur Übernahme stereotyper Identitätsentwürfe und Berufswahlen. Es entsteht eine Parallelität zweier Dimensionen, vor allem durch die widersprüchlichen und inkonsistenten Anforderungen von Berufs- und Familien- bzw. Privatleben. Diese muss sowohl in der Identität, als auch in der Lebensführung der Frauen ausbalanciert werden: Work-Life-Balance wird zu einer schmerzlichen Aufgabe primär für Frauen, bei der allzu oft eine Wahl zwischen Karriere und Familie getroffen werden muss (vgl. Struthmann 2008).
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist kaum realisierbar: Es droht eine Marginalisierung von Frauen im Wissenschaftssystem Deutschlands.
Durch die defizitäre Möglichkeit zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf resultiert eine Marginalisierung von Frauen im Wissenschaftssystem in Deutschland. Es mangelt an familiengerechten Lern- und Arbeitsbedingungen, die den hochschulspezifischen Arbeitsstrukturen und -prozessen entgegen kommen bzw. entsprechen.
„Vor allem Wissenschaftlerinnen und Frauen in anderen hoch qualifizierten Berufen verlieren wertvolle Zeit für den Karriereaufbau, wenn sie Erziehungszeit in Anspruch nehmen, um ihrer Doppelrolle gerecht zu werden” (Macha/ Bauer/ Struthmann 2008).
Karrierebrüche sind vorprogrammiert
Die Folge sind Karrierebrüche. Frauen, die diese Hürden überwinden konnten, sehen sich folglich auf den höheren Stufen der akademischen Karriereleiter mit der spezifisch androzentrischen Organisationskultur der Hochschule konfrontiert.
„Vor allem wurden sie mit Regeln konfrontiert, die ohne sie zustande gekommen und die für sie erst anzupassen waren. Insbesondere die strukturellen Rahmenbedingungen des wissenschaftlichen Qualifizierungsweges, wie das Wissenschaftssystem als Ganzes […] wirken sich nachteilig für den Karriereverlauf und die Integration von Wissenschaftlerinnen aus” (Wissenschaftsrat 2007).
Das ambivalente Verhältnis zur Macht
Beim Erklimmen höherer Positionen im Wissenschaftsbetrieb gilt es außerdem zu bedenken, dass Frauen ein Problem mit der Gewinnung einer positive Einstellung zur Macht haben sowie damit, Macht anzunehmen. Studien belegen immer aufs Neue, dass Frauen Macht ablehnen. Dabei wäre der nach allen Erfahrungen demokratischere Umgang der Frauen mit der Macht ein Gewinn für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, denn Verantwortung für andere zu übernehmen sind Frauen gewohnt (vgl. Macha 2005).
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