Die Niederländerin Dr. Corette Wierenga erforscht am Max-Planck-Institut für Neurobiologie das Gehirn. Begonnen hat die junge Mutter ihre akademische Laufbahn dabei in einem ganz anderen Bereich der Forschung: Erst nachdem sie ihr Physikstudium abgeschlossen hatte, wechselte Wierenga in die Neurobiologie. Weshalb sie das Gehirn aber spannender findet als physikalische Details.
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Im Grunde halte ich Frauen und Männer nicht per se für grundverschieden. Es gibt viel eher einfach Unterschiede zwischen Leuten, also auch unter Frauen. Aber genau das ist das Schöne an der Forschung: Sie ist ganz individuell. Und jeder Wissenschaftler forscht auf seine eigene, unvergleichliche Art.

Dass ich mal in der Hirnforschung lande, war auch ein recht individueller Weg. Ich konnte in der Schule gut lernen und habe anschließend Physik studiert. Das Fach fand ich interessant. Am Gehirn war ich zwar schon immer interessiert, aber ein Biologiestudium reizte mich so gar nicht – ich dachte, dort geht es nur um Pflanzen und Tiere. Medizin wollte ich nicht studieren, weil ich auf keinen Fall Ärztin werden wollte.

Forschung und Hochschularbeit kannte ich zu dem Zeitpunkt ein wenig durch meinen Vater: Er ist Wirtschaftsprofessor mit dem Schwerpunkt Marketing. Zugegeben, das ist ein völlig anderes Feld als meine Studien, aber das wissenschaftliche Umfeld lag mir durch ihn nicht fern. Meine Mutter hat studiert und immer gearbeitet. Auch meine Schwester und Cousinen haben alle studiert – als Frau an eine akademische Laufbahn einzuschlagen war bei uns eigentlich ganz normal – was aber nicht heißen soll, dass wir unter Druck gesetzt wurden, ein Studium machen zu müssen.

Am Ende des Physikstudiums hatte ich dann schon verstanden, dass ich nicht in dieser Disziplin bleiben werde. Ich fand es zwar interessant, aber um als Physikerin in die Forschung zu gehen, fehlte mir persönlich die Abwechselung. In der Physik hat man schon alles, beziehungsweise fast alles verstanden. Zumindest war das mein Eindruck: Physikforschung geht „nur” noch ins Detail, weil das Große schon verstanden wurde.

Das Gehirn schien mir dazu der genaue Gegensatz. Dort gibt es noch viel zu erforschen und man kann noch ganz große Schritte machen. Darum habe ich meinen Ph.D. in Neurobiologie in Amsterdam angefangen, das hat richtig Spaß gemacht. Von dort bin ich einfach weitergegangen nach Boston und bin jetzt hier in München – geplant war das nicht. In der Schule habe ich mir nicht gesagt, dass ich in die Forschung möchte. Für mich fühlt es sich eher an, als hätte ich mein Studium nur wieder verlängert – bis jetzt eigentlich.

Ich komme aus den Niederlanden. Dass Frauen in der Wissenschaft hierzulande eine auffallende Minderheit sind, hat mich zunächst überrascht. Wenn bis 2014 ein Drittel aller Professoren in den Ruhestand gehen, bin ich gespannt, welche Rolle dem weiblichen Nachwuchs dann zugedacht wird. Bisher ist mein Eindruck, dass man in der Bundesrepublik mindestens 40, gar 50 Jahre alt sein muss, um Professor zu werden.

Das ist in den Niederlanden ein bisschen besser und soweit ich weiß in den USA auch. Es gibt dort einen „Assistant Professor”, das kann man auch in jüngeren Jahren werden. Es fehlt in Deutschland an Festanstellungen für junge Forscher. Hier gibt es ja nur Vollprofessuren und die machen den Sprung vom PostDoc zum Professor riesig. Das gilt allerdings für Männer wie für Frauen.

Ich bin natürlich dafür, dass es mehr Frauen in der Forschung gibt, aber eine Gleichstellungsquote halte ich dennoch für falsch – viele Frauen wollen auch gar nicht so hoch hinaus. Nur: Diese Grundhaltung, das Männer eben besser sind als Frauen, die darf es nicht geben. Um Professor zu werden braucht man eine gewisse Einstellung, muss bestimmte Qualitäten haben, das ist meiner Meinung nach zwar schwer zu finden aber grundsätzlich bei beiden Geschlechtern gleichermaßen möglich.

Gerade für Frauen, die Kinder haben, ist der Sprung nach dem PostDoc mit vielen Unsicherheiten verbunden. Es gibt sicher nicht viele, die das in Kauf nehmen. Vielleicht brauchen Männer diese Sicherheit, dass sie nach Jahren in der Forschung auch Professor werden, weniger. Professuren müssen ja auch nicht Fifty-Fifty unter den Geschlechtern aufgeteilt werden, aber 10 bis 20 Prozent mehr Frauen wären schon sehr toll.

In Holland ist es viel normaler „mit Kind” zu arbeiten. Hier hat mich jeder gefragt, wieso ich mir das antue, als ich drei Monate nach der Geburt meiner Tochter wieder zu arbeiten anfing. „Bleib das erste Jahr zu Hause,” sagten mir andere Mütter, „das ist viel besser fürs Kind!” Ich halte das für Blödsinn. Aber hier ist es ganz normal, dass die Frau ein Jahr zu Hause bleibt – aber wenn man das in der Forschung macht, ist ein Jahr viel zu lang.

In Holland ist es viel normaler, dass man nach drei oder vier Monaten wieder zur Arbeit kommt. Fast alle meine Freunde haben das so gemacht – und Mann und Frau teilen sich die Arbeit auch, indem z.B. jeder nur drei oder vier Tage pro Woche arbeitet. Das finde ich gut, weil das Kind dann seine Eltern zu gleichen Anteilen kriegt aber auch in die KiTa gehen kann. Für Forscher ist das natürlich nicht immer möglich, man kann nicht nur drei Tage pro Woche ein guter Forscher sein.

Dass es hier die Möglichkeit gibt, ein Jahr Elterngeld zu beziehen, ist natürlich schön – meine holländischen Freunde sind neidisch auf solche Möglichkeiten. In Holland muss man nach vier Monaten spätestens wieder arbeiten, glaube ich, aber da bin ich mir nicht ganz sicher.

Was die Geschlechterverteilung betrifft: In der Neurobiologie ist das Verhältnis insgesamt ohnehin recht ausgeglichen. Am Professorenlevel gibt es nur nach wie vor mehr Männer. Noch ist das normal, aber ich hoffe doch, dass das in 10 Jahren anders sein wird. Ich zumindest finde, in fünf Jahren sollte ich Professorin sein!