Historische Zäsuren sind wichtig für die Einteilung und Strukturierung der Geschichte. Sie dienen vor allem Historikern als Werkzeug. Überdies scheint es ein menschliches Bedürfnis zu sein, die Zeit einzuteilen, um sich selbst in dieser positionieren zu können. Ob diese Zäsuren aber auch wissenschaftlich sinnvoll sind, darüber diskutierten in einer Podiumsdiskussion Martin Sabrow, Anselm Doering-Manteuffel, Konrad Jarausch und Werner Plumpe.

Von Gina Fuhrich und Thomas Geier

Sabrow, der in dieser Diskussionsrunde als Verfechter der historischen Zäsuren agierte, begann zuerst die Kritikpunkte aufzuzählen. Historische Zäsuren sind immer subjektive Einteilungen. Es sind bestimmte Anschauungsformen, deren Deutung wandelbar und perspektivenabhängig ist. Desweiteren haben Zäsuren nur eine begrenzte Reichweite und es besteht eine biografische und historische Differenz, d.h. die Menschen erfahren in ihrem alltäglichen Leben oft andere Zäsuren als die in der Geschichte gesetzten.

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Dennoch sind für Sabrow Epocheneinteilungen sinnvoll, wenn an Stelle von universalen, allgemeingültigen Zäsuren regionale Einschnitte gesetzt werden, da die Strukturierung von Zeitabschnitten für ihn ein grundlegendes Orientierungsbedürfnis der Menschen erfüllt. Die Industrialisierung ist beispielsweise nur in England, Nordamerika und nach und nach in Europa vollzogen worden, ist aber dennoch für diese Regionen ein wichtiger Einschnitt. In seinen Ausführungen unterscheidet er zwischen Deutungszäsuren, die nach Ereignissen rückwirkend festgelegt werden und Ordnungszäsuren, die ein neues Weltverständnis sowie unbekannte Perspektiven öffnen und sich somit von der Deutungsebene auf die Handlungsebene auswirken.

Epocheneinteilungen und historische Zäsuren erfüllen ein Orientierungsbedürfnis der Menschen. Stehen aber häufig quer zu biographischen Erfahrungen.

Sein “Diskussionsgegner” Konrad Jarausch hielt dagegen. Für ihn haben Zäsuren vor allem in den Medien an Bedeutung gewonnen und werden somit schon willkürlich gesetzt. So werten inflationäre mediale Zäsuren wie beispielsweise die Finanzkrise den Begriff der historischen Zäsur ab. Gleichzeitig erhält der Begriff eine Deutungsmacht für politische Zwecke. Desweiteren sind Zäsuren für Jarausch erlebte Brüche im eigenen Leben, wie Abitur oder Heirat, die mit den historischen Zäsuren in einem hohen Spannungsverhältnis stehen und große Unterschiede aufzeigen. Ebenso hält er es für unmöglich, Zäsuren für Gesamteuropa festzulegen, da jeder Historiker je nach Perspektive und Auffassung andere Zäsuren setzen wird. Für ihn ist eine Hierarchisierung der Zäsuren wichtig, da er so einer naiven Fortschreibung von Zäsuren entgegenwirken und eine stärkere Selbstreflektion fördern möchte.

Anselm Manteuffel äußert sich hingegen zwar zögerlich, ist aber letztendlich den Zäsuren gegenüber positiv eingestellt. Für ihn sind diese Strukturierungskomponenten und geben den persönlichen Erinnerungen eine Bedeutung. Allerdings sagen sie nichts über die Vergangenheit aus. Sie sind keine Epochen, sondern stellen kleine Episoden dar, wie beispielsweise die NS-Zeit, da diese mit knapp zwölf Jahren schwer als Epoche zu bezeichnen ist. Die Menschen erfinden die Zäsuren, um einen Vergleich zwischen Vorher und Nachher generieren zu können. Diese Kategorien sind flüchtig und wandelbar. Zäsuren ordnen laut Manteuffel Erinnerungen und sind somit ein Gruppensubjektivismus, beispielsweise einer Altersgruppe. Somit sind historische Zäsuren für ihn ein Strukturbruch und wichtige Orientierungspunkte für Zeitgenossen, um ihre Gegenwart zu ordnen.

Werner Plumpe ist sich der Notwendigkeit der Zäsur für die Kommunikation und für die Struktur der Lehre bewusst. Allerdings will er Zäsuren mit Hilfe wirtschaftlicher Ereignisse bestimmen. Um eine Zäsur festlegen zu können, sollte also eine „Systemtransformation” vorhanden sein, zum Beispiel die Einführung des Kapitalismus als Wirtschaftsform. Für ihn sind aus wirtschaftshistorischer Sicht Epocheneinschnitte klar erkennbar. Grundsätzlich benötigen Zäsuren einen Ausgangs- und Endpunkt.

Einigkeit herrschte zum Abschluss über die Notwendigkeit eines skeptischen und misstrauischen Umgangs mit Zäsuren, deren Bedeutung subjektiv und wandelbar ist. Dennoch sind Zäsuren an sich als Werkzeug des Historikers und als Orientierungspunkte unerlässlich.

(Redaktion: KP/MS/CJ)