Viel ist schon diskutiert worden über die Bologna-Reform. Beinahe jeder – ob Student, Hochschullehrer oder interessierter Bürger – hat sich mit der Hochschulreform auseinandergesetzt. Doch wie steht es wirklich mit den Zielen der Bologna-Reform? Konnten sie bis zum Ende der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts erreicht werden? Und wer steht eigentlich dahinter?
Diesen und vielen weiteren Fragen zur Bologna-Reform stellten sich Dr. Birgit Galler (BMBF), Prof. Dr. Werner Plumpe (Frankfurt am Main, Vorsitzender des VHD), Prof. Dr. Ulrich Herbert (Freiburg), Prof. Dr. Michael Sauer (Göttingen) und Sebastian Wein (Masterstudent, HU Berlin) in Form einer Podiumsdiskussion. Moderiert wurde diese von Sven Felix Kellerhof (Die Welt).
Bereits 1999 wurden Maßnahmen zur Einführung eines neuen Studiensystems ergriffen. Dies sollte nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa zu Veränderungen der Studienlandschaft führen. Zu den Zielen zählten damals die Einführung eines verständlichen und vergleichbaren Studiensystems, die Einführung von zwei Studienzyklen (Bachelor-Master), die Einführung von Leistungspunkten sowie die Stärkung der Mobilität innerhalb Europas. Man wollte all dies zum Ende der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts erreicht haben. Heute – zu genau diesem Zeitpunkt – ziehen die Minister eine recht positive Bilanz. Die Hauptziele, wie das Erreichen einer gewissen Vergleichbarkeit sowie die Einführung des Stufensystems seien bereits in 47 Staaten umgesetzt worden, stellte Frau Dr. Galler fest. Auch wenn natürlich noch Verbesserungsbedarf bestehe. Dies sei nicht zuletzt durch die zahlreichen Studentenproteste deutlich geworden.
Sie betonte weiterhin, dass man nicht vergessen dürfe, dass es sich bei der Bologna-Reform um einen Prozess handle. Man dürfe also nicht von heute auf morgen mit einem perfekt funktionierenden System rechnen. Vielmehr müsse sich dieses erst etablieren, dann könnten auch die Ziele in ihrer ganzen Tiefe umgesetzt werden. Zum Erreichen dieser Ziele finden jährlich Konferenzen mit dem Ministerium für Bildung und Forschung und Vertretern von Studenten, Universitäten und Institutionen statt. Als 1983, zu Beginn des Reformvorhabens, das erste Konzept veröffentlicht wurde, habe es sich tatsächlich um einen Drop-Down-Prozess gehandelt. An der Entscheidung wurden Universitäten damals nicht beteiligt. Doch heute wolle man alle Beteiligten in den weiteren Prozess mit einbeziehen.
Bologna: Erfolgsmodell oder gescheiterte Reform?
Wie erwartet fiel die Bewertung der Bologna-Reform durch die Professoren nicht so positiv aus. Die pessimistische Haltung der Öffentlichkeit gegenüber der Reform lasse sich, laut Prof. Dr. Plumpe, unter anderem dadurch erklären, dass ein grundsätzliches Vertrauen in die Reform fehle. Seit 1973 gebe es eine scheinbar permanente Hochschulreform, dennoch seien keine Änderungen und vor allem keine Dauerhaftigkeit im Reformprozess sichtbar.
Bologna-Reform löst nicht die Probleme der deutschen Universitäten, sondern schafft Neue.
Die Ansätze der Bologna-Reform seien keine angemessene Antwort auf die wirklichen Probleme der deutschen Universitätenlandschaft. Vielmehr habe die Reform zu neuen Problemen geführt, so Plumpe. So seien die Abbrecherquoten nicht, wie erwartet, zurückgegangen und die Anzahl der unterschiedlichen Abschlüsse sei unüberschaubar geworden. Dies führe zu einer großen Heterogenität in der Studienlandschaft, und – entgegen der Zielsetzung der Reform – zum Rückgang der Mobilität im Studium. So sei es zum Beispiel kaum möglich, den Universitätsstandort während eines Bachelorstudiengangs zu wechseln.
Niveauverlust der Lehre – Was trägt Bologna dazu bei?
Auch Ulrich Herbert unterstrich die Defizite des neuen Systems, wie etwa einen Niveauverlust in der Lehre, Chaos an den Universitäten, eine unüberschaubare Vielfalt an Studienabschlüssen, die Minderwertigkeit des B.A.-Abschlusses und die Verschulung des Systems. Er führt dies jedoch nicht nur auf die Bologna-Reform zurück. Seiner Ansicht nach gab es eine Kumulation verschiedener Faktoren, die nun in den Universitäten zum Tragen kommt. Zu solchen Faktoren gehören sicherlich nicht zuletzt die Einführung des Abiturs nach acht Jahren, die steigenden Studierendenzahlen sowie der Beschluss, die deutschen Fachhochschulen nicht weiter auszubauen.
Degradierung der Universitäten zu Gesamthochschulen
Dabei trifft es nach Herbert die Geisteswissenschaften besonders hart. Viele Menschen, die vorher nicht unbedingt studiert hätten, beginnen nun ein geisteswissenschaftliches Studium. Dadurch würden Universitäten zu Gesamthochschulen degradiert. Eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung sei kaum mehr möglich. Herbert betonte mehrfach, dass Studierende in die Forschung integriert werden müssten. Deutschland lebe schließlich zu einem nicht zu vernachlässigenden Teil von seiner Forschung auf hohem Niveau. Ein Studium solle keine Berufsausbildung sein. Dennoch müssten den Studierenden Berufspraxisfelder aufgezeigt werden, da nur 2-10% später in die Wissenschaft gingen. Auch Plumpe unterstützte die spezifische Kompetenz der auf die Forschung gestützten Lehre.
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