Prof. Dr. Sauer dagegen unterstrich die Tatsache, dass es schon immer Berufsausbildungen in den Universitäten gegeben habe, die Universitäten dies nur nie anerkennen wollten. Was anderes als eine Berufsausbildung sei denn der Lehramtsstudiengang? Im Fach Geschichte seien immerhin ein beträchtlicher Prozentsatz – im Wintersemester 2007/2008 40% – Lehramtsstudenten gewesen.
Hier zeige sich besonders gravierend die Absurdität der Bologna-Reform. Schließlich gebe es in der Bundesrepublik Deutschland einen Lehramtsmarkt, der vom Bund geregelt wird. Mit dem Bachelor einen Studiengang einzuführen, der in keiner Weise konkurrenzfähig ist, entbehre jeglicher Logik.
Früher wurde zunächst die Theorie im Studium erworben, die Praxis kam später hinzu. Heute soll die Praxis ins Studium integriert werden. Dies führe jedoch zu einer zeitlichen Überbelastung der Studenten. Abgesehen davon, dass an den Universitäten selbst Praxis bestenfalls simuliert werden kann. Dennoch plädierte Frau Dr. Galler dafür, dass der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss sei. Es sei durchaus möglich, innerhalb von drei bis vier Jahren berufsfähig ausgebildet zu werden. Weitere nötige Kompetenzen könnten auch erst nach dem Studium erworben werden, schließlich lerne man ja ohnehin lebenslang.
Sichtweise der Studierenden
Als studentischer Vertreter musste Sebastian Wein dem natürlich widersprechen, denn die Praxis sieht hier ganz anders aus. Lebenslanges Lernen gut und schön – doch schließlich will man nach dem Studium auch in einen Beruf wechseln. Schließt man allerdings beispielsweise ein Geschichtsstudium „nur” mit einem Bachelor ab, ist der Berufseinstieg nahezu unmöglich.
In den Geisteswissenschaften ist der Bachelor nicht berufsqualifizierend.
Ein Master ist für Geisteswissenschaftler unerlässlich. Erst dann wird man in der Wissenschaft, aber auch in der freien Wirtschaft, als berufsfähig anerkannt. Vielfach wird der Bachelor im Fach Geschichte von Studierenden wie Lehrenden lediglich als Zwischenprüfung angesehen.
Doch die Einführung des zweigliedrigen Systems hat nicht nur Nachteile. So ist die Mobilität nach dem Bachelor erheblich gestiegen. Die Studierenden haben nun die Möglichkeit, ihren Master an einer ganz anderen Universität zu absolvieren als ihren Bachelor, wie es auch Sebastian Wein getan hat. Auch ist die Mobilität in Europa – und sogar weltweit – erheblich gestiegen. „Früher war ein Auslandsaufenthalt viel schwieriger, aber ein Wechsel innerhalb der Universitäten viel einfacher”, so Herbert. Dennoch sollte man sich bei dieser Entwicklung fragen, ob es wirklich die Bologna-Reform war, die diese Entwicklung vorangebracht hat, oder ob es sich hierbei lediglich um eine logische Folge der voranschreitenden Globalisierung handelt. Auch Plumpe betonte: „Die Europäisierung des Hochschulraumes war immer schon da!”
Zum Abschluss dieser Podiumsdiskussion war man sich einig, dass die Veränderungen durch die Bologna-Reform nicht durchweg schlecht waren. „Es gibt einige gute Ideen, es hapert allerdings erheblich an der Organisation und vor allem am Informationsfluss”, wie Wein nochmals betonte. Es gibt sicherlich in diesem Prozess noch viel zu tun und zu verbessern. Eines der wichtigsten Ziele der nächsten Zeit sollte es, nach Plumpe, zunächst sein, ein Milieu der Herausforderung zu schaffen und den Spaß am Studium wiederherzustellen. Frau Dr. Galler versprach zudem, dafür zu sorgen, dass mehr Personal an den Universitäten eingestellt wird. So könne das Mehr an Betreuungsaufwand, das durch die Reform entstanden ist, kompensiert werden.
Die Diskutanten:
- Birgit Galler, selbst Historikerin, ist die zuständige Referatsleiterin für Bologna beim Bundesministerium für Bildung und Forschung.
- Werner Plumpe ist Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Goethe Universität Frankfurt am Main und erster Vorsitzender des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands.
- Ulrich Herbert lehrt Zeitgeschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
- Michael Sauer ist Geschichtsdidaktiker an der Georg-August-Universität Göttingen.
- Sebastian Wein absolviert ein Masterstudium im Fach Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin.
- Sven-Felix Kellerhoff (Die Welt) moderierte die Podiumsdiskussion.
Autorinnen: Christine Buch und Marina Scheiff (RWTH Aachen)
Christine Buch studiert Europäische Kunstgeschichte, sowie Mittlere und Neuere Geschichte mit Schwerpunkt Medizingeschichte an der Universität Heidelberg. |
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